Die sächsischen Fürsten- und Landesschulen genießen einen legendären Ruf. Dies zeigt sich nicht nur am großen öffentlichen Interesse an den heute dort eingerichteten Schulen, sondern auch am Umfang der meist hagiographischen Abhandlungen zu einer oder allen drei Schulen in Grimma, Meißen und Schulpforte. Anlässlich der Emeritierung von Rektor Karl Büchsenschütz legt Petra Dorfmüller einen Band vor, der sich erstmals eingehend allen Rektoren von den Anfängen der Landesschule Pforta bis zu ihrer Umwandlung in eine Nationalpolitische Erziehungsanstalt 1935 widmet. Mit Recht verweist die Autorin darauf, dass die Landesschule Pforta ihren Ruf zwar den ehemaligen Schülern verdanke, die später in Wissenschaft, Politik, Lehre und Verwaltung Bedeutendes geleistet hätten, dass die Voraussetzungen dazu aber durch die Lehrer geschaffen wurden, „die den Schülern das entsprechende Rüstzeug mit auf den Weg gaben“ (7).
Dem Band ist eine Einleitung vorausgeschickt (9-16), in der die Geschichte der Landesschule seit ihrer Gründung anhand der jeweiligen Rektoren nachgezeichnet wird. Zugleich lässt die Autorin allgemeine und spezielle Hintergründe für die Berufung und die Tätigkeit von Rektoren einfließen. Es sei ein Konstruktionsfehler bei der Gründung der Schule gewesen, dass die Befugnisse zwischen dem Rektor und dem Schulverwalter nicht klar abgegrenzt waren. Die „Neue Landesordnung“ von 1543 bezeichnete den Verwalter als Vorsteher der Schule, der in vielen wichtigen Schulangelegenheiten Mitspracherecht besaß und darüber hinaus die Gehälter der Lehrer auszahlte. Gerade diese Kompetenzstreitigkeiten hätten dazu geführt, dass in den ersten zehn Jahren der Landesschule das Rektorat sechsmal wechselte. Erst mit Christoph Baldauf war 1554 dann ein Rektor gefunden, der die Schule über einen längeren Zeitraum prägte. Danach beeinträchtigten konfessionelle Gründe die personelle Kontinuität.
Anfang des 17. Jahrhunderts standen dann Lehrkräfte zur Verfügung, die selbst Absolventen der Fürsten- und Landesschulen waren. Parallel dazu hatten sich mit dem Geheimen Consilium, dem Oberkonsistorium in Dresden und den adeligen Schulinspektoren feste Verwaltungsstrukturen für die Berufung und die Visitation der Rektoren herausgebildet, die bis zur Teilung Sachsens 1815 konstant blieben. Dieses Gefüge stellte dann die preußische Unterrichtsverwaltung völlig um. Parallelstrukturen wurden abgebaut und das Provinzialschulkollegium in Magdeburg sowie das preußische Unterrichtsministerium als vorgesetzte Verwaltungsbehörden eingeführt. Mitte des 19. Jahrhunderts habe „sich sogar der preußische König selbst vorbehalten, die Wahl des Rektors der Landesschule Pforta vorzunehmen“ (12). Mit der deutschen Reichsgründung wurde Schulpforte endgültig in einen nationalen bildungspolitischen Rahmen gestellt, was sofort auf die Berufungspraxis der Rektoren durchschlug. Nach der Pensionierung von Carl Peter 1873 wurde kein ehemaliger portenser Schüler mehr in das Rektorat der Landesschule berufen.
Allerdings hatten es in den vorangegangenen Jahrzehnten eine Reihe ehemaliger Schüler bis in die obersten Ränge der preußischen Schulverwaltung geschafft. In den 1870er und 1880er Jahren war es vor allem Hermann Bonitz, der im Unterrichtsministerium über die Entwicklung der Landesschule und die Berufung von Rektoren wachte. Er blieb bemüht, Pädagogen zu ernennen, die Erfahrungen mit dem Bildungs- und Erziehungssystem von Schulpforte hatten und bereits dort als Adjunkten tätig gewesen waren. Ende des 19. Jahrhunderts schien sich das Ministerium von dieser einvernehmlichen Strategie getrennt zu haben und weitgehend unabhängig vom Votum ehemaliger Pförtner zu entscheiden. Der Altphilologe und ehemalige Landesschüler Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf scheute sich nicht, alle Rektoren seit der Jahrhundertwende (Christian Muff, Wilhelm Bruns und seinen eigenen Schüler Karl Schmidt) als für Schulpforte ungeeignet zu bezeichnen. Mit Rektor Walther Kranz sei dann wieder eine Persönlichkeit berufen worden, die „sowohl wissenschaftlich als auch menschlich den vielfältigen Anforderungen gewachsen war und auch den unter seinem Vorgänger abgebrochenen Kontakt zu den ehemaligen Schülern wieder aufnehmen konnte“ (13).
Mit Kranz endet der durch Petra Dorfmüller vorgestellte Zeitraum. In kurzen Strichen zeichnet sie die Rektoratsentwicklung bis zur Gegenwart weiter, glaubt Abstufungen in der Schulentwicklung der 1960er und 1970er Jahre zu erkennen und stellt die Ära Büchsenschütz als „eine neue Periode das Aufschwungs“ dar (14). Abschließend werden der Selbstrekrutierungsgrad im Rektorat der Landesschule, die Gehaltsentwicklung, der steigende bürokratische Aufwand und die allgemeinen Pflichten der Rektoren beleuchtet.
