
Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis zeigt, dass sich die Herausgeber viel vorgenommen haben und einen hinreichend vollständigen Überblick geben möchten. Auf über 600 Seiten werden 37 Einzelbeiträge zu sieben zentralen Kapiteln zusammengefasst. Die ersten beiden Kapitel beschäftigen sich mit Struktur, Entwicklung und Grundsatzfragen der Lehrerbildung. Vor allem in Kapitel 2 werden die inhaltlichen und methodologischen Themen der aktuellen Professionalisierungsforschung bearbeitet (Standardbasierte Evaluation, Verhältnis von Wissen und Handeln, Polyvalenz, ...). Die Kapitel 3 bis 7 variieren das Thema Lehrerbildung auf unterschiedlichen Dimensionen: Phasen und Orte der Lehrerbildung, Ausbildungsgänge, Komponenten der Lehrerbildung, berufliche Aufgaben und fächerübergreifende Inhalte der Lehrerbildung. Durch diese feine Gliederung werden zwar alle relevanten Gebiete breit abgedeckt, jedoch kommt es im Gegenzug zu Wiederholungen und Überschneidungen. Auf der anderen Seite bekommt ein wichtiges Thema wie z.B. die europäische Harmonisierung der Lehrerbildung keinen gesonderten Beitrag.
Kapitel 1 beginnt mit Beiträgen zu Struktur und Entwicklung der Lehrerbildung. Den Auftakt macht Uwe Sandfuchs mit einer kompakten und übersichtlichen Darstellung der Lehrerbildungsgeschichte in Deutschland. Beginnend mit den Impulsen der Aufklärung im 18. Jahrhundert werden die wichtigsten Meilensteine der Professionalisierung und Institutionalisierung (Gymnasiallehrerausbildung, Volksschullehrerausbildung, weitere Lehrämter und Lehrerinnenausbildung) chronologisch vollständig beschrieben und in die zeitgeschichtlichen Bezüge eingebettet. Der Beitrag schließt mit einer Zusammenfassung historischer Entwicklungslinien, die an ihren Endpunkten zu einer strukturellen Beschreibung des gegenwärtigen Standes der Lehrerbildung überleiten.
Mit der strukturellen Organisation und den damit verbundenen Problemstellungen beschäftigt sich der Beitrag von Ewald Terhart. Ausgehend von der einzigartigen deutschen Form der Lehrerbildung und den daraus resultierenden Folgeproblemen (Zersplitterung der Erstausbildung; wiederkehrende Forderungen nach Polyvalenz des Lehramtsstudiums; mangelnde Wirkungsforschung; Berufsbiografie und Belastungen) kommt Terhart zu einer Auflistung aktueller Entwicklungen und Reformimpulse, die er kritisch kommentiert: „Insofern ist durch diese Modellversuche und Reforminitiativen die etablierte Struktur der Lehrerbildung deutlich in Bewegung geraten. Vieles konzentriert sich noch auf die Erste und - schon deutlich geringer - auf die Zweite Phase. In den Bereichen der Fort- und Weiterbildung (...) sind demgegenüber deutlich weniger Initiativen anzutreffen" (53). Mögliche Konsequenzen und Optionen, die aus der Forderung nach einer europäischen Bildungslandschaft entstehen, werden angedeutet. Konkret diskutierte Konzepte oder bereits praktizierte Umsetzungsbeispiele des Bologna-Prozesses wären hier noch eine interessante Ergänzung.
Empirische Befunde zur Wirksamkeit der Lehrerbildung sondiert Sigrid Blömeke. Sie gibt in ihrem Beitrag zunächst einen kurzen Überblick zu theoretischen und methodologischen Problemen der empirischen Lehrerbildungsforschung. Dabei betont sie besonders den noch nicht schlüssig bewiesenen Zusammenhang zwischen Lehrerausbildung und Schülerleistungen. Dies betrifft auch die zentralen Ergebnisse der US-amerikanischen Wirksamkeitsstudien, die sie bezüglich ihrer problematischen bildungspolitischen Verflechtungen kritisch diskutiert. Ihr fast resignatives Zwischenfazit regt zum Nachdenken an: „Fokussiert man die Frage der Wirksamkeit von Lehrerbildung darauf, ob durch sie eine hohe Qualität von Lehrerhandeln erreicht wird (...) muss man feststellen, dass eine solche Frage auf der Basis der vorhandenen empirischen Befunde nicht beantwortet werden kann. Fraglich ist, ob das in dieser Form jemals möglich sein wird" (75). Blömeke bringt für die Zukunft deshalb drei ambitionierte und noch zu präzisierende Aufgabenfelder ins Spiel: Sammlung international einheitlicher Strukturdaten zur Aufdeckung zentraler struktureller Probleme, international vergleichende Untersuchung der Wirksamkeit von Lehrerbildung und Verknüpfung von empirischer Bildungsforschung, Bildungstheorie und -geschichte.
Dass in diesem ersten Kapitel die Entwicklungen und Strukturen der Lehrerbildung in der ehemaligen DDR beschrieben werden, trägt zur historischen Vollständigkeit dieses Handbuchs bei. Heidemarie Kemnitz sieht die Zeit gekommen, sich in distanzierter Gelassenheit mit dem DDR-Bildungssystem zu befassen und liefert durch ihren Beitrag zur Lehrerbildung in der DDR das nötige Sachwissen für eine historisch-kritische Bewertung und Einordnung, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund heutiger Reformdebatten.
Aufgrund ähnlicher struktureller und historischer Gegebenheiten werden in diesem Handbuch auch die Lehrerbildungssysteme in der Schweiz und in Österreich dargestellt. Friedrich Buchberger, Irina Buchberger und Heinz Wyss skizzieren Strukturen, Reformimpulse und eingeleitete Entwicklungen in den beiden Nachbarländern. Vor allem die Schweizer Reformbestrebungen regen zum Nachdenken an: Trotz kantonaler Eigenständigkeit und des traditionell stark zersplitterten Bildungswesens konnte das Alpenland Prozesse der zunehmenden Standardisierung und Niveausteigerung in der Lehrerbildung einleiten.
Sabine Larcher und Jürgen Oelkers vergleichen die deutsche Lehrerbildung mit neueren Entwicklungen in den USA, Großbritannien, den Niederlanden und Irland. Mit diesem Beitrag möchten die Autoren zwei zentralen Fragen nachgehen: Wo liegen die Potenziale und Schwerpunkte der anderen Lehrerbildungssysteme? Wie lassen sich diese Erfahrungen und Entwicklungen auf das deutsche System übertragen? Alle vier ausgewählten Länder haben in den zurückliegenden Dekaden beeindruckende und grundlegende Reformprozesse eingeläutet und zum großen Teil auch umgesetzt. Die Autoren unterscheiden dabei kritisch zwischen der Semantik einer Reform und der realen Umsetzung. Zu wenig thematisiert werden allerdings empirische Studien, die Reformeffekte im Lehrerbildungssystem der beschriebenen Länder auch nachweisen. Eine Antwort auf die zweite Frage ist nach Larcher und Oelkers nur bedingt möglich, weil Lehrerbildung immer ein stark national und kulturell abhängiges Unternehmen ist. Dennoch lassen sich zentrale Reformimpulse aus den internationalen Erfahrungen für das – aus Sicht der Autoren - stark traditionslastige und zu wenig flexible deutsche Lehrerbildungssystem ableiten. Sehr überzeugend wird hingegen die zukünftige Bedeutung einer lebenslangen Weiterbildung von Lehrkräften herausgearbeitet. Larcher und Oelkers ziehen die Schlussfolgerung, „die Ausbildung zu kürzen und die gewonnene Zeit sowie die eingesparten Mittel in die Fort- und Weiterbildung zu investieren" (144). Ein weiterer übertragbarer Reformimpuls wäre die stärkere Verkoppelung und Berufsfeldorientierung der beiden Erstausbildungphasen. Schwammig und schlagwortartig bleiben allerdings die Überlegungen zur einer verstärkten Qualitätskontrolle (Standards und Evaluation) und einer Managementorientierung der Lehrerbildung.
