EWR 4 (2005), Nr. 5 (September/Oktober 2005)

Hermann J. Froneck / Daniel Wrana
Ein parzelliertes Feld
Eine EinfĂĽhrung in die Erwachsenenbildung
Bielefeld: W. Bertelsmann 2005
(234 S.; ISBN 3-7639-3165-1; 19,90 EUR)
Ein parzelliertes Feld Eine Einführung in die Erwachsenenbildung – hinsichtlich der vielen Veröffentlichungen zu diesem Thema innerhalb der letzten Jahre [1] stellt sich unvermeidlich die Frage nach dem Erkenntnisgewinn einer weiteren Abhandlung. Setzen sich doch die Bücher meist in ähnlicher Weise mit der Historie, der Theorie, der Forschung und den Studienbedingungen, etc. der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung auseinander. Gleichwohl weckt bereits der Titel „Ein parzelliertes Feld: Eine Einführung in die Erwachsenenbildung“ Erwartungen, dass das Feld der Erwachsenenbildung einer differenzierteren Betrachtungsweise unterzogen wird. Der Anspruch der Autoren ist es dementsprechend nicht eine „Einführung im Sinne einer Auflistung von phänomenalen Daten, sondern eine Analyse, mit deren Hilfe man in die Strukturen des Feldes eingeführt wird“ vorzulegen (5). Insbesondere durch die Bezugnahme auf verschiedene soziologische Theorien soll eine differenzierende Perspektive für das Feld der Erwachsenenbildung entwickelt werden, die tiefliegende Strukturen freilegt und begreifbar machen soll (5).

Der vorliegende Band schließt in seiner Konzeption an die erste Publikation dieser Reihe „Ein verschlungenes Feld: Eine Einführung in die Erziehungswissenschaft“ [2] an. Beide entstanden im Kontext von Einführungsveranstaltungen und -seminarien im erziehungswissenschaftlichen Studiengang an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Betrachtet man den Aufbau des Textes, so unterscheidet sich dieser durchaus von anderen Einführungen. Das erste Kapitel geht auf die Struktur der Disziplin der Erziehungswissenschaft ein. Dargestellt wird die heterogene Diskussion um die Struktur der Disziplin bzw. der Diskurs um die (fehlende) Einheit der Pädagogik und ihrer disziplinären Identität. Daran anschließend wird die Ausdifferenzierung der Erziehungswissenschaft beschrieben, die jedoch aufgrund der Komplexität keinen Anspruch auf eine Gesamtdarstellung erhebt. Vielmehr gilt es aufzuzeigen, durch welche Prozesse sich die Disziplin der Erwachsenenbildung/Weiterbildung herausgebildet hat und dass diese nicht einfach ein Teil der Erziehungswissenschaft ist, sondern vielschichtige Verbindungen für diese Beziehung kennzeichnend sind. Resümierend schlagen die Autoren vor, „die Struktur der Disziplin als Momentaufnahme in einem fortgesetzten Kampf um das Feld und die Parzellen des Feldes zu verstehen“ (58).

Unter der Voraussetzung, dass in der Erziehungswissenschaft ein Blick auf das Ganze obsolet geworden ist (59), folgt im zweiten Teil des Bandes eine theoretische Perspektive auf die Ausdifferenzierung selbiger. Um die Genese der Disziplin aufzuzeigen wird auf vier Referenztheorien aus der Soziologie Bezug genommen, die sich mit gesellschaftlichen Differenzierungsprozessen auseinandersetzen. In kompakter Form werden die Differenzierung der Sozialsysteme nach Parsons (2.1), die Theorie der autopoietischen Subsysteme nach Luhmann (2.2), die Theorie der sozialen Felder nach Bourdieu (2.3) und die Governementalitätstheorie nach Foucault (2.4) dargestellt. Durch diese gesonderte theoretische Bezugnahme wird eine komplexe und eindrucksvolle Analyse der Ausdifferenzierung der Erziehungswissenschaft und der Disziplin und der Profession der Weiterbildung im Besonderen entwickelt. Ferner werden Rückschlüsse auf die aktuellen Konstellationen im Feld der Erwachsenenbildung gezogen.

Basierend auf dem Feldbegriff von Bourdieu und auf den Studien zur Gouverenmentalität von Foucault wird in den beiden folgenden Kapiteln der Publikation die Anordnung des Feldes analysiert. So wird im dritten Kapitel das Feld der Weiterbildungswissenschaften in seiner „doppelten Referenz zum Feld der Weiterbildung und zu anderen wissenschaftlichen Feldern“ (213) als ein Raum differenter Positionen bestimmt. Diese Territorialisierung (11), wie Forneck/Wrana ihr Vorgehen auch bezeichnen, wird exemplarisch an vier Wissenschaftlern bzw. an deren thematischen Arbeiten festgemacht: Der Lehr-Lernkurzschluss (Rolf Arnold; 3.1), Anwaltschaft für die Profession (Wiltrud Gieseke; 3.2), Beobachtungen von Aneignungen (Jochen Kade; 3.3) und das Milieu (Rudolf Tippelt; 3.4).

Der daraus entwickelte Raum der Positionen (3.5) entfaltet sich demnach auf drei Achsen, die sich zwischen a) ‚Neutraler’ Beobachtung vs. Normativem Standpunkt, b) Evaluative Empirie vs. Theoriebildende Empirie und c) Empirisch arbeitend vs. Nicht empirisch arbeitend bewegen. Nach Auffassung der Autoren werden mit den Positionierungen in diesem Raum, die durch empirische, theoretische und praktische Arbeit implizit erfolgen, bestimmte Entscheidungen getroffen, so etwa die Relation der Disziplin zum Handlungsfeld, die Rolle empirischer Forschung und disziplinärer Theoriebildung, die Gestaltungsoptionen der Weiterbildungspraxis und die Normativität der Disziplin betreffend (213).

