Um es gleich zu Anfang zu sagen: Ludwig Pongratz hat ein Buch gegen den pädagogischen Positivismus geschrieben, der sich trotz des „Positivismusstreits in der deutschen Soziologie“ als „Leittheorie“ in allen Teilbereichen der Erziehungswissenschaft strukturell durchgesetzt hat und in Form von System- und Ambivalenztheorien den pädagogischen Diskurs seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts ungebrochen dominiert. Weil diese Dominanz so ungeheuerlich ist, dass kaum noch jemand wagt, der empirischen Bildungsforschung und ihren Zuarbeitern aus dem postmodernen Milieu des Konstruktivismus und Pragmatismus die Frage nach den Bedingungen ihrer Möglichkeit zu stellen – eine Frage, welche seit der „kopernikanischen Wende“ aber unumgänglich ist, um traditionelle von moderner Theoriebildung zu unterscheiden – ist die von Pongratz vorgelegte umfassende und ausgesprochen detaillierte Kritik des pädagogischen Konstruktivismus unbedingt notwendig, wenn nicht sogar längst überfällig. Wir haben lange auf ein solches Buch gewartet, das nicht nur die Methode der Skepsis und Kritik im Hinblick auf (pädagogische) Handlungsvollzüge wieder ins Recht setzt und auf die Verschränkung von Theoriebildung und historisch gesellschaftlicher Praxis verweist, sondern darüber hinaus die reflexive Außenperspektive einklagt, durch die Wissenschaft und (pädagogisches) Alltagshandeln, sich erstens einer Selbstkritik unterziehen und zweitens den allgemeinen Geltungsanspruch ihrer Prinzipien überprüfen können.
Beide Fragehorizonte, so weist Pongratz dezidiert nach, umgeht der pädagogische Konstruktivismus, da dessen Substanz, das selbstreferentielle, autopoietische System (Luhmann), ähnlich wie die fensterlose Monade Leibniz’ von innen heraus multiperspektivisch „konstruiert“ ist, so dass es gar keiner Außenperspektive bedarf, um sich sowohl zu perfektionieren als auch zu legitimieren. Ist man erst einmal in die Logik bzw. „Untiefe“ der Systemtheorie abgetaucht, aus deren Perspektive das Individuum, die Gesellschaft, die Geschichte, ja selbst die Natur nur als Konstrukte eines animalischen Überlebenswillens gedeutet werden (Kap. 2.2), dann bedarf es weder eines selbstverantwortlichen Handlungssubjekts, noch einer allgemeinen Legitimationsebene, um das System „Gesellschaft“ auch auf globaler Ebene in Form einer Weltkommunikation zusammenzuhalten. Ein „system operator“, d. h. ein in das System installiertes Subsystem der Kontrolle würde genügen, die Funktionalität des Systems, also seine Existenz, sicherzustellen und damit gleichzeitig seine Legitimität zu garantieren. Was funktioniert ist gewissermaßen durch sich selbst legitimiert, und wenn es nicht funktioniert, kann man es so konstruieren, dass es funktioniert. Wozu sonst, so Luhmanns zynische Anleihe bei Kant, sollte uns denn der Verstand gegeben sein?
Hier schließen nun die pädagogischen Hirnforscher umstandslos an. Ist der Mensch, in gut Gehlenscher Lesart, ein natürliches System, das seine angeborene mangelhafte Ausstattung im Zuge der Evolution als einzigartige Chance universaler Anpassung begreift, und damit Innen- und Außenperspektive seiner Existenz als einziges Lebewesen reflektiert, dann ist in dieser natürlichen Mängelausstattung auch das Potential seiner Vervollkommnung enthalten, welches das „Verstandessystem“ Mensch über andere natürliche Systeme erhebt, die sich nicht reflektieren bzw. sich keinen „Sinn“ geben können (vgl. 109). Weil auf Grund solcher „natürlicher“ Anlagen das Perfektionierungspotential des Systems „Mensch“ unhintergehbar ist (Maturana), ist der gesellschaftliche Fortschritt insgesamt betrachtet ebenso unabdingbar, selbst dann, wenn das System, wie etwa zwischen 1933 und 1945, anfällig erscheint. Am Ende, so die Hirnforscher und mit ihnen die Bio-Konstruktivisten, werden die um das Überleben kämpfenden Verstandesträger rational entscheiden, oder besser gesagt: das System wird für sie rational entscheiden, so dass wir uns eigentlich keine Sorgen machen müssen, dass ein falscher Präsident einen falschen Knopf drückt oder - pädagogisch gewendet – ein schlechter Lehrer bzw. ein schlechtes Unterrichtssystem einen begabten Schüler ruiniert. Daher bedarf es auch keines besonderen pädagogischen Engagements, um Unterricht bildend zu gestalten, sondern, mit Arnold gesprochen, nur einer neuen „pädagogischen Gelassenheit“, die in Form einer „anderen Haltung“ zum Fachwissen mit einem „humanistischen Menschenbild“ immer schon verbunden sei (vgl. 123). Am Ende muss sich der Lehrer nur von der „Illusion der Machbarkeit“ (ebd.) verabschieden, welches vielleicht dem Schüler nicht hilft, seine Zukunft selbstverantwortlich zu entwerfen, wohl aber den Lehrer von seiner pädagogischen Verantwortung entlastet.
