Ingrid Gogolin, Ursula Neumann und Lutz Reuter stellen ihren Band unter die Leitfrage: Welches sind die Gemeinsamkeiten, welches die Unterschiede in den rechtlichen, organisatorischen und curricularen Regelungen, nach denen Minderheitenkinder in Deutschland unterrichtet werden? Der Band enthält 16 Bundesländerberichte, für die – jeweils gesondert ausgewiesen – neun Autorinnen und Autoren verantwortlich zeichnen (in alphabetischer Auflistung: Sabine Bühler-Otten, Ingrid Gogolin, Jana Häberlein, Ursula Neumann, Heike Niedrig, Beatrix Palt, Lutz Reuter, Joachim Schroeder).
Die formale Gliederung der Länderberichte zum Stand der Schul- und Unterrichtsorganisation für Schülerinnen und Schüler, die selber oder deren Familien nach Deutschland zugewandert waren (sog. Zuwandererkinder) und zusätzlich für die autochthonen Minderheiten, die sog. "alten" Minderheiten wie Dänen, Friesen und Sorben, folgt jeweils einem einheitlichen Muster:
- Allgemeine Informationen zum Aufbau des Schulsystems und zu den Schülerzahlen (nach Schulformen);
- Unterscheidung von (ethnischen) Minderheitengruppen auf der Ebene der Gesetzgebung (z.B. ausländische Schüler, Kinder von Asylbewerbern, Aussiedlerkinder, Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache), wobei auf Differenzierungen in der Terminologie eingegangen wird;
- Schulorganisation (Zuständigkeiten, schulorganisatorische Regelungen) für Minderheitengruppen;
- Anteil der Minderheitengruppen in den allgemeinbildenden Schulen;
- Sprachliche Bildung (im Primarbereich, in den Sekundarstufen und II, Muttersprachlicher Unterricht / Unterricht in den Herkunftssprachen, Modellversuche und Projekte zur sprachlichen Bildung);
- Curricula und Unterrichtsmaterialien für Minderheitengruppen;
- Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte, insbesondere Angebote für den Bereich sprachliche Bildung;
- Interkulturelles (Lehrplandefinitionen und Begründungszusammenhänge, Schulstufen- bzw. Schulformbezug / Fächerzuordnung, Europäische Dimension und ihre Umsetzung, Materialentwicklung);
- Schulversuche, Modellschulen, Innovationen;
- Sonstiges / Besonderheiten;
- Diskussion;
- Materialverzeichnis (Gesetze, Erlasse / Richtlinien / Rundschreiben).
Die Autorinnen und Autoren gründen ihre Ausführungen auf Datenmaterial, das im Sinne einer Methodentriangulation empirisch ermittelt wurde. Die Daten basieren auf Dokumentenanalysen (vgl. dazu die jeweils unter Gliederungspunkt XII. Materialverzeichnis aufgeführten Quellen), Beobachtungen von Praxissituationen auf der Grundlage elaborierter Besuchs- und Gesprächspläne, Befragungen von Expertinnen und Experten vor Ort (aus der Schulpraxis, der Schulpolitik, der Schulverwaltung und der Lehrerfortbildung) und schließlich auf Expertengesprächen mit verantwortlichen Ministerialbeamten mit der Zuständigkeit für Minderheitengruppen und ihre Belange im Schulwesen. Ausschlussfrist für die genutzten Daten war der Schuljahreswechsel 1999.
Die Ausführungen zu den beiden leitenden Kategorien sprachliche Bildung unter den Aspekten "Deutsch als Zweitsprache", "Lernen unter den Bedingungen von Mehrsprachigkeit", "Lernen von Fremdsprachen" und "Muttersprachlicher Unterricht" sowie Gegenstandsbezug des Unterrichts (Berücksichtigung von kultureller Pluralität in den Lehrplänen, Stellenwert von interkulturellem Lernen in dafür bestimmten Fächern oder Lernbereichen) sind insgesamt sachlich und sprachlich in Berichtform gefasst. Allein für den Abschnitt "XI. Diskussion" wird ein externes Beurteilungskriterium eingeführt, nämlich das der Innovation. Dieses Kriterium ist darüber definiert, inwiefern eine Maßnahme tendenziell zur Ausgrenzung oder Besonderung der zugewanderten Minderheiten im Bildungsbereich beiträgt oder inwiefern sie dazu beiträgt, den Reaktionen auf sprachliche bzw. ethnisch-kulturelle Pluralität in der Schülerschaft den Status eines konstitutiven Merkmals der Allgemeinbildung zu verschaffen. Die Autorinnen und Autoren bewerten traditionelle Sonderprogramme auf Zuwanderung, nämlich Sonderprogramme, vor dem Hintergrund der zunehmenden gesellschaftlichen Pluralisierung und aufgrund der verstetigten Zuwanderungs- und beschleunigten Europäisierungsprozesse als wenig tragfähig.
Zusätzlich zu den 16 Bundesländerberichten enthält der Band einen zehnseitigen Länderbericht für Österreich (verantwortlich: Elfie Fleck), in dem die gesetzlichen Grundlagen (Gesetze und Verordnungen) schulischer Maßnahmen für Schülerinnen und Schüler mit einer anderen Muttersprache als Deutsch referiert werden.
Für diejenigen, die für einzelne Bundesländer oder bundesländervergleichend von der aktuellen Debatte um Schulbildung für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund betroffen sind, bietet dieser Berichtsband 8 der Reihe Interkulturelle Bildungsforschung im Waxmann Verlag eine wertvolle, umfassende und gut recherchierte Argumentationsgrundlage.