Unter dem Titel "Medienpädagogik" hat Bernward Hoffmann eine überarbeitete, aktualisierte und erweiterte Fassung des bereits 2000 bei Waxmann erschienenen Buches "Kommunikation und Medien. Einführung und Praxis aus (sozial-)pädagogischer Perspektive" vorgelegt. Beide Bände entstanden als Ergebnis einer Einführungsveranstaltung an der Fachhochschule Münster und sind als Studienbücher konzipiert. Gleich vorab sei angemerkt, dass der erste Titel die Inhalte und Anliegen auch der hier zu besprechenden Veröffentlichung besser trifft als der neue, zumal Grundstruktur und Kernkapitel übernommen wurden und die Adressaten des Buches hauptsächlich wohl auch die gleichen sein dürften.
Die Publikation gliedert sich in vier Teile, medien- und kommunikationstheoretische Grundlagen (Kapitel 1-3), Medienforschung und -analyse (Kapitel 4-6), Medienerziehung (Kapitel 7-9) und Mediendidaktik (Kapitel 10-12).
Das einführende Kapitel beschäftigt sich mit dem Medienbegriff und dem Zusammenhang zwischen Medium, Medien und Pädagogik. Der Medienkompetenzbegriff, wie ihn Dieter Baacke in die Diskussion einbrachte, wird als grundlegend pädagogischer Begriff eingeführt. Hoffmann plädiert für einen weiten Medienbegriff, als Grundlage der Medienpädagogik gilt ihm Kommunikation - "Medien sind Kommunikationsinstrumente, Medienpädagogik ist Kommunikationspädagogik" (47). Vor diesem Hintergrund werden wichtige kommunikationstheoretische Modelle vorgestellt und auch semiotische und systemtheoretische Bezüge aufgezeigt, jedoch keine zur pädagogischen Theorie bzw. zur Erziehungswissenschaft. Andererseits kommen auch Besonderheiten medialer Kommunikation, die für eine kommunikationstheoretisch begründete Medienpädagogik von zentraler Bedeutung sind, vergleichsweise kurz.
Der Grundlagenteil enthält außerdem einen historischen Abriss der kritischen Medienreflexion, der von Walther Benjamin über Bertolt Brecht bis zu Marshall McLuhan und Paul Virilio reicht, sowie eine kurze Geschichte der Medien. Auf fünfzig Seiten bietet Bernward Hoffmann eine komprimierte, dennoch informative und lesenswerte Einführung - von der körpergebundenen Sprache bis zu den so genannten Neuen Medien. Die Zeitreise schafft einen guten Überblick und hält für die, die sich weiter interessieren, Weiteres in Form von Literaturhinweisen und Links bereit. Recht unvermittelt erscheint in diesem historischen Abriss allerdings ein Plädoyer für das Lesen als Basis von Medienkompetenz, ein wichtiges Argument, das m.E. im Bereich Medienerziehung besser platziert gewesen wäre.
Die drei Kapitel, die der Autor anschließend der Medienforschung und -analyse widmet, vermitteln kein zusammenhängendes Bild. Neben einer eher medienkundlich angelegten, informationsreichen Darstellung des dualen Rundfunksystems in Deutschland, Bürgerbeteiligung und Konvergenz der Medien (Kapitel 4), stehen allgemeine Ansätze und Probleme der Wirkungsforschung (Kapitel 5), anschließend Beispiele für die Medienanalyse (Kapitel 6), die überraschend detailliert bis hin zur Interpretation von Kamerabewegungen und Bildausschnitten (im Film) führen.
Auch im unmittelbaren Kernbereich des Medienpädagogischen, in den drei Kapiteln zur Medienerziehung, sind pädagogische Fragen nicht zentral. Unter der Überschrift "Medienerziehung am Beispiel Fernsehen" (Kapitel 7) nimmt die Auseinandersetzung mit medienkritischen Positionen zum Fernsehen von Günther Anders über Marie Winn bis hin zu Neil Postman breiteren Raum ein als medienerzieherische Überlegungen. Jedoch ist am Beispiel Fernsehen der Zusammenhang von Alter und Mediennutzung berücksichtigt, für Video und Computerspiel und Multimedia in den folgenden Kapiteln leider nicht mehr (Kapitel 8 und 9).
Für Video und Computerspiel (dieser Begriff hat sich in den letzten Jahren gegenüber dem des Bildschirmspiels als Oberbegriff durchgesetzt) sind vor allem die Daten zur Nutzung und Verbreitung interessant, Kriterien zur pädagogischen Beurteilung kommen hingegen viel zu kurz. Unerklärt bleibt weiterhin, warum so divergente Medien wie Video und Computerspiel überhaupt in einem Kapitel gemeinsam behandelt werden müssen. Das Video hat, wenn es nicht gerade Musikvideo ist, eine größere Nähe zum Film bzw. zum Fernsehen als zum interaktiven Computerspiel. Das hier integrierte Thema Jugendmedienschutz hätte ebenfalls einen eigenständigen Platz verdient, denn es betrifft ja nicht nur Videos, Computerspiele und Internet, sondern alle Medien.
Für den Jugendmedienschutz stellt Bernward Hoffmann Gesetzgebung und Institutionen des Jugendschutzes wie die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien und die FSK, die als freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft für Film und Video zuständig ist, relativ ausführlich vor. Andere freiwillige Selbstkontrollen wie die des Fernsehens (FSF) oder der Multimedia-Dienstanbieter (FSM) und die Unterhaltungssoftware-Kontrolle (USK), die Computerspiele prüft und seit 1994 altersgerechte Einstufungen vornimmt, werden hingegen nur knapp bedacht und – im Falle der USK – auch eher argwöhnisch beobachtet. Als Grund für den seit Jahren prozentual geringen Anteil von Spielen, die von der USK als nicht geeignet für Jugendliche unter 18 Jahren eingestuft wurden (unter 5 Prozent am Gesamtspielaufkommen), vermutet Bernward Hoffman ein Interesse an herstellerfreundlichen Einstufungen wegen der Nähe zur "einschlägigen Softwareindustrie" (305). Dem lässt sich entgegenhalten, dass sich dieser Prozentsatz aktuell unter drei Prozent hält, obwohl die USK nach Inkrafttreten der neuen Jugendschutzgesetzgebung (seit 1. April 2003) gemeinsam mit den Obersten Landesjugendbehörden (OLJB), sozusagen unter staatlicher Aufsicht, das Verfahren zur Altersfreigabe von Computerspielen durchführt.
Im vierten Teil sind eine Fülle mediendidaktischer Erfahrungen vor allem aus und für die sozialpädagogische Praxis verarbeitet und aufbereitet, die ebenso für Pädagogen in der Schule zum Teil grundlegend, zumindest aber anregend sind.
Der Charakter eines Arbeitsbuches ist durchgängig gewahrt. Empfohlene Literatur und Links sind im Text extra hervorgehoben, am Ende jedes Kapitels finden sich themenbezogen weiterführende Literaturtipps, während das Gesamtliteraturverzeichnis die im Text verwendete Literatur enthält.
Angenehm sind der schnörkellose Stil und die Anschaulichkeit, um die sich Bernward Hoffmann sowohl sprachlich als auch durch grafische Gestaltung bemüht, auch wenn nicht durchgängig alle Visualisierungen helfen, die dargestellten Sachverhalte angemessen zu verstehen. Irritieren können ebenso manche Überschriften – neben sachlich-informativen Inhaltsangaben steht Schlagzeilenartiges wie "Zwischen Last und Lust: Home-Video und Bildschirmspiele" (Kapitel 8) oder Thesen, die außerdem ganz unterschiedliche Perspektiven repräsentieren wie z. B. "Die Reproduktion von Wirklichkeit – die Fotografie" (3.6), "Das Leitmedium: Fernsehen"(3.8) oder "Neue Medien in der Kritik" (3.10).
Zusammenfassend kann man sagen, dass die kenntnisreiche Darstellung nicht nur für Sozial-Pädagogen lesenswert und anregend ist. Für viele medienkundliche Fragen kann sie als Nachschlagewerk benutzt werden, für den Bereich Kommunikation und Medien bietet sie konzentriert Grundlegendes und für die praktische medienpädagogische Tätigkeit konkrete Anleitung und Hilfe.
EWR 4 (2005), Nr. 2 (März/April 2005)
Medienpädagogik
Eine Einführung in Theorie und Praxis
Paderborn, München, Wien, Zürich: Schöningh 2003
(473 S.; ISBN 3-506-99522-7; 24,90 )
Ulrike Pilarczyk (Berlin)
Zur Zitierweise der Rezension:
Ulrike Pilarczyk: Rezension von: Hoffmann, Bernward: Medienpädagogik, Eine Einführung in Theorie und Praxis, Paderborn, München, Wien, Zürich: