Dies ist ein von vorne bis hinten irritierendes Buch. Schon das Thema "Hat Soziale Arbeit ein politisches Mandat" kommt so allgemein daher, dass man sich fragt, warum die Frage in dieser Form heute wieder gestellt wird. Zwar hat es im Frühjahr 2000 eine Tagung der Zeitschrift Sozial Extra gegeben, auf der R. Merten ein Referat zu dem Thema gehalten hat, das in dem Band in überarbeiteter Form noch einmal veröffentlicht wird (S. 89-100) und das offenbar eine ganze Reihe heftiger Reaktionen ausgelöst hat. Aber muss man deshalb gleich ein ganzes Buch daraus machen?
Irritierend ist dabei vor allem, dass der weit überwiegende Teil der Beiträge wieder einmal höchst abstrakt über soziale Arbeit und Politik räsoniert, so als ob der Frage des politischen Mandats sich auf dieser allgemeinen Ebene noch etwas Aufschlussreiches abgewinnen ließe. Dies ist leider nicht der Fall und führt dazu, dass gut die Hälfte der Beträge in bekannter Manier alte Positionen wiederholen (vgl. vor allem die Beiträge von Ch. Kusche und R. Krüger, V. Schneider, R. Sorg, T. Kunstreich, S. Müller). Das ist gut für Studierende, die auch gleich die Quellenangaben verstaubter Debatten und längst vergessener Texte mitgeliefert bekommen; ansonsten aber nicht sehr informativ. Und wem die Arbeiten der anderen Hälfte der Autorinnen und Autoren des Bandes nicht ganz fremd sind, wird feststellen, dass es sich bei den Beiträgen meist um Variationen bekannter Theoriepositionen handelt (z.B. H. Cremer-Schäfer, H. Sünker, A. Scherr, D. Kreft).
Gerade weil der weit überwiegende Teil der Beiträge sich eher allgemein auf Sozialarbeit und Politik bzw. Sozialstaat beziehen und – von wenigen Ausnahmen und zum Teil nur vagen Andeutungen abgesehen (vgl. z.B. L. Lauwers, A. Scherr, H. Cremer-Schäfer, R. Merten) – darauf verzichten, sich gegenwartsdiagnostisch auf konkretere Entwicklungen einzulassen, lassen einen die nicht selten appellierenden Untertöne der Texte immer wieder ratlos zurück. Die unversöhnliche Normativität der Positionen klärt nicht mehr auf, sondern behauptet, und man fragt sich unwillkürlich, was dabei für Forschung, Theorie oder Praxis gelernt werden kann.
Da helfen auch die Vorschläge zur Differenzierung der Debatte und die Kritik an Vereinfachungen von R. Merten (S. 158-178) bzw. die immerhin klärenden Überlegungen von A. Scherr ( S. 101-120) wenig, denn aufs Ganze gesehen erweist sich der Band zu weiten Teilen als ein Dokument der Irrungen und Wirrungen bei der Selbstbeschreibung des Feldes. Insofern ist das Thema aufschlussreich: An der Auseinandersetzung mit ihm wird sichtbar, dass das, was nicht nur in diesem Sammelband leichthin als Soziale Arbeit bezeichnet wird, offenbar bislang keinen identifizierbaren gemeinsamen fachlichen Kern besitzt. Hier wird keine Kontroverse dokumentiert, weil dies noch voraussetzen würde, dass es gemeinsame Bezugspunkte gibt. Hier wird exemplarisch die Zersplitterung des fachlichen Denkens belegt.
EWR 1 (2002), Nr. 3 (Juli 2002)
Hat Soziale Arbeit ein politisches Mandat?
Positionen zu einem strittigen Thema
Opladen: Leske und Budrich 2001
(182 Seiten; ISBN 3-8100-3162-3; 13,20 EUR)
Christian LĂĽders (MĂĽnchen)
Zur Zitierweise der Rezension:
Christian LĂĽders: Rezension von: Merten, Roland (Hg.): Hat Soziale Arbeit ein politisches Mandat?, Positionen zu einem strittigen Thema, Opladen: Leske und Budrich 2001. In: EWR 1 (2002), Nr. 3 (Veröffentlicht am 01.07.2002), URL: http://klinkhardt.de/ewr/81003162.html
Christian LĂĽders: Rezension von: Merten, Roland (Hg.): Hat Soziale Arbeit ein politisches Mandat?, Positionen zu einem strittigen Thema, Opladen: Leske und Budrich 2001. In: EWR 1 (2002), Nr. 3 (Veröffentlicht am 01.07.2002), URL: http://klinkhardt.de/ewr/81003162.html