Seit ca. einem Jahrzehnt stehen die Wohlfahrtsverbände und die Soziale Arbeit unter einem großem Veränderungsdruck, der mit gesamtgesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen und der Legitimationskrise des Sozialstaates zusammenhängt. In diesen Kontext ist das Modell der Neuen Steuerung, das sich vor allem auf die Reform der Sozialverwaltung bezieht, aber auch die Qualitäts- und Evaluationsdebatte in der Sozialen Arbeit einzuordnen. Beiden Ansätzen ist gemeinsam, daß sie von der Sozialen Arbeit überwiegend als von außen aufgezwungen erlebt werden.
Grunwald unterscheidet drei Strategien, wie die freie Wohlfahrtspflege mit den Herausforderungen durch das Neue Steuerungsmodell umgehen kann: Die erste besteht in einer nahezu kritiklosen Übernahme der Logik und Sprache der Ökonomie unter Aufgabe der Fachlichkeit; die zweite Strategie der sogenannten "traditionellen Modernisierer" besteht in einer Ablehnung wettbewerblicher Steuerungsprinzipien und die dritte Strategie besteht in einer "alternativen Modernisierung" der Sozialen Arbeit. Diese trage der Fachlichkeit der Sozialen Arbeit Rechnung, verschließe sich aber nicht gegenüber den Chancen und Potentialen, die dem Veränderungsprozeß innewohnen.
Der Autor selbst plädiert für den zuletzt aufgeführten Umgang mit den Herausforderungen und entwickelt einen eigenen Ansatz für die Neugestaltung der freien Wohlfahrtspflege. In einem ersten Schritt modelliert er Wohlfahrtsverbände als Non-Profit-Organisationen des Dritten Sektors und arbeitet deren Zwischenstellung zwischen den gesellschaftlichen Subsystemen heraus, woraus sich ein mehrdimensionaleres Zielsystem ergebe als für Profit-Organisationen. Soziale Arbeit wird von Grunwald unter zwei theoretischen Perspektiven beschrieben, zum einen als Lebensweltorientierte Soziale Arbeit (Thiersch) und zum anderen als Soziale Dienstleistung (Flösser/Otto). Diese beiden Perspektiven versucht er zusammenzuführen, in dem er von "lebensweltorientierter Dienstleistung" spricht, die radikal an den Interessen der BürgerInnen bzw. an der Lebenswelt orientiert sei. Als Konsequenz aus dieser Konzeptualisierung von Sozialer Arbeit ergebe sich für die in der Sozialen Arbeit tätigen Professionellen "die Anforderung, die im Zuge der Ökonomisierung gegebenen Zwänge zur Überprüfung der Effizienz auch zur ‚Politisierung ihrer sozialen Folgen’ nutzen zu können." (S. 212)
Das heißt, daß das politische Mandat der Sozialen Arbeit eben nicht Effizienzkritieren geopfert werden muß, sondern daß die Wohlfahrtsverbände und deren Management sowohl die ökonomischen und managementbezogenen Fragen ernst nehmen, aber die Dienstleistungsfunktion nicht gegenüber der Charakterisierung als Weltanschauungsverbände, als lokale Vereine und politisch agierende Organisationen in den Vordergrund gestellt wird.
Um dies erreichen zu können, schlägt Grunwald vor, daß sich die Wohlfahrtsverbände über eine zu implementierende Organisationsentwicklung in lernende Organisationen wandeln, wozu es eines entwicklungsorientierten Managements bedarf. Hier wird die Notwendigkeit offensichtlich, sowohl das Konzept der Organisationsentwicklung als auch der Lernenden Organisation auf den Bereich der Sozialen Arbeit zuzuschneiden und theoretisch weiterzuentwickeln. Das Verdienst des Buches von Grunwald besteht zweifellos in einer sehr sorgfältigen, differenzierten und strukturierten Darstellung der aktuellen Diskussion und des Forschungsstandes, was es für Studienanfänger und Einsteiger in die Diskussion als sehr geeignet erscheinen läßt. Aber es sind Fragen offen geblieben, wie die Diskussionsstränge der verschiedenen Disziplinen tatsächlich miteinander zu verknüpfen sind und wie die betriebswirtschaftlichen und organisationswissenschaftlichen Konzepte für den Sozialbereich zu modifizieren wären, um den vorgestellten Ansatz der "lebensweltorientierten Dienstleistung" realisieren zu können.
EWR 1 (2002), Nr. 3 (Juli 2002)
Neugestaltung der freien Wohlfahrtspflege
Management organisationalen Wandels und die Ziele der Sozialen Arbeit
Weinheim und München: Juventa Verlag 2001
(255 Seiten; ISBN 3-7799-1214-7; 20,50 EUR)
Magdalena Joos (Trier)
Zur Zitierweise der Rezension:
Magdalena Joos: Rezension von: Grunwald, Klaus: Neugestaltung der freien Wohlfahrtspflege, Management organisationalen Wandels und die Ziele der Sozialen Arbeit, Weinheim und München: Juventa Verlag 2001. In: EWR 1 (2002), Nr. 3 (Veröffentlicht am 01.07.2002), URL: http://klinkhardt.de/ewr/77991214.html
Magdalena Joos: Rezension von: Grunwald, Klaus: Neugestaltung der freien Wohlfahrtspflege, Management organisationalen Wandels und die Ziele der Sozialen Arbeit, Weinheim und München: Juventa Verlag 2001. In: EWR 1 (2002), Nr. 3 (Veröffentlicht am 01.07.2002), URL: http://klinkhardt.de/ewr/77991214.html