In der Einleitung fasst der Autor die Hintergründe seiner Untersuchung wie folgt zusammen: Es gibt in der wissenschaftlichen Pädagogik keine empirische Fehlerforschung, keine historische Aufarbeitung der Fehlerthematik, keine profunde Theoriebildung, nicht einmal klar gefasste Begriffe, auf die man diesbezüglich bauen könnte (25). Infolgedessen beschreibt Martin Weingardt dann für sein Forschungsziel, der Entwicklung eines Neusatzes zu einer transdisziplinären Rahmendefinition und -theorie des Fehlers, erst einmal die pädagogische Geschichte über den Fehler. Er verdeutlicht dies am Schulunterricht und gibt Beispiele aus dem Sprach- und Mathematikunterricht. Dann folgt eine Darstellung des Fehlers in der Arbeitswelt. Der Exkurs über "Fehler und Irrtum in der Informationsgesellschaft" (209ff.) im vierten Kapitel beweist, wie notwendig die Entwicklung einer Verantwortungsethik in Hinblick auf Fehlereingeständnisse für die Gegenwart ist und Zukunft wird. Fehlerhaftes Nicht-Wissen als Entschuldigung hat seine Legitimation mit Auschwitz in Deutschland verloren, was für die Schule bzw. für alle pädagogischen Einrichtungen bedeutet, den Lernenden "generelle Zugriffs-, Auswahl-, Verarbeitungs- und Bewertungskompetenzen" in der Informationsgesellschaft zu vermitteln (vgl. 212).
Das HerzstĂĽck der Arbeit besteht jedoch aus den Kapiteln fĂĽnf und sechs. Hier fĂĽhrt der Autor seine These des Fehlerparadoxon vor:
In dynamisch-komplexen Strukturen lässt sich der Kardinalfehler, dass ein nachhaltig verfolgtes Interesse oder Leitziel verfehlt wird, am ehesten dann vermeiden, wenn Fehleroffenheit ermöglicht wird (254). Praktisch bedeutet dies für Schule und Arbeitswelt, dass das Zulassen dürfen von Fehlern größere und nachhaltige Fehler vermeiden kann, ohne fahrlässig und gleichgültig zu werden. Diese These bettet Martin Weingardt in drei Theoriesätze ein (vgl. 262ff.). Dabei geht es um Fehlertoleranz, Fehlernutzung und Fehlerneubeurteilung. Zusätzlich wichtig für das Verstehen der Theorie sind die Begriffe "Fehleroffenheit, Produktivität und Transdisziplinarität"; denn es zeigt sich, dass nur eine nicht-normative Positionierung Weiterentwicklung zulässt. Zudem muss für den konkreten Transfer eine inter- bzw. transdisziplinäre Ausrichtung erfolgen, um der dynamischen Komplexität des Lebens gerecht zu werden. Dabei unterstützt der Autor die These, wie bedeutsam der Dissens für eine echte pädagogische Wirkung ist.
Auch wenn insgesamt dieser Theorie empirische Überprüfung gut tun wird, überzeugt der Autor, wie bedeutsam "persönliches Fehlermanagement und eine flexibel-variierende Fehlerkompetenz" insbesondere für Schulabgänger in der Gegenwart ist. Zurzeit sind diese Menschen wenig vorbereitet für diskontinuierliche Situationen …, die etwa kommunikative, sondierende, kreative oder flexibel-selbstkritische Kompetenzen und mit diesen auch ein hohes Maß an Fehleroffenheit im dreifachen Sinne von Fehlertoleranz, -nutzung und reflexiver Fehlerneubeurteilung erfordern (304).
Schließlich erweisen sich folgende Informationen als hilfreich für das pädagogische Personal aller Bildungseinrichtungen, wenn es um Entwicklung und Wachstum in der Gegenwartsgesellschaft geht:
- Schulwissen verliert seine Verwertbarkeit innerhalb von zwanzig Jahren, Hochschulwissen innerhalb von zehn Jahren, im beruflichen Fachwissen in drei bis fĂĽnf Jahren und im EDV-Wissen in einem Jahr (vgl. 218).
- Reformen sind ohne Fehler unmöglich!
- Innovative Lehrkräfte erfahren aufgrund der kleinkrämerischen Haltung der Mehrheit Repressalien, was sich angesichts der globalen Herausforderungen keine Gesellschaft wirklich mehr erlauben darf.
Doch welche ‚Fehler’ könnten dem Autor vorgeworfen werden? Der Teufel steckt diesbezüglich wie immer im Detail: Auf der Seite 212 ist das Wort "zu" zu viel, was grundsätzlich auch für die Ausführlichkeit der metatheoretischen Grundlagendarstellung zutrifft. Der Autor verzichtet angeblich auf eine theoretische Einbettung, wobei er der eigenen Illusion erliegt, dass er selbst allgemein und ohne terminologische Ideologie denkt, was in der Tat nicht der Fall ist (vgl. 266). Doch wird die LeserInnenschaft durch diese Offenheit in ein endloses Wissenspotential eingeführt, was die Ergebnisse für das pädagogische Alltagsgeschäft nur bedingt anwendbar erscheinen lassen. Doch dieser Fehler ist mehr als verzeihlich. Die Entwicklung transdisziplinären Denkens ist erst im Prozess und das Buch hat trotzdem eine überzeugende Wirkungskraft!