
Die Auseinandersetzung mit dem Kompetenzbegriffs ist besonders plausibel im Beitrag von Elsholz "Kompetenzentwicklung zur reflexiven Handlungsfähigkeit" (S. 31-43), der den Weg vom Qualifikationsverständnis Ende der 60er Jahre zum Kompetenzkonzept nachzeichnet. Davon ausgehend wird Kompetenzentwicklung als reflexive Handlungsfähigkeit verstanden und in der konstruktivistisch subjektorientierten Diskussion verortet. Den Begriff der Reflexion unterscheidet Elsholz in "Strukturelle Reflexivität" als Hinterfragen der Arbeitsbedingungen und "Selbst-Reflexivität" als Einordnen der eigenen Kompetenzen (S. 37ff). Dem Autor geht es dabei um eine Erweiterung nicht um eine weitere Differenzierung des beruflichen Handlungskompetenz-Begriffs.
Nennenswert sind neben Elsholz auch de Cuvry (Von der Kompetenzanalyse zur Kompetenzentwicklung, S. 65-80), Rauner (Berufliche Kompetenzentwicklung – vom Novizen zum Experten, S. 111-132) und Erpenbeck (Kompetenzentwicklung in selbstorganisierten Netzwerkstrukturen, S. 201-222). Diese AutorInnen setzen sich mit methodischen und strukturellen Aspekten der Kompetenzentwicklung auseinander. De Cuvry stellt die Möglichkeit einer systematischen Bedarfserhebung für die Anforderungen der Arbeitswelt dar. Dabei erfüllt bereits die Bedarfsanalyse eine Doppelfunktion als Bewertung von subjektiven Kompetenzen und als Anstoß zur Reflexion des eigenen Kompetenzprofils. Rauner greift auf die erziehungswissenschaftliche Entwicklungsforschung zurück und verknüpft das Konzept von beruflicher Kompetenzentwicklung mit den fünfstufigen Modell vom Novizen zum Experten (in Anlehnung an Dreyfus/Dreyfus). Erpenbeck geht mit system- und handlungstheoretischen Deutungsmustern auf den Netzwerkbegriff ein und erreicht so einen Überblick zum Netzwerkbegriff als Strukturmerkmal. Andere Artikel verbleiben teilweise auf einer politischen Ebene und reflektieren diese Position wenig (Die Nachhut bildet hier Heimann: Kompetenzentwicklung in betrieblichen Weiterbildungsprozessen braucht aktiv gestaltete Rahmenbedingungen, S. 275-287). In diesem Fall wird die empirische Argumentation durch eine normative ersetzt und spiegelt das politisch Wünschenswerte wider.
Zu den Formalien ist folgendes zu sagen: In den Artikeln wird die Verwendung von Diagrammen und Tabellen recht unterschiedlich gehandhabt. Dieser visualisierende Bereich hängt sehr stark mit individuellen Vorlieben zusammen. Elsholz vermochte es allerdings als einziger der AutorInnen, die Diagramme verwendet haben, diese auch durchgängig korrekt mit Quellenangaben zu versehen. Im Anschluss an jeden Artikel befindet sich ein Literaturverzeichnis, am Ende des Sammelbandes schließt sich außerdem ein Verzeichnis der AutorInnen an. Glossar, Schlagwortwort- und Personenregister oder Abbildungsverzeichnis sind im Buch nicht vorhanden.
Der Vorsatz guter Herausgeberwerke verblasst angesichts der einzelnen Artikel, die relativ unverbunden nebeneinander stehen. Um mit Castells zu sprechen fehlt dieser Sammlung das Netzwerk als Interaktion zwischen den Knotenpunkten der Autoren. (vgl. Castells, Manuel: The rise of the network society. Blackwell. Cambridge 1996, S. 470ff). Es verwundert außerdem, dass dieser Ansatz von Castells zu Informationsgesellschaft und Vernetzung inhaltlich nicht Eingang gefunden hat, denn der Titel "Vernetzte Kompetenzentwicklung" suggeriert einen direkten Bezug. Vielleicht ist dieser Umstand aber auch als Hinweis zu werten, dass die so genannte "interne" und die "externe Diskussion" (Dehnbostel/Meister, S. 9) noch nicht immer zusammengefunden haben und der Sammelband sich in weiten Teilen auf die empirische Berichterstattung konzentriert.
Bleibt die Frage, ob es gelungen ist "Vernetzte Kompetenzentwicklung" als Alternative zur Weiterbildung darzustellen. Der Ansatz zur Begriffserweiterung der Weiterbildung durch Kompetenzentwicklung wurde zu Gunsten einer weiteren Differenzierung aufgeben. Dabei passiert an einigen Stellen genau das mit dem Kompetenzbegriff, was am Qualifikationsbegriff bemängelt wird: er wird individualisiert und zum politischen Schlagwort. Die nähere Beschreibung durch "Vernetzt" bezeichnet in weiten Teilen ein Synonym für die IT-Branche. Die strukturelle und inhaltlich Qualität der Vernetzung wird dabei nicht thematisiert, da der Begriff ausschließlich positiv besetzt zu sein scheint. Kompetenzentwicklung wird als Gegenposition zur Weiterbildung entfaltet, statt als alternative Position innerhalb der Weiterbildung. Das Ziel der Gegenüberstellung ist damit erfüllt, der Preis dafür ist eine weiterer Modebegriff ohne neue Anwendungsperspektiven.