EWR 1 (2002), Nr. 5 (Oktober - Dezember 2002)

Martin Lang / Günter Pätzold
Multimedia in der Aus- und Weiterbildung
Grundlagen und Fallstudien zum netzbasierten Lernen
Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst 2002
(219 Seiten; ISBN 3-87156-418-4; 19,80 EUR)
Multimedia in der Aus- und Weiterbildung Das Buch richtet sich an Personen, die bereits multimediale Lernangebote nutzen oder sich ĂĽber die EinfĂĽhrung solcher Produkte Gedanken machen. Es handelt sich hierbei um eine Entscheidungshilfe fĂĽr die mit Weiterbildung beauftragten Personen in unterschiedlichen Sparten von Unternehmen.

Darüber hinaus sollen Beurteilungshilfen an die Hand gegeben werden, um auf dem Markt befindliche multimediale Lernprodukte zu analysieren, eine gezielte Auswahl treffen zu können sowie eine eigene, an die spezifischen Unternehmensinteressen angepasste Plattformgestaltung überdenken und durchführen zu können. Textpassagen und Schaubilder werden dabei sinnvoll kombiniert.

In einem ersten Zugang präsentieren die Autoren Lang und Pätzold eine Bestandsaufnahme des E-learning. Als Ziel beruflicher Bildung geben die Autoren in Kap. 2 die Entwicklung einer umfassenden beruflichen Handlungskompetenz an, zu der die Fähigkeit des Begreifens einer immer komplexer werdenden Umwelt gehört, was zur Ausweitung des Handlungsrepertoires bei den Mitarbeitern führen muss. Es wird auf eine Verhaltens-, Inhalts- und Situationsanalyse verwiesen, aus der der Ist- und Sollzustand von Bildung abgeleitet und in ein entsprechendes Lernprogramm gefasst werden soll; wie dies genau zu geschehen hat, bleibt weitestgehend unklar – besonders die Relevanz multimedialen Lernens. Der Hinweis, dass die Arbeitsorganisation über die methodische Gestaltung der Lernprogramme "entscheidet" und Lernen in die Arbeit als wertschöpfenden Prozess zu integrieren sei, hilft als innovativer Gedanke ebenfalls nicht weiter, denn auch hierin ist ein bereits lange praktiziertes Konzept pädagogischer Bildungsarbeit zu sehen (vgl. Arbeitsschulbewegung u.ä.).

Der Vergleich von traditioneller und multimedialer Organisation des Lernens legt plakativ vor Augen, dass allein das Online-Lernen die benötigte Flexibilität erzeugen kann, denn die Momente Prüfung, träges Wissen, kein Anwendungsbezug, keine Förderung von Problemlösefähigkeit etc. entfallen; es stellt sich die Frage, ob diese Schwarz-Weiss-Malerei denn tatsächlich dem Lernbegriff und der Gesetzlichkeit des Lernprozesses gerecht wird – ob also traditionelle Lernformen bei entsprechender Ausgestaltung nicht ebenfalls die genanten Effekte erzielen können. Hier scheinen vorhandene Konzepte der Pädagogik schlichtweg nicht berücksichtigt oder in Vergessenheit geraten zu sein, die großen Wert auf Transfer und Exploration legen (vgl. Ansätze von Francke, Pestalozzi, Kerschensteiner usw.), die durchaus im betrieblichen Kontext umzusetzen und zu erproben wären, bevor eine Wertung, wie sie hier vorliegt, leistbar ist (vgl. dazu Kap.2).

Lang und Pätzold suchen sowohl die Potentiale als auch die Konzeptionen beim multimedialen Lernen zu erfassen, wobei die Vorgehensweise für den Leser verwirrend ist, denn die Kriterien zur Bearbeitung scheinen wahllos herausgegriffen.

Bei der Darstellung individuellen Lernens mit Multimedia skizzieren die Autoren das PC-Training und das Web-Based-Training und gehen auf das Arbeiten in virtuellen Räumen ein, um sich anschließend den Grundszenarien des Telelernens zuzuwenden; es bleibt allerdings offen, ob dies eine neue Organisationsform ist oder aber auch zu der individuellen Organisationsform des multimedialen Lernens gehört (vgl. dazu Kap. 3.1 und 3.2).