Natürlich will der pädagogische Konstruktivismus hilfreich sein, den Arbeitsmarkt zu bedienen. Nicht umsonst hat er sich als praktisches Experimentierfeld im Bereich der Erwachsenenbildung, sprich: Weiterbildung, etabliert (Arnold, Kösel, Siebert et al.) und kann daher auch recht flott von Ermöglichungsdidaktik an Stelle von Instruktionsdidaktik sprechen, sind seine Adressaten doch bereits konditioniert genug, dass „weiche“ Anpassungs- und Disziplinierungsmaßnahmen ausreichen, um „Schlüsselkompetenzen“ zu vermitteln, die den Arbeitssuchenden als ernst zu nehmenden Aspiranten qualifizieren (Kap. 2.6.1-2). In der Praxis sieht das dann so aus, dass Realschulabgänger, die keinen Ausbildungsplatz finden, zweimal in der Woche darin unterrichtet werden, dass sie täglich ihre Unterwäsche zu wechseln haben. Schüler und Schülerinnen mit und ohne Hauptschulabschluss werden teilweise sogar von diesem Unterricht ausgeschlossen, ohne dass dies die Konstruktivisten in ihrer Meinung beirren könnte, dass das System „an sich“, d. h. das System, in dem der Stärkste, und nur der Stärkste überlebt, vernünftig ist. Wo gehobelt wird, da fallen Späne, und eine Armutsrate von 15% in den reichen Nationen bringt ein System nicht wirklich in Bedrängnis. – So die Ideologie.
Natürlich gibt sich der pädagogische Konstruktivismus nicht neoliberal, sondern reformpädagogisch. Auch dies ist ein Vorzug der von Pongratz vorgelegten Studie, dass sie das falsche Pathos, die Befreiungsideologie des pädagogischen Konstruktivismus offen legt und dadurch gleichzeitig dessen Nähe zur postmodernen Lebensstilethik eines überbordenden Individualismus aufzeigt, eignet sich doch nach Lesart der Konstruktivisten der autopoietische Charakter eines jeden Subsystems, die Selbsterhaltungsenergie des Gesamtsystems in Zirkulation zu halten, und zwar durch Inklusion und Exklusion. Dies heißt übersetzt, dass kompatible Elemente in das Gesamtsystem integriert und störende Faktoren eliminiert bzw. neutralisiert werden. Noch einmal von mir übersetzt in soziale Wirklichkeit kann dies je nach Konstrukt bedeuten, dass der potentielle Familienvater zweier Kinder durch Weiterbildungsmaßnahmen soweit gefördert wird, dass er sein systemfunktionales Potential auch ausschöpft, während demgegenüber die potentielle Mutter so kurz gehalten wird, dass von ihr Ehe und Familie als die ökonomisch sicherere Option wahrgenommen bzw. konstruiert wird.