Das zweite Kapitel widmet sich Grundsatzfragen der Lehrerbildung und beginnt mit dem Thema Persönlichkeitsbildung von Lehrerinnen und Lehrern. Hier greift Fritz Bohnsack eine traditionelle Fragestellung auf, die in der heutigen Professionalisierungsdiskussion etwas zu kurz kommt. Er diskutiert Möglichkeiten der Persönlichkeitsbildung in der Lehrerbildung und innerhalb der anschließenden Berufstätigkeit und suggeriert damit deren Machbarkeit. Die heikle, jedoch stets virulente Frage, ob bereits bei der Aufnahme eines Lehramtsstudiums die für eine spätere Berufsausübung notwendigen Persönlichkeitsmerkmale diagnostiziert werden können und sollen, wird auf diese Weise elegant ausgeklammert.
Einen präzisen und systematischen Überblick zur Forschung in der Lehrerbildung geben Altrichter und Mayr in ihrem Beitrag. Sie liefern Begründungen für forschendes Lernen und liefern eine Typologie von Forschungsformen in der Lehrerbildung. Dabei betrachten die Autoren nicht nur die Forschung in den beiden ersten Phasen der Lehrerausbildung, sondern auch Forschungsmöglichkeiten in dem bisher stark vernachlässigten Feld der Lehrerweiterbildung. Konsequent wird in diesem Zusammenhang dann auch auf die defizitären Forschungsaktivitäten und -möglichkeiten von Lehrerbildnerinnen und Lehrerbildnern an Universitäten und Pädagogischen Akademien bzw. Seminaren hingewiesen.
Bereits ein Standard in der Lehrerbildungsdiskussion ist das Konzept einer standardbasierten Evaluation von Fritz Oser. In seinem Beitrag benennt er ein zentrales theoretisches Problem der Professionalisierungsforschung: Welches Wirkungsmodell wird gewählt? Und wie kann der Zusammenhang zwischen Theorie, Empirie, situativer Praxis und Expertise so modelliert werden, dass sich für alle an Lehrerbildung Beteiligten handlungsleitende Standards beschreiben lassen? Ausgehend von bisher implizit verwendeten, jedoch defizitären Wirkungsmodellen, beschreibt Oser das der Schweizer Lehrerbildungsstudie zugrunde liegende Professionsgenerierungsmodell. Abschließend folgen klare Hinweise für eine Weiterentwicklung des Konzepts einer standardbasierten Evaluation von Lehrerbildung. Dabei betont er immer wieder die Notwendigkeit der Verknüpfung von praktischen Beispielen und theoretischer Reflexion: „Guter Unterricht darf nicht zufällig guter Unterricht sein. Würde dieses Geschenk des Himmels einmal eintreten, müsste immer noch daraus gelernt werden, warum dieser gelungene Unterricht gut und ein Kompetenzprofil (Standard) erfolgreich ist" (203).
Kapitel drei orientiert sich an der horizontalen Gliederung des Professionalisierungsprozesses. Nacheinander werden die verschiedenen Ausbildungsphasen sowie die Möglichkeiten ihrer Verzahnung diskutiert. Sigrid Blömeke beleuchtet strukturelle Defizite der Erstausbildung von Lehrerinnen und Lehrern an Universitäten und führt diese vor allem auf historische Entwicklungen und aktuelle gesellschaftliche Funktionszuschreibungen zurück. Lehrerbildung leidet vor allem unter allgemeinen Desintegrationsprozessen einer Massenuniversität. Die institutionelle Eigenständigkeit der Erstausbildung an Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg wird von Blömeke zwar erwähnt, hätte in diesem Zusammenhang als Kontrastmodell eine vertiefte Erörterung verdient, denn gerade dort ist durch die institutionelle Konzentration auf Lehrerbildung eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Fachdidaktikern, Fachwissenschaftlern und Erziehungswissenschaftlern besser möglich.
Hartmut Lenhard und Peter Daschner stellen Strukturen, Konzepte und Problemfelder des Vorbereitungsdienstes bzw. der Lehrerfortbildung dar und leiten daraus jeweils zentrale Entwicklungsperspektiven ab. Höhepunkt und Abschluss dieses Teilkapitels ist die Frage der Verzahnung von drei institutionell und zum Teil auch konzeptionell deutlich getrennten Ausbildungsblöcken. Uwe Hericks geht hierzu auf die Erfahrungen mit bereits existierenden Zentren für Lehrerbildung als mögliche Orte und Organisationsformen für eine Verzahnung ein. Wie bereits in den vorangehenden Beiträgen erwähnt, kann auch Hericks zeigen, dass die Ausbalancierung und Verknüpfung von theoretischem Reflexionswissen und Praxiserfahrungen der zentrale inhaltliche Standard für eine sinnvolle interinstitutionelle Kooperation sein muss.