In den Ausführungen zum didaktischen Design werden unterschiedliche lerntheoretische Ansätze präsentiert. Sie sind sauber voneinander abgegrenzt und in ihren Grundannahmen gut dargestellt. Dem Behaviorismus, dem Kognitivismus und dem Konstruktivismus werden Wissensformen an die Seite gestellt, um das erforderliche Lernen im betrieblichen Zusammenhang weiter zu präzisieren. Der Vorwurf einer betrieblichen Vorgabe der zu erlernenden Wissensbereiche wird durch unterschiedliche Formen des entdeckenden Lernens (Versuch und Irrtum, Momente der Kreativität, Anwendung von strategischem Denken etc.) zu entkräften versucht. Zudem wird dem Grad des Vorwissens der Lerner eine eher passende Lernform zugeordnet: Je näher ein Mitarbeiter am Expertentum ist, desto eher greifen konstruktive Lernformen. Dabei stellt sich dann die Frage, was dann genau der Auftrag von Weiterbildung sein kann, erinnert man sich an die Zielvorgabe aus Kap.1. Der Hinweis, dass Weiterbildung die Gestaltung des Mittelweges zwischen Vorgabe und Selbststeuerung sei, kann dieses Problem weder schärfer fassen, noch in irgendeiner Weise tatsächlich praktisch handhabbar machen – gerade darin liegt aber die Intention des Textes. Was den Autoren aber in diesem Zusammenhang zugute kommt, sind die Zusammenfassungen nach der Darstellung eines jeden Lernkonzeptes, die sehr griffig und eingängig formuliert sind (vgl. Kap. 3.3).

Im Anschluss daran wenden sich Lang und Pätzold der medialen Kombination im Bereich multimedialen Lernens zu, wobei die Ausführungen diesbezüglich eher verzichtbar wären, denn die Charakteristik der Leistungsprofile der Medien für sich genommen wäre an dieser Stelle notwendig gewesen; jedoch wird diese Frage nur angedeutet. Deshalb kann aus der Addition medialer Darstellungen zu einem Produkt multimedialen Lernens keinesfalls der Schluss gezogen werden, es erhöhe die Effektivität und Selbstbestimmung während des Aneignungsprozesses (vgl. Kap. 3.4).

Ob nun das multimediale Lernen die sozialen Kompetenzen fördert oder eher hemmt, ist ein weiterer thematischer Schwerpunkt dieses Buches, der mit der Frage nach Lernvoraussetzungen und Lerntypen vermischt wird und keine innere Logik, aber eine hohe Praxisrelevanz aufzuweisen scheint.

Wie nun das multimediale Lernen sinnvoll in Online- und Präsenzphasen zu untergliedern und zu kombinieren ist, welche Konsequenzen dies für den Lernort und die Arbeitsorganisation hat, ist die Frage, die Lang und Pätzold sich im Anschluss stellen (vgl. Kap.4). Dabei gehen sie hauptsächlich auf die Implementation, die Gestaltung entsprechender Lernumgebungen sowie auf die Instrumente zur Bedarfsermittlung und Evaluation ein. Auch der Bereich der Inhaltsselektion beim multimedialen Lernen wird angerissen, wobei sich hier die Frage stellt, worin genau das innovative Moment des Online-Lernens in Bezug zu traditionellen Lernformen liegt (vgl. Kap. 5).

Den Abschluss des Buches bilden Fallstudien aus unterschiedlichen Unternehmenssparten, die bereits E-Learning in unterschiedlichen Ausprägungen eingeführt haben.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass der Text mit Sicherheit für interessierte Praktiker Anregungen zur Produktpalette multimedialen Lernens enthält, diese jedoch kaum in ihren Grundlagen und theoretischen Hintergründen dargestellt werden, auf deren Fundament eine Bewertung als "innovativ" oder "eher traditionelle Bezüge aufgreifend" hätte erfolgen können. So ist es eine Ansammlung an Befunden, Vorstellungen und scheinbar wenig erforschter und ausgereifter Konzepte multimedialen Lernens.
Bärbel Weber (Trier)
Zur Zitierweise der Rezension:
Bärbel Weber: Rezension von: Lang, Martin / Pätzold, GĂĽnter: Multimedia in der Aus- und Weiterbildung, Grundlagen und Fallstudien zum netzbasierten Lernen, Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst 2002. In: EWR 1 (2002), Nr. 5 (Veröffentlicht am 01.12.2002), URL: http://klinkhardt.de/ewr/87156418.html