Eine gewissermaßen naturwissenschaftlich sich gebärdende Praxeologie der Inklusion und Exklusion leitet sich in eine Selektionspädagogik weiter, die sich ihres inhumanen Prinzips überhaupt nicht bewusst ist. Pongratz führt aus, dass auch Luhmann erst in seinen späten Schriften leichte Anzeichen der Irritation zu erkennen gibt angesichts einer autopoietischen Technologie und eines ungezügelten Kapitalismus (Kap. 3.1), aber am Prinzip der Selektion ungebrochen festhält. Was das System nicht braucht, spült es fort, und eines seiner Klärwerke ist das Subsystem Schule, auch „Rüttelsieb der Gesellschaft“ (123) genannt. Das Individuum reduziert zwecks Überlebens Systemkomplexität, das System reduziert zwecks Funktionstüchtigkeit das komplexe Individuum und vermasst es. In gewisser Weise ist so die Dialektik zwischen Erkenntnissubjekt und Erkenntnisobjekt auf unterster, d. h. auf lebensweltlicher Ebene sogar wieder hergestellt, nur dass der Konstruktivist diese Dialektik natürlich nicht namhaft machen kann im geschlossenen System konstruierter Wirklichkeit. Warum dieses Konstrukt überhaupt noch mit dem Begriff „Wirklichkeit“ belegt wird, bleibt ein Geheimnis des konstruktivistischen Kampfvokabulars, welches „im Stil einer Erweckungsbewegung (…) ihre Schüler unablässig auffordert, in sich eine neue Haltung zu entdecken“ (123). Diese neue Haltung hat im Argumentationsgang eines sich selbst als wissenschaftlich objektiv identifizierenden Denkens natürlich nichts mit Subjektivismus zu tun, sondern ist Resultat einer dem System selbst innewohnenden Rationalität. „Systeme verstehen Systeme“ (113) heißt so nichts anderes, als dass das Konstrukt in sich intelligent genug ist, um fortan ohne seinen Konstrukteur auszukommen. Das System erhält, verbessert oder ersetzt sich selbst und zwar qua Inklusion und Exklusion. Dass der unter dem Deckmantel der Systemrationalität ausgetragene Krieg aller gegen alle vor allem den Markt bedient, liegt ebenso auf der Hand, wie die Tatsache, dass der für die bürgerlichen Gesellschaft konstitutive Konkurrenzkampf eingeübt werden muss, so dass er seinen Protagonisten als die einzig rationale und damit als natürliche Existenzweise erscheint. Schule, definiert als „Rüttelsieb der Gesellschaft“ (s. o.), wird so zum Trainingszentrum zukünftiger Klassenkämpfer, denen es allerdings nicht, wie noch bei Marx, um politische Identität, sondern um das nackte Überleben in einem System geht, dessen einziges Ordnungsprinzip die Selektion ist.
Wenn man, wie die Konstruktivisten, gezwungen ist, Selektion als selbstreinigende Kraft des Systems auszuweisen, schreibt man damit natürlich einen platten Materialismus weiter, der schon während seiner Entstehung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Feuerbach und Marx als solcher identifiziert und kritisiert wurde. Entsprechend dieser platten materialistischen Ausrichtung einer biologisch argumentierenden Systemrationalität, die sich mehr recht als schlecht hinter dem Konstrukt der Welt als bloßer Wille oder als reine Vorstellung versteckt, ist der „Feind“ des Konstruktivismus bzw. der objektiven Wissenschaft schnell ausgemacht, nämlich die Vernunft selbst, die bekanntlich in Opposition zur „instrumentalistischen Metaphysik“ (60) steht. Konnte Vernunft, nicht einmal bei Hegel, sich außerhalb eines denkenden und damit letztlich leiblich existierenden Subjekts verorten - wir erinnern uns, das Wahre ist das Ganze und als solches eben so sehr Substanz wie Subjekt – so stand diese Vernunft naturgemäß auch immer in Gefahr, sich nicht zu entfalten, nämlich immer dann, wenn die sozialen und ökonomischen Umstände es nicht erlaubten. Systemrationalität, die, solange das System existiert, unzerstörbar ist, hängt dagegen nicht von den Individuen ab oder davon, ob ein Erkenntnissubjekt vorhanden ist oder nicht. Sie ist gewissermaßen jedem System als selbststabilisierendes Potential (vgl. 125) eingeboren, oder es würde nicht existieren. Im Grunde genommen verbürgt die Existenz des Systems die ihm innewohnende Rationalität. Wäre das System irrational organisiert, würde es nämlich nicht existieren. Kein Wunder, dass Praktiker jeglicher Couleur, respektive Lehrer, in Scharen sich eine Theorie zu eigen machen, die ihnen nicht nur erklärt, dass ihre Arbeits- und Lebenswelt zweckrational geordnet ist und daher so, wie sie ist, auch Sinn macht. Darüber hinaus gibt es im System der Rationalität auch keine verkehrte Praxis mehr, denn die Komplexität des „Systems Unterricht“ sorgt dafür, so Pongratz im Anschluß an E. A. Lumpe, dass „der Lernprozess der Schüler auch dann weitergeht, wenn sich der Lehrer fehl verhält“ (124).
