Theoretische Reflexionen unternimmt Siebert in drei Schritten:
- Den Methodendarstellungen vorgelagert fĂĽhrt er ein in den Begriff der Methodenkompetenz und dessen Einbindung
- in die verschiedenen Dimensionen pädagogischer Kompetenz und
- in den Kontext von Theorien des Lernens und Unterrichtens.
- Die im Anschluss folgende umfassende Methodendarstellung im Zentrum des Buches beinhaltet fĂĽr jede Methode eine Skizze deren theoretischer BezĂĽge.
- AbschlieĂźend reflektiert er ausgehend von komprimierten Hinweisen auf neurowissenschaftliche Erkenntnisse ĂĽber das Lernen Erwachsener grundlegende konstruktivistische Prinzipien des Lernens.
Hier bleibt der Autor dem Tenor des Buches entsprechend sehr anwendungsorientiert und anschaulich. Damit werden allerdings kritische Reflexionen z. B. der von ihm vorgeschlagenen Aspekte personaler Kompetenz ausgeklammert. Diese sollten allerdings insbesondere vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Professionalisierungsdebatte geführt werden, um eben nicht
- im Interesse eines vordergründigen Praxisvollzug die theoriegeleitete Reflexion des pädagogischen Handelns aus dem Blick zu verlieren und damit
- dem erziehungswissenschaftlichen Professionalisierungsanspruch durch verkürzte Begründungszusammenhänge entgegen zu stehen.
Im zentralen 2. Kapitel des Buches werden eine Vielzahl von Methoden der erwachsenenbildnerischen Bildungsarbeit (gegliedert nach zuvor aufgezeigten Handlungsfeldern der Kursleitung) vorgestellt. Diese Präsentationen erfolgen äußerst klar strukturiert und in Relation zu deren Kürze bemerkenswert umfassend. Hier liegt der wesentliche Gewinn dieses Buches als Nachschlagewerk gegenwärtig relevanter Lernverfahren ebenso wie als Quelle methodischer (und sicher auch inspirierender) Hinweise für die erwachsenenpädagogische Bildungsarbeit.
Siebert hat für diese Darstellung eine top-down-Struktur gewählt, indem er sich
- zunächst mit den Organisationsformen beschäftigt, die das gesamte Lehr-Lerngeschehen eines Kurses umfassen (z. B. Zukunftswerkstatt) und
- sich mit verschiedenen Lernkulturen (z. B. Erlebnispädagogik) befasst. Im Anschluss erfolgen
- Aspekte der Feinplanung (z. B. Lernzielformulierung und Zeiten),
- Gestaltung von Anfangssituationen (z. B. Verfahren wie ‚Advanced Organizers’ oder ‚Cocktail Party’),
- Methoden zur Integration biographischer Zugänge in die Kursgestaltung (z. B. das Themenzentrierte Interview),
- Methoden zur Kleingruppenarbeit (z. B. Fishbowl und Tandem),
- die Wissensaneignung fördernde Methoden (z. B. Exemplarisches Lernen oder Team Teaching),
- Methoden zur Visualisierung (z. B. Collagenerstellung und Mind map) und
- Lerntechniken (z. B. Impulse und Metakognition).
- Abschließend werden analog zur zeitlichen Achse von Kursverläufen Verfahren der Evaluation (z. B. Feedback und Reflecting Team) dargestellt.
Sehr übersichtlich ist die in allen Methodenpräsentationen wiederkehrende Systematik. Einer allgemeinen Einführung in die Methodenbeschreibung, ihrem theoretischen und teilweise auch historischen Kontext folgen meist Hinweise zur Umsetzung, die durchgängig aus der Perspektive der jeweiligen Methode dargelegt werden. Von besonderer Prägnanz sind dabei die in etwa der Hälfte aller Methodendarstellungen aufgezeigten Forschungsergebnisse z. B. aus der Neurowissenschaft (hier insbesondere nach Roth 2001 und Spitzer 2000, 2003), der Kognitionswissenschaft (z.B. Kaiser 2003) oder der Sozialisationsforschung (z. B. Reich/Tippelt 2004), die zugleich als vertiefende Literaturhinweise angesehen werden können.