Auch in diesem Kapitel weisen die Autoren auf das grundlegende Problem der aktuellen Reformdiskussion hin: Es fehlt die empirische Evidenz, um Aussagen zu den einzelnen Phasen der Ausbildung sowie zu Modellprojekten der Verzahnung machen zu können.
Das vierte Kapitel ist nach Ausbildungsgängen für das Lehramtsstudium gegliedert. In den Beiträgen dieses Kapitels werden verstärkt die Auswirkungen des Bologna-Prozesses für die Weiterentwicklung der einzelnen Lehramtsstudiengänge reflektiert. Wolfgang Einsiedler beschreibt die zunehmende Professionalisierung der Grundschullehrerausbildung, die sich in vielen Bundesländern als eigenständiger und von den anderen Lehrämtern unabhängiger Ausbildungsgang etablieren konnte. Einsiedler betont vor allem die zunehmenden Forschungsaktivitäten im Bereich der Grundschulpädagogik als wichtiges Fundament für ein wissenschaftliches Grundschullehrerstudium. Sein Beitrag endet mit einer deutlichen Warnung davor, die Ausbildung für das Grundschullehramt im Zuge der Einführung von konsekutiven Studiengängen auf BA-Niveau herabzustufen.
Dieter Spanhel vergleicht in seinem Aufsatz zur Lehrerausbildung für Haupt- und Realschulen die föderale Vielfalt an Studiengangskombinationen, Regelungen und Inhalten in diesem Bereich. Über diese strukturelle Beschreibung hinaus bleibt die Analyse der konzeptionellen Ausgestaltung und Weiterentwicklung dieser Studiengänge eher oberflächlich. Auch die Skepsis gegenüber konsekutiven Studienstrukturen für die Haupt- und Realschullehrämter wird nur pauschal mit dem Argument einer Verschiebung mangelnder Berufsfeldorientierung begründet.
Ulrich Herrmann widmet sich den spezifischen Problemen der Gymnasiallehrerausbildung. Seine differenzierte und historisch fundierte Analyse des Spannungsfeldes zwischen Fachlichkeit der Ausbildung und pädagogischen Erfordernissen der Berufsausübung kulminiert in der Forderung nach verstärkter Orientierung des Gymnasiallehrerstudiums an fachdidaktischen und pädagogischen Standards. Realistisch ist seine Einschätzung, dass hier einzelne Studiengangreformen nur wenig bewirken können, solange der gesamte gymnasiale Bildungsbereich sich nicht dieser Entwicklungsaufgabe stellt.
Nach einer Darstellung der bundesdeutschen Strukturen und Herausforderungen ordnet Peter F.E. Sloane die hiesige Lehrerausbildung für das berufsbildende Schulwesen in die internationale Diskussion ein. Interessant ist die Dynamik der Entwicklungstendenzen und die konsequente Akademisierung und Professionalisierung in diesem Überschneidungsbereich zwischen Erziehungs- und Wirtschaftssystem: „Die Entwicklung beruflicher Arbeit löst aber den Gegensatz von Theorie und Praxis zusehends auf. (...) Daher ist es letztlich folgerichtig, wenn in allen betrachteten europäischen Ländern die Akademisierung aller Lehrerausbildungen für den berufsbildenden Bereich angestrebt wird, und zwar mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit des beruflichen Bildungssystems zu erhöhen" (366).
Von der allgemeinen Lehrerbildungsdebatte etwas in den Schatten gestellt, wird auch in der Sonderpädagogik über neue Modelle der Professionalisierung nachgedacht. Alexandra Obolenski beschreibt die aktuelle Kontroverse zwischen konsequenter Weiterentwicklung sonderpädagogischer Studiengänge und verstärkter Integration sonderpädagogischer Inhalte in alle Lehramtsstudiengänge. Der Umgang mit heterogenen Lerngruppen wird als eine Kompetenz beschrieben, die jeder Lehrer in seiner Ausbildung erwerben sollte. Obolenski geht zum Schluss ihres Beitrags auf verschiedene Möglichkeiten der Integration sonderpädagogischer Inhalte in die Lehramtsausbildung ein: Z.B. Gemeinsames Grundstudium für alle Lehrämter mit entsprechenden Pflichtmodulen zum Umgang mit heterogenen Lerngruppen.
