EWR 1 (2002), Nr. 3 (Juli 2002)

Peter Kauder
Der Gedanke der Bildung in Platons Höhlengleichnisa
Eine kommentierende Studie aus pädagogischer Sicht
Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2001
(116 Seiten; ISBN 3-89676-379-2; 10,20 EUR)
Der Gedanke der Bildung in Platons Höhlengleichnisa Peter Kauder beklagt in seiner Arbeit zunächst den Mangel an spezifisch pädagogischen Studien zum Platonischen Höhlengleichnis, die den dort unzweifelhaft prominenten Bildungsgedanken erschließen (vgl. S. 9, 37f.). Unter einer distinkt pädagogischen Interpretation versteht der Autor in einem ersten Schritt eine Absage an philosophische (und philologische) Betrachtungsweisen, da man so in "Gefahr gerät, pädagogische Interpretationsansätze zu übersehen" (S. 37). Zweitens wird der Interpretationsansatz, um als spezifisch pädagogisch zu gelten, auch von den Fragestellungen und Problemen "gereinigt", die Platon selbst mit seinem Text verband.

Abgesehen von dem grundsätzlichen Einwand, dass ein Auseinanderdividieren von Philosophie und Pädagogik denkbar unplatonisch und damit ein Anachronismus ist, bewährt sich Kauders Ansatz auch aus anderen Gründen nicht: Zwar wird die Bedeutung des Bildungsgedankens für das Höhlengleichnis und der zentrale Begriff der Periagoge korrekt und detailliert beschrieben, aber in Kauders Schilderung bleibt die Platonische Bildung seltsam formal. Verdienstvoll (auch gegenüber philosophischen Studien) ist die Betonung von Zwang und Schmerzen, die Platon zufolge mit Bildung notwendig verbunden sind. Ebenso wichtig und richtig ist, den Prozesscharakter und den Anspruch der Bildung, die gesamte Wirklichkeitssicht und Lebensqualität des zu Bildenden zu verändern, aber die eigentlichen Bildungsinhalte, werden von Kauder nicht eingehend besprochen, was aber nötig ist.

Der aus der Höhle Geführte erkennt auf jeder Stufe seines Weges etwas mehr Seiendes und schließlich die Platonischen Ideen und vor allem die Idee des Guten, die allen Dingen ihr Sein und die Erkennbarkeit, dem Erkenntnissubjekt die Erkenntnisfähigkeit und insbesondere alles, was gut ist, gut macht und damit Zielpunkt alles menschlichen Strebens ist.

Nicht nur der Zwang, sondern auch Anspruch und Wirkung der im Höhlengleichnis geschilderten Bildung lassen sich nur im Rekurs auf die Inhalte dieser Bildung verstehen und das heißt, sich mit der Ideenlehre und der überragenden Bedeutung der Idee des Guten auseinanderzusetzen. Aber genau dies hat Kauder mit seinem Ansatz ausgeschlossen.

Noch überraschender ist allerdings, dass ein zentrales Moment der Platonischen Philosophie und damit auch Pädagogik keinerlei Erwähnung findet: die Dialogizität. Dabei handelt es sich ja nicht nur um einen formal-literarischen Gesichtspunkt, sondern um den Modus, in dem Platon zufolge der Mensch denkt und vor allem lernt. Kurzum: Es ist das eigentliche Medium der Bildung. Ferner schildert Platon im Höhlengleichnis und der Deutung (die nebenbei bemerkt im Text wesentlich länger ist, als Kauder angibt), dass Bildung nicht nur politisch bedingt ist, sondern vielmehr notwendig zu (sehr gefährlicher) politischer Aktivität führt. Demzufolge wäre Bildung also etwas was zwar an Einzelnen vollzogen wird, aber eminent politisch ist, weil es im Interesse aller ist. Diese denkbar radikal politische Auffassung von Bildung und ihren Konsequenzen wird in Kauders Interpretation ebenfalls unterbelichtet.

Zu erwähnen ist, dass der Autor ausführlich, aber recht veralterte Bibliographien und eine Übersetzung der interpretierten Passage präsentiert. Da er weiterhin einen wenig an die Interpretation angebundenen Exkurs ("Erziehungsbilder und Bildungsmetaphern") (S. 40-48) einfügt, umfasst die eigentliche Interpretation nur wenig mehr als die Hälfte des Gesamtumfanges. Daher ist abschließend zu konstatieren, dass P. Kauder aufgrund seines reduktionistischen Ansatzes dem Text und schon gar nicht dessen Autor gerecht wird.
Marcel van Ackeren (Bochum)
Zur Zitierweise der Rezension:
Marcel van Ackeren: Rezension von: Kauder, Peter: Der Gedanke der Bildung in Platons Höhlengleichnisa, Eine kommentierende Studie aus pädagogischer Sicht, Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2001. In: EWR 1 (2002), Nr. 3 (Veröffentlicht am 01.07.2002), URL: http://klinkhardt.de/ewr/89676379.html