Des Weiteren werden im Anschluss an die einzelnen Methoden überwiegend Literaturhinweise explizit aufgeführt, die dem interessierten Leser eine weitergehende Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglichen. Es finden sich teilweise differenziert in die einzelnen Verfahren einführende Hinweise (z. B. in Kapitel 2.1.4 zur Projektmethode oder in Kapitel 2.1.6 zu Schreibwerkstätten). Parallel dazu werden aber auch Empfehlungen gegeben, deren Focus auf der theoretischen Grundlegung der dargestellten Methode liegt und/ oder mit denen einzelne Aspekte besonders herausgehoben werden (z. B. in Kapitel 2.1.3 zur Methode des Planspiels) oder historische Entwicklungen und Berührungspunkte aufgezeigt werden (z. B. in Kapitel 2.1.1 zur Aufsuchenden Bildungsarbeit).
An einigen Stellen fehlen Literaturhinweise ganz. Dabei bleibt unklar, ob keine Literatur vorliegt oder ob der Autor andere Gründe für die Nichtberücksichtigung hat (wie dies sicher im Hinblick auf das aktive Zuhören in Kapitel 2.9.1 der Fall ist). Wünschenswert wäre es gewesen, den Bezug der jeweiligen Literaturhinweise zu dem Thema bzw. der dargestellten Methode darzulegen, die Hinweise gegebenenfalls zu kategorisieren und (sofern möglich) Ausschließungen zu begründen.
Im abschließenden dritten Kapitel des Buches zeigt Siebert auf Basis einer nicht mehr defizitorientierten "Vermittlungsdidaktik", sondern auf Basis einer durch Neurowissenschaften und Konstruktivismus entfalteten "Ermöglichungsdidaktik" 11 Prinzipien des Lehrens auf. Hier gelingt es Siebert erneut, eine Brücke zu schlagen zwischen theoretischem Fachwissen und Anwendungsbezug ebenso wie zwischen abstraktionsveranlassender Vielfalt und konkretem Bezug. Alle Prinzipien werden unter Bezug auf wesentliche Theorien bzw. jüngste Forschungen theoretisch hergeleitet und begründet. Dies geschieht durchgängig in einer praxisorientierten Sprache und mit konkretisierenden Hinweisen.
Leider schließt Siebert relativ unvermittelt nach der Präsentation aller Lehr-Prinzipien. Eine zusammenfassende Reflexion wesentlicher innerhalb des Buches dargelegter Bestimmungsstücke praxisorientierter Aspekte der Kursgestaltung hätte das strukturierende Anliegen des Werkes sicher unterstrichen.
Insgesamt legt Siebert hier einen Methodenband vor, der sich durch ein hohes Maß an Übersichtlichkeit in der Näherung an das inzwischen höchst komplexe Feld praktischer Interaktionsgestaltungsverfahren auszeichnet. Dabei gelingt es dem Autor, die einzelnen Methoden nicht fragmentarisch zu skizzieren, sondern in ihren jeweiligen Kontext zu stellen und theoretische Verortungen aus vorwiegend konstruktivistischer Sicht anzudenken.
Um diese theoretischen Reflexionen zu verdichten bedarf es allerdings einer weitergehenden Auseinandersetzung mit erwachsenenbildnerischen Lehr-Lern-Verfahren in ihren jeweiligen Kontexten, wie sie z.B. von dem Autor selbst in verschiedenen graduellen Abstufungen theoretischer Komplexität im Verhältnis zu praktischer Umsetzung geboten werden. Damit kann der vorliegende Band als ein methodenorientierter Focus im Kanon eines umfassend angelegten Entwurfes zur Gestaltung von Erwachsenenbildungsprozessen begriffen werden, der z.B. eine theoretische Grundlegung in ‚Der Konstruktivismus als pädagogische Weltanschauung’ (H. Siebert 2002) und in ‚Konstruktivistische Erwachsenenbildung’ (R. Arnold/H. Siebert 2003) sowie eine mehrstufige Verschränkung von Theorie und Praxis in ‚Didaktisches Handeln in der Erwachsenenbildung’ (H. Siebert 20034) umspannt.