Mit den wirksam im Titel platzierten Begriffen Qualität, E-Learning und Lernersicht schließt die vorliegende Arbeit gleich an drei aktuelle Diskussionen an. Dabei handelt es sich nicht um einen Etikettenschwindel: Der interessierte Leser wird im ersten Teil fundiert und differenziert über den aktuellen Stand der E-Learning- und Qualitätsdebatte sowie der Qualitätsforschung im E-Learning informiert und erhält Auskunft über die Entscheidung des Autors, von der Lernersicht auszugehen. Lerner werden als aktive Produzenten des eigenen Lernerfolgs und nicht als passive Rezipienten eines Lernangebots gesehen. Ehlers knüpft hier an den subjektwissenschaftliche Lerntheorie von Klaus Holzkamp an, die er mit dem sozialökologischen Ansatz und dem Uses-and-Gratification-Approach verbindet.
Diesem theoretischen Zugriff entspricht die Vorgehensweise der im zweiten und dritten Teil dargestellten eigenen Studie des Autors, in der die Triangulation als methodologisches Leitkonzept rangiert. Wenn nicht schon bei der Reverenz an die sozialökologischen Ansatz, so wird spätestens hier der Kontext deutlich, in dem diese Bielefelder Dissertation entstanden ist.
Ziel der äußerst sorgfältig angelegten und durchgeführten Untersuchung war die Ermittlung eines Modells subjektiver Qualität beim E-Learning. Als erster Schritt wurde ein sieben Dimensionen umfassendes, strukturiertes Inventar subjektiver Qualität auf der Basis einer qualitativen, d.h. inhaltsanalytischen Exploration entwickelt. Es enthält die Dimensionen tutorielle Betreuung, Kollaboration, Technologie, Kosten-Erwartungen-Nutzen, Informationstransparenz bei Angebot/Anbieter, Kursverlauf/Präsenzveranstaltungen und Didaktik. Wesentlich ist, dass das Modell nicht in seiner Gesamtheit als ideales Lernarrangement begriffen wird, sondern als Set von Dimensionen, die für die Qualität aus Lernersicht eine Rolle spielen, ohne dass etwas über die Ausprägung der Qualität oder über die Rangfolge bzw. Auswahl der Dimensionen für einzelne Lerner bzw. Lernergruppen präjudiziert wird. Zu den sieben Feldern subjektiver Qualität hat der Autor ein Fragebogeninstrument konstruiert, das – themenentsprechend – als Onlinebefragung eingesetzt wurde, auf die mehr als 1000 Lerner bzw. Nutzer von E-Learning-Angeboten in der beruflichen Weiterbildung auswertungsrelevant reagierten.
Im folgenden Schritt wurde das Modell an die Gruppe der Befragten mit dem Ziel herangetragen, prototypische Qualitätsprofile herauszufinden. Bei dieser Aggregation der Daten auf der Ebene der Untersuchungspersonen wurden unterschiedliche Verfahren der Clusteranalyse verwendet. Der methodologisch interessiert Leser kann in allen Teilschritten nachvollziehbar die Entwicklung der Lernertypologie verfolgen, die aus den Clustern der inhaltsorientierten Individualisten, der eigenständigen Ergebnisorientierten, der bedarfsorientierten Pragmatiker und der mit 30,1% der Stichprobe größten Gruppe der interaktionsorientierten Avantgardisten gebildet wird.
Der besondere Wert der Arbeit liegt zweifellos im methodologischen Bereich und damit im Nachweis der empirischen Evidenz subjekttheoretischer Konzepte bzw. der Möglichkeit subjektorientierter Analyse von großen Datenmengen. Kritiker an technik- und anbieterorientierten universalistischen E-Learning-Konzepten bekommen damit auch empirische Argumente zur Verfügung gestellt. Das Anwendungsfeld der (beruflichen) Weiterbildung wird vom Autor nur kurz gestreift, mögliche Anknüpfungspunkte (etwa die Verwendung der subjektwissenschaftlichen Lerntheorie von Klaus Holzkamp durch Autoren der Erwachsenen-/Weiterbildung) bleiben unerwähnt, und das Problem der Akzeptanz computergestützter Lehr-Lernarrangements spielt allenfalls in der knappen Ergebnisdiskussion am Ende eine Rolle. Immerhin gibt der Autor dort zu, dass die Befunde vor allem auf die Lerner zutreffen, „die sich bereits dadurch als lernkompetent erweisen, dass sie E-Learning als eine Form des selbstgesteuerten Lernens für ihre Weiterbildung gewählt haben“ (322f.).
Wichtiger scheint für den Autor die von ihm eröffnete Möglichkeit der praktischen Relevanz und Umsetzbarkeit, d.h. die Einbettung der von ihm sorgfältig und in allen Phasen nachvollziehbar entwickelten Dimensionen in bestehende Qualitätssicherungs-, Qualitätsentwicklungs- und Qualitätsmanagementansätze. Die anfangs zitierte Frage „Was macht E-Learning erfolgreich?“ wird also durchaus beantwortet: nicht in dem (technologischen) Sinne, den sich die (meisten) Frager erhoffen dürften, allerdings ohne Eingehen auf mögliche prinzipielle Infragestellungen - dafür aber unter Berücksichtigung einer nachdrücklich vertretenen und empirisch differenziert erfassten Lernerperspektive.
EWR 4 (2005), Nr. 5 (September/Oktober 2005)
Qualität im E-Learning aus Lernersicht
Grundlagen, Empirie und Modellkonzeption subjektiver Qualität
Wiesbaden: VS Verlag fĂĽr Sozialwissenschaften 2004
(376 S.; ISBN 3-5311-4235-6; 32,90 EUR)
Sigrid Nolda (Dortmund)
Zur Zitierweise der Rezension:
Sigrid Nolda: Rezension von: Ehlers, Ulf-Daniel: Qualität im E-Learning aus Lernersicht, Grundlagen, Empirie und Modellkonzeption subjektiver Qualität, Wiesbaden: VS Verlag fĂĽr Sozialwissenschaften 2004. In: EWR 4 (2005), Nr. 5 (Veröffentlicht am 04.10.2005), URL: http://klinkhardt.de/ewr/53114235.html
Sigrid Nolda: Rezension von: Ehlers, Ulf-Daniel: Qualität im E-Learning aus Lernersicht, Grundlagen, Empirie und Modellkonzeption subjektiver Qualität, Wiesbaden: VS Verlag fĂĽr Sozialwissenschaften 2004. In: EWR 4 (2005), Nr. 5 (Veröffentlicht am 04.10.2005), URL: http://klinkhardt.de/ewr/53114235.html