Die einzelnen Komponenten der Lehrerbildung werden im 5. Kapitel systematisch durchforstet. Besonders eindrücklich sind die beiden ersten Beiträge von Michael Kämper-van den Boogaart und Gottfried Merzyn zur schon chronisch defizitären fachwissenschaftlichen Komponente der Lehrerbildung. Traditionelles Selbstverständnis und eine stetig fortschreitende Ausdifferenzierung der Wissenschaften sind ihrer Ansicht nach die Hauptursachen für eine geradezu hartnäckige Ignoranz der universitären Natur- bzw. Geisteswissenschaften gegenüber der Lehrerbildung. Bezeichnend ist auch die Tatsache, dass für die beiden Beiträge zur fachwissenschaftlichen Komponente der Lehrerbildung keine Fachwissenschaftler als Autoren gewonnen werden konnten.
Peter Reinhold leitet die Reihe zu fachdidaktischen Beiträgen mit allgemeinen Gedanken zur Stellung der Fachdidaktik innerhalb der Lehrerbildung ein. Er arbeitet die Bedeutung fachdidaktischer Studieninhalte als wichtiges Bindeglied zwischen Fachwissenschaft und Allgemeiner Didaktik bzw. Lernpsychologie heraus. Die zunehmende Orientierung der Fachdidaktiken an Forschung und international diskutierten Lehrerbildungsstandards sind weitere Indikatoren für die Bedeutung und Dynamik dieser Lehrerbildungskomponente. Dies belegen auch die nachfolgenden Kurzbeiträge zur Lehrerausbildung in den einzelnen Fachdidaktiken (von Biologiedidaktik bis Wirtschaftspädagogik). Weil alle möglichen Fachdidaktiken kurz zu Wort kommen, wirkt dieser Teil des Handbuchs allerdings enzyklopädisch und zersplittert.
Ein berufsfeldbezogenes Kerncurriculum für die erziehungswissenschaftlichen Studienanteile ist für Marianne Horstkemper der einzig denkbare Ausweg aus der viel beklagten Marginalisierung und Beliebigkeit. Darüber hinaus nennt sie weitere wesentliche Ziele einer Reform dieser Lehrerbildungskomponente: Neue Vermittlungsformen erziehungswissenschaftlichen Wissens und der Aufbau eines forschenden Habitus. Ein noch weitgehend ungelöstes Problem ist nach Horstkemper auch die sinnvolle Verzahnung erziehungswissenschaftlicher Studien mit fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Studieninhalten. Gerade durch die zahlreichen Überschneidungsbereiche können Studierende genuin erziehungswissenschaftliche Fragestellungen nicht mehr eindeutig lokalisieren.
Wilhelm Topsch listet systematisch die wesentlichen Gründe für Schulpraxis in der Lehrerbildung auf und versucht eine kurze historische Verankerung. In seinem Beitrag fehlt allerdings die Fokussierung auf die Frage nach der Effizienz der schulpraktischen Ausbildung sowie die Diskussion unterschiedlicher Modelle und Möglichkeiten für eine sinnvolle Verknüpfung von schulpraktischen und wissenschaftlichen Inhalten.
Kapitel 6 eröffnet eine weitere Dimension zur Strukturierung der Diskussion über Lehrerbildung: Die beruflichen Aufgaben von Lehrerinnen und Lehrern. Gerhard Tulodziecki greift die zentrale Lehreraufgabe „Lernprozesse anregen und unterstützen" auf und skizziert didaktische Traditionslinien, lehr-lerntheoretische Modelle und neuere konstruktivistische Ansätze zu dieser Thematik. Seine Schlussfolgerungen für die Lehrerbildung sind zwar äußerst knapp und skizzenhaft, deuten jedoch klar an, inwiefern bereits in der ersten Phase diese zentrale Lehreraufgabe angebahnt werden könnte. Auch Jörg Ziegenspeck referiert den aktuellen Erkenntnisstand zum Thema schulische Leistungsmessung und -bewertung. Erst im letzten Teil seines Beitrages werden Vorschläge zur Einbindung in ein Lehrerbildungscurriculum unterbreitet. Wichtig und gut ist sein expliziter Hinweis auf die schultheoretische und gesellschaftliche Dimension der Leistungsbeurteilung.