In der Folge gehen Forneck/Wrana, im vierten Kapitel, das den Titel „Die Transformationen des Feldes der Weiterbildung“ trägt, unter Berücksichtigung einer feldtheoretischen und gouvernementalitätstheoretischen Perspektive, der Frage nach was passiert, wenn das Territorium der Erwachsenenbildung in den Einflussbereich anderer Felder gerät. So hat das Feld bspw. Anteil an der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung und ist durch eine neoliberale Modernisierung gekennzeichnet (11). Betrachtet werden dazu Organisationen, Verbände und Institutionen der Weiterbildung, die tätigen Personen aus der Profession und aus der Wissenschaft der Weiterbildung, sowie die staatlichen Akteure der Bildungspolitik. Thematisch wird dies insbesondere anhand der Diskurse über das selbstgesteuerte Lernen, über die etablierten Praktiken der Qualitätssicherung und über die Bemühungen zur Modularisierung der Weiterbildung hervorgehoben.

Im abschließenden Abschnitt „Verschlungene Parzellen“ (Kapitel 5) resümieren die Autoren über die vorangegangenen Kapitel und die damit verbunden Ziele der Darstellung. Anliegen und Ziel war es insbesondere aufzuzeigen, dass die Parzellen des Feldes der Weiterbildung keine isolierten Territorien sind, sondern ein in vielfältigen Abhängigkeiten stehendes und damit zugleich verschlungenes Feld sind.

Das „Parzellierte Feld“ von Forneck/Wrana erhebt an eine Einführung in die Erwachsenenbildung andere Erwartungen an die Aufarbeitung der Thematik und ist deswegen nur schwerlich mit anderen Büchern zu vergleichen, auch wenn thematische Überschneidungen gegeben sind. Dennoch lässt sich fragen, ob die Ansprüche an eine Einführung erfüllt werden. Es wird zwar nicht explizit im Buch erwähnt, aber dennoch kann man wohl davon ausgehen, dass eine Publikation die sich mit der Einführung in ein Themenfeld befasst, sich an Studierende am Anfang ihres Studiums richtet.

Der Band überzeugt durch eine interessante und innovative Herangehensweise an das Feld der Erwachsenenbildung, die zusätzliche Perspektiven eröffnet.
Inhaltlich wird aufgezeigt wie sich das Feld der Erwachsenenbildung/Weiterbildung entwickelt hat, welche Positionen sich im Feld befinden, welchen Einflüssen es unterliegt und in welchen anderen Feldern es sich bewegt. Der Leser wird zudem häufig auf Autoren und Wissenschaftler und deren Arbeiten aufmerksam gemacht, was eine Erschließung des Feldes sinnvoll ergänzt. Leider sind jedoch nicht alle im Literaturverzeichnis enthalten.

Allerdings setzen sich die Autoren bspw. im ersten Kapitel auch sehr intensiv mit der Erziehungswissenschaft an sich auseinander, was um die Ausdifferenzierung der Erwachsenenbildung darzustellen auch notwenig ist. Jedoch entsteht hin und wieder der Eindruck, dass der eigentliche Gegenstand, die Weiterbildung etwas zu kurz kommt. Das zweite Kapitel arbeitet zudem in sehr kompakter und komplexer Form vier bedeutende soziologische Theorien zur Differenzierung der Gesellschaft auf. Diese Fülle an eher abstrakten Theorien und deren Bezugnahme auf die Erwachsenenbildung stellt hohe Ansprüche an die Leser. Darauf weisen Forneck/Wrana auch ausdrücklich in ihrem Vorwort hin (5). Auch überlassen die Autoren dem Leser die Entscheidung, ob er sich in das zweite Kapitel einarbeiten möchte oder nicht (61). Dies lässt jedoch Zweifel entstehen, ob sich das Buch für Studienanfänger eignet.

Der Band ist leserfreundlich geschrieben und gestaltet. Am äußeren Rand ist Platz für Notizen und die (wenigen) Grafiken sind übersichtlich gestaltet. Etwas ungewöhnlich wirkt jedoch die Verwendung der Wir-Form durch die Autoren. Leider fehlt ein Personenregister, das die Einordnung der erwähnten Wissenschaftler erleichtert hätte.


[1] Verwiesen sei hier bspw. auf: Wittpoth, J. (2003): EinfĂĽhrung in die Erwachsenenbildung. Opladen; Weisser, J. (2002): EinfĂĽhrung in die Weiterbildung. Weinheim; Arnold, R. (2001): Erwachsenenbildung: Eine EinfĂĽhrung in Grundlagen. Probleme und Perspektiven. Baltmannsweiler; Kade, J. et al. (1999): EinfĂĽhrung in die Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Stuttgart.
[2] Forneck, H. J./Wrana, D. (2003): Ein verschlungenes Feld: Eine EinfĂĽhrung in die Erziehungswissenschaft. Bielefeld.




Stefanie Stolz (ZĂĽrich)
Zur Zitierweise der Rezension:
Stefanie Stolz: Rezension von: Froneck, Hermann J. / Wrana, Daniel: Eine EinfĂĽhrung in die Erwachsenenbildung, Bielefeld: W. BErtelsmann 2005. In: EWR 4 (2005), Nr. 5 (Veröffentlicht am 04.10.2005), URL: http://klinkhardt.de/ewr/76393165.html