Ist die Vernunft und damit ein subjektiv verantworteter Erkenntnisstandpunkt der erklärte Feind des Konstruktivismus, dann ist klar, dass damit die gesamte Tradition moderner Erkenntniskritik von Montaigne über Kant bis hin zu Adorno an den Pranger gestellt wird. Begnügte Luhmann sich im wesentlichen mit einer Kritik des Aufklärungs- und Emanzipationspathos, das er mit der Logik des Pragmatismus konfrontierte, desavouieren die Konstruktivisten, ob in der radikalen Form oder in der pädagogischen „light version“ (Kap. 2.6), die gesamte Theorietradition der Moderne. War es die Kritische Theorie, die im 20. Jahrhundert diese Theorietradition, einschließlich ihrer Brüche, am genauesten untersuchte, ist es Anfang des 21. Jahrhunderts seltsamerweise immer noch die Kritische Theorie, welche die Hauptangriffsfläche des instrumentellen, d. h. pragmatisch ausgerichteten Konstruktivismus darstellt. Im Bereich der Pädagogik avancierte im Zuge des Paradigmenwechsels von einer „geisteswissenschaftlichen“, hermeneutisch sich verortenden Disziplin zu einer sozialwissenschaftlichen, empirisch arbeitenden Fachwissenschaft die im Umfeld von Heydorns Bildungsphilosophie entstandene Kritische Erziehungswissenschaft zum erklärten Theoriegegner des pädagogischen Konstruktivismus. Hieraus erklärt sich auch Pongratz’ legitime Polemik gegen den Konstruktivismus, gehört er selbst der Schule der Kritik an und hat ein Vierteljahrhundert mit ansehen müssen, wie der Konstruktivismus als verlängerter Arm des Neoliberalismus vor allem sich selbst vermarktet hat. Diese Marktorientierung beginnt mit der Etablierung einer Rhetorik, die sich als „Zauber-Einmaleins“ (Kap. 2.1) in den Köpfen der „Jünger“ festsetzt und dadurch eine „Vermarktung der Begriffe“ (175) initiiert, setzt sich fort in einer strengen Personalpolitik, so dass an strukturrelevanten Schaltstellen systemstabilisierende Kräfte installiert werden, und vollendet sich als Theorie zur „Reorganisation des Bildungswesens in Modellen der Selbstorganisation“ (177). Dies ist auch ein Weg, den Lehrer von der Notwendigkeit zu entlasten, seine Selektionsfunktion legitimieren zu müssen – das System besorgt die Selektion ja selbst – und längerfristig betrachtet, entlastet man durch solchen selbstorganisierten Unterricht sogar den Staat von seinen öffentlichen Aufgaben. Hat sich das Prinzip der Selbstorganisation erst einmal durchgesetzt, könnten wir im Grunde genommen auf öffentliche Bildungseinrichtungen und – weiter gedacht – auch auf Sozialfürsorge ganz verzichten. Das System würde es überleben.
Der von Pongratz seines seichten Fahrwassers überführte pädagogische Konstruktivismus ist knallhart, wenn es um die Verteidigung der Schaltstellen der Macht geht. Seine neueste Erfindung ist Bildungsforschung, die von der Messbarkeit von Bildung ausgeht, ohne überhaupt einen Begriff von Bildung zu haben. Das heißt, sie messen etwas, das eigentlich erst als vermessenes zu dem wird, was gemessen werden soll. Dies nennt Pongratz den „blinden Fleck“ der Systemtheorie, der im Grunde genommen sich zum großen Dunkel des gesamten pädagogischen Empirismus ausweitet, der eigentlich gar keine Daten zu erheben braucht, um die Systemrationalität seines (Bildungs-) Konstrukts unter Beweis zu stellen. In der geschlossenen Welt des Konstruierens ist auch und gerade die Erfahrungswelt ein bloßes Konstrukt, die ich de- oder rekonstruieren kann, ganz wie es dem großen Konstrukt, dem universalen System der Inklusion und Exklusion zupass ist.