Die beiden letzten Beiträge dieses Kapitels beschäftigen sich mit den eher ‚neuen’ Lehreraufgaben. Beatrix Wildt gibt einen profunden Überblick zu Beratungsaufgaben im Lehramt und Sibylle Rahm und Nikolaus Schröck thematisieren das Aufgabenfeld Schulentwicklung. Vor allem im letzten Beitrag wird die Diskussion auf einem anspruchsvollen theoretischen Niveau geführt. Unter dem Stichwort ‚Lehrerbildung als Konstruktionsarbeit’ kommen mögliche Ausbildungsszenarien für diese neueren Aufgabenfelder zur Sprache.
Nachdem nun Ausbildungsstufen, Ausbildungskomponenten und professionsspezifischen Aufgabenstellungen eingehend durchleuchtet wurden, hätte auf das letzte Kapitel zu fächerübergreifenden Inhalten der Lehrerbildung gut verzichtet werden können. Hier wird unter einer anderen Perspektive im Wesentlichen wiederholt, allenfalls neu akzentuiert. Ludwig Huber fragt sich zu Beginn des Kapitels selbstkritisch, ob der sich etablierende Lehrerbildungskanon (Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Erziehungswissenschaft, Schulpraxis) noch um weitere fächerübergreifende Elemente angereichert werden muss. Nach der Herleitung und Auflistung möglicher fächerübergreifender Themen kommt er dann zu dem Ergebnis, dass diese in den herkömmlichen Studienelementen allesamt enthalten sein müssten, insofern diese herkömmlichen Studienelemente ausreichend komplex und problemzentriert angelegt sind. Seine methodischen Forderungen nach einer verstärkten Vernetzung decken sich dann folglich mit Vorschlägen vorausgehender Autoren. Die Beiträge in diesem siebten Kapitel verweisen somit noch einmal auf vordringliche und zentrale Inhalte der Lehrerausbildung, die in der ein oder anderen Form jedoch genuine Elemente der fachdidaktischen bzw. erziehungswissenschaftlichen Ausbildung sein sollten: Umgang mit Heterogenität, Förderung selbstgesteuerten Lernens, Medienpädagogische Kompetenz, Sozialpädagogische Kompetenz, Umwelterziehung und Bildung für nachhaltige Entwicklung.
Das Handbuch ist insgesamt benutzerfreundlich gestaltet. Jedes Kapitel beginnt mit einer Einleitung, in der die zentralen Fragestellungen aufgezeigt und die folgenden Einzelbeiträge knapp zusammengefasst werden. Die Einzelbeiträge sind durch ein Abstract, ihre ähnliche Struktur und die ungefähr gleiche Beitragslänge leserfreundlich gestaltet. Höchst leserunfreundlich sind allerdings die absatzlosen und klein gedruckten Literaturlisten am Ende der Beiträge.
Bezogen auf die eingangs zitierten Intentionen der Herausgeber kann folgendes Fazit gezogen werden: Das Handbuch Lehrerbildung ist eine gut strukturierte und oppulente Sammlung aktueller Beiträge zur Thematik. Es gibt einen Einblick in grundlegende Strukturen, historische Bedingungen sowie aktuelle und internationale Entwicklungstendenzen im Bereich der Lehrerprofessionalisierung. Die bisher fehlende empirische Orientierung in diesem Feld wird von den Herausgebern und auch in zahlreichen Einzelbeiträgen zu Recht angemahnt, eingefordert und durch das Aufzeigen von Forschungsperspektiven konstruktiv angegangen. Die etwas breite Darstellung der Fachdidaktiken zeigt, dass Lehrerbildung in diesem wichtigen Überschneidungsbereich ernst genommen wird. Ob das Handbuch eine Vorarbeit für eine Didaktik der Lehrerbildung ist, wird man noch sehen. Auf jeden Fall wird es die weitere Diskussion prägen und strukturieren.