Locker geschrieben, z.T. assoziativ verbunden berichtet Gerhard Prause (1926-2004), ehemaliger Redakteur und Ressortleiter der ZEIT und Erfinder des Rätsels: „Tratschke fragt: Wer war`s?“ über die Schulerfahrungen von mehr als einhundert Personen, die er als Genies bezeichnet. Zu den Genies aus Geschichte und Gegenwart, aus Politik, Handel, Kultur und Wissenschaft zählt er so unterschiedliche Menschen wie Alexander den Großen, Cäsar, Descartes, Leibniz, Kant, Schiller, Napoleon, Mozart, Hegel, Lenin, Marie und Pierre Curie, Freud, Einstein, Hofmannsthal, Sartre etc. Nebenbei lernt der geneigte Leser, dass vor allem Männer zu den Genies zählen. Unter den behandelten Persönlichkeiten sind vier weiblichen Geschlechts (Rosa Luxemburg, Marie Curie, Maria Stuart und Christine von Schweden). Prause interessieren die Schulerfahrungen dieser >Genies<, ihre Angst vor Prüfungen, Lehrern und Mitschülern, die Schwierigkeiten der Anpassung, Gefühle der Auslieferung an Zwänge, die Abhängigkeit von Eltern und Lehrern und die Furcht davor, als Streber oder Musterschüler zu gelten. Er will aber auch positive Erfahrungen wie die Freude am Lernen und an der Ausweitung des Wissens, die leidenschaftliche Auseinandersetzung mit neuen Erkenntnissen nicht verschweigen. Prause fragt danach, wie die Genies mit der Schule fertig wurden und stellt in sechs Kapiteln ihre Schulerfahrungen vor. Der Journalist unterscheidet solche, die schlecht oder allenfalls befriedigend in der Schule waren (Kapitel 1), die die Schule hassten oder an ihr verzweifelten (Kapitel 2), die in der Schule kaum auffielen und gute Schüler (Kapitel 3) oder gar sehr gute oder ausgezeichnete Schüler waren (Kapitel 4). Er stellt Genies vor, die nie die Schule besuchten, sondern von Vätern (oder Müttern) und Hauslehrern erzogen wurden (Kapitel 5). In besonderer Weise geht er der Frage nach, ob man – trotz mangelhafter Schulbildung – im Leben erfolgreich sein kann (Kapitel 6). Neben der Vorstellung verschiedener Persönlichkeiten – immer mit dem besonderen Focus auf deren Schulerfahrungen – werden locker Informationen, z.B. zur Geschichte des Schulwesens (207 ff.), gegeben.
Im Nachwort erörtert Gerhard Prause die Wichtigkeit des (schulischen) Lernens. Trotz eines eher diffusen Bildungsideals oder abnehmender Zwänge reiche es nicht aus, sich mit Cleverness durch die Schule zu mogeln; ohne Lernen und schulische Leistung wäre Erfolg im Leben sicherlich nicht möglich; erfolgreiche Menschen seien nur in Ausnahmefällen schlechte Schüler gewesen. „Man kann es drehen und wenden, wie man will: Ohne Leistung geht es nicht. Damit soll zwar keineswegs dem Leistungsprinzip gehuldigt werden, aber solange wir eine Leistungsgesellschaft sind (…) sollte man gerade den Kindern und Jugendlichen gegenüber, die noch in der Schulausbildung stehen, nicht so tun, als seien Leistung und Erfolgsstreben eher schädlich als nützlich“ (288). Prause akzentuiert, dass Schule nur zu einem kleinen Teil aus Spaß und Freude und zu einem größeren Teil in Arbeit, Zwang und Selbstüberwindung, in Unsicherheit, Angst, Enttäuschung und nicht selten auch in Misserfolgen besteht. „Zu wissen, dass viele und sogar die Großen, die Erfolgreichen ebenfalls damit fertig werden mussten, kann vielleicht helfen, sich nicht entmutigen zu lassen“ (288).
Das Bändchen ist unterhaltsam und kurzweilig geschrieben und an jedermann gerichtet. Es steht in einer Reihe mit anderen des Autors, wie z.B. „Was so nicht im Geschichtsbuch steht. Biografie-Rätsel quer durch alle Epochen“ (2006) oder „Warum Mozart Kugeln liebte. Unbekanntes aus dem Leben berühmter Persönlichkeiten“ (2007) oder „Vierundvierzig mal Wer war`s? - Tratschkes Personenrätsel aus der ZEIT“ (1985). Prause hat sich schon seit langem mit Genies in der Schule auseinandergesetzt und allerlei Wissen zusammengetragen. In den Jahren 1976, 1987 und 1989 erschien – vermutlich in immer neuen Auflagen - der Band: „Genies in der Schule. Legende und Wahrheit über den Erfolg im Leben“, 1993 vermutlich unter dem Titel: „Genies in der Schule“. Wer sich also mit dem Thema bekannt machen will, kann auf Überlegungen des Autors zur Thematik aus früheren Jahren zurückgreifen und ein Bedürfnis nach Klatsch, oder wenigstens nach dem Erhalt weniger bekannter Informationen, befriedigen. Wenn auch der Band – aus der Perspektive von Erziehungswissenschaftlern – etwas unbefriedigend anmutet, kann ihm doch eine Botschaft entnommen werden: Lernen in der Schule scheint zumindest nicht schädlich für das Erzielen von Lebenserfolg zu sein.
EWR 6 (2007), Nr. 3 (Mai/Juni 2007)
Genies in der Schule
Legende und Wahrheit
Berlin: Lit 2007
(310 S.; ISBN 3-8258-0105-5; 19,90 EUR)
Hanna Kiper (Oldenburg)
Zur Zitierweise der Rezension:
Hanna Kiper: Rezension von: Prause, Gerhard: Genies in der Schule, Legende und Wahrheit. Berlin: Lit 2007. In: EWR 6 (2007), Nr. 3 (Veröffentlicht am 12.06.2007), URL: http://klinkhardt.de/ewr/82580105.html
Hanna Kiper: Rezension von: Prause, Gerhard: Genies in der Schule, Legende und Wahrheit. Berlin: Lit 2007. In: EWR 6 (2007), Nr. 3 (Veröffentlicht am 12.06.2007), URL: http://klinkhardt.de/ewr/82580105.html