Der Hauptteil des Buches ist dem Leben und Werk der 33 Rektoren der Jahre 1543 bis 1935 gewidmet, die in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt werden. Die Beiträge sind nicht nur quellengesättigt, sondern bestechen auch durch ihre Detailliertheit. Den Artikeln sind die Lebensdaten, Angaben über die Herkunftsfamilie, die Ehefrau(en), die Kinder, die Ausbildung und eventuelle vorige Stellungen an der Landesschule Pforta vorangestellt. Darüber hinaus sind die meisten biographischen Skizzen durch ein bis zwei Bilddokumente illustriert. Der besondere Wert der Beiträge liegt in den nachgestellten Bibliographien. Auf jeweils zwei bis drei eng bedruckten Seiten sind hier alle Schriften des jeweiligen Rektors sowie über den jeweiligen Rektor aufgeführt. Sie zeigen nicht nur die wissenschaftliche, meist altphilologische Tiefe und Breite der rectores portenses, sondern demonstrieren auch, dass – anders als heute – Lehrern und Rektoren die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Arbeit und Weiterbildung gegeben wurde.
In diesem Zusammenhang wäre es wünschenswert gewesen, auch auf geistesgeschichtliche und pädagogische Fragen einzugehen. So ist nicht nur auf die persönlichen Kontakte hinzuweisen, die Johannes Rivius, den Berater des Kurfürsten Moritz, mit den künftigen Fürstenschullehrern und Rektoren verbanden (9), sondern auch auf das geistesgeschichtliche Bindeglied zwischen diesen Personen, das im so genannten mitteldeutschen Humanismus bestand. Diesen haben Helmar Junghans und Günther Wartenberg [1] beschrieben. In diesem Kontext steht auch die Übertragung des Aufsichtsrechts über Schulpforte an die Universität Leipzig.
Aus bildungsgeschichtlicher Sicht wäre es eventuell zweckmäßig gewesen, auf die Konkurrenz zwischen dem Humboldtschen Neuhumanismus und dem eng mit der Landesschule Pforta in Verbindung stehenden süddeutsch-mitteldeutschen Neuhumanismus, der durch Gottfried Hermann, Friedrich Thiersch und Hermann Bonitz getragen wurde, einzugehen.
Mit Rektor Karl Schmidt ist eine der einschneidendsten Reformen an der Landesschule verbunden. Hierbei hebt die Autorin hervor, dass die Frage, „inwieweit Rektor Schmidt vom Provinzialschulkollegium von Anfang an nur zum energischen Durchsetzen der Reformen in Schulpforte eingesetzt wurde“, offen sei (13). In der biographischen Skizze über Schmidt wird dann zwar auf bauliche Verbesserungen an der Schule und die Einführung von Erziehern im Alumnatssystem eingegangen. Anhaltspunkte zur Auseinandersetzung zwischen dem Richertschen Reformprogramm von 1924 und den Reformvorstellungen Schmidts finden sich allerdings nicht (133).
Diese Monita schmälern nicht den ausgezeichneten Gesamteindruck der Arbeit von Petra Dorfmüller. Erstmalig wird hier ein eingehend archivarisch recherchiertes und gut lesbares Nachschlagewerk über die Rektoren der Landesschule Pforta vorgelegt. Mit Anhängen über die Nebeneinkünfte der Rektoren und Auszügen aus den Schulordnungen von 1602 und 1811 sowie einem detaillierten Personenregister wird der sehr gut handhabbare Band abgerundet.
[1] Wartenberg, Günther (1985): Visitationen des Schulwesens im albertinischen Sachsen zwischen 1540 und 1580. In: Goebel, Klaus (Hg.): Luther in der Schule. Beiträge zur Erziehungs- und Schulgeschichte, Pädagogik und Theologie. Bochum. S. 55-78. ND in: Wartenberg, Günther (2003): Wittenberger Reformation und Territoriale Politik. Ausgewählte Aufsätze. Leipzig. S. 159-174.
Junghans, Helmar (2004): Der mitteldeutsche Renaissancehumanismus. Nährboden der frühen Neuzeit. Stuttgart/Leipzig.
EWR 6 (2007), Nr. 2 (März/April 2007)
rectores portenses
Leben und Werk der Rektoren der Landesschule Pforta von 1543 bis 1935
Beucha: Sax Verlag 2006
(167 S.; ISBN 3-934544-96-7; 15,00 EUR)
Jonas Flöter (Leipzig)
Zur Zitierweise der Rezension:
Jonas Flöter: Rezension von: Dorfmüller, Petra: rectores portenses, Leben und Werk der Rektoren der Landesschule Pforta von 1543 bis 1935. Beucha: Sax Verlag 2006. In: EWR 6 (2007), Nr. 2 (Veröffentlicht am 28.03.2007), URL: http://klinkhardt.de/ewr/93454496.html
Jonas Flöter: Rezension von: Dorfmüller, Petra: rectores portenses, Leben und Werk der Rektoren der Landesschule Pforta von 1543 bis 1935. Beucha: Sax Verlag 2006. In: EWR 6 (2007), Nr. 2 (Veröffentlicht am 28.03.2007), URL: http://klinkhardt.de/ewr/93454496.html