Dies von Pongratz vorgelegte Meisterstück einer ideologiekritischen Analyse des positivistischen ‚mainstream’ in der Erziehungswissenschaft, wird nicht nur manchen Konstruktivisten wachrütteln sondern auch einige prominente Vertreter dieses ‚mainstream’ zum Diskurs rufen, z. B. Tenorth, dem praktisch das gesamte erste Kapitel gewidmet ist. Darüber hinaus wird dieses Buch auch für einiges Befremden in den eigenen Reihen sorgen angesichts des literarischen Stils vor allem des Einstiegskapitels, in dem Pongratz den Stil der kleinen Verkünder des Endes der „großen Erzählungen“ meisterhaft konterkariert. Und dies von Pongratz ausgelöste Befremden ist gut so! Wenn es ein Erbe der Kantischen Vernunftkritik und der Kritischen Theorie gibt, das es wirklich zu verteidigen gilt, dann ist es deren Aversion gegen Jargon, sei es der Jargon des Gegners oder der eigenen Schule. Genau diesem Anspruch trägt Pongratz Rechnung. Er verfällt nie in Jargon und verlässt bei aller Parteilichkeit für die Sache der Humanität nie den Stand der Außenperspektive, die, soweit es mir als Schülerin des Kantforschers Friederich Kaulbach bekannt ist, die philosophische Perspektive ist.
Wenn es einen Punkt gibt, bei dem ich die von Pongratz angemahnte wissenschaftliche Selbstreflexivität auf ihn selbst anwenden möchte, handelt es sich eher um eine Marginalie, die ich aber gerade deshalb nicht unerwähnt lassen möchte. Mit Sicherheit war Luhmann aus den oben erwähnten Gründen ein vehementer Kritiker der Kritischen Theorie und focht mit Habermas gewissermaßen einen zweiten Positivismusstreit aus. Ob es aber jemals eine substantiell an der Kritischen Theorie orientierte tonangebende „Kritische Erziehungswissenschaft“ (121) gegeben hat – Heydorn wäre insbesondere in den Augen Horkheimers wohl ein wenig zu synergetisch orientiert – kann eigentlich nicht nachgewiesen werden. Verglichen mit den Resultaten der „Dialektik der Aufklärung“ und noch mehr mit denen der „Negativen Dialektik“ hat sich „Kritische Erziehungswissenschaft“, jedenfalls so, wie sie sich in ihrer Breite repräsentierte, niemals der Positivität der Verhältnisse ganz entziehen können, ist sie doch immer auch auf die Praxis im Hier und Jetzt ausgerichtet. Vielleicht, und mit dieser These möchte ich die Buchbesprechung abschließen, vielleicht hat ja der Konstruktivismus in der Pädagogik so leichtes Spiel gehabt, weil keine Kritik zu Stelle war, jedenfalls keine, die dem Jargon entgangen wäre?
EWR 4 (2005), Nr. 6 (November/Dezember 2005)
Untiefen im Mainstream
Zur Kritik konstruktivistisch-systemtheoretischer Pädagogik
Wetzlar: BĂĽchse der Pandora 2004
(204 S.; ISBN 3-88178-163-3; 18,00 EUR)
Ursula Reitemeyer (MĂĽnster)
Zur Zitierweise der Rezension:
Ursula Reitemeyer: Rezension von: Pongratz, Ludwig: Untiefen im Mainstream, Zur Kritik konstruktivistisch-systemtheoretischer Pädagogik. Wetzlar: BĂĽchse der Pandora 2004. In: EWR 4 (2005), Nr. 6 (Veröffentlicht am 08.12.2005), URL: http://klinkhardt.de/ewr/88178163.html
Ursula Reitemeyer: Rezension von: Pongratz, Ludwig: Untiefen im Mainstream, Zur Kritik konstruktivistisch-systemtheoretischer Pädagogik. Wetzlar: BĂĽchse der Pandora 2004. In: EWR 4 (2005), Nr. 6 (Veröffentlicht am 08.12.2005), URL: http://klinkhardt.de/ewr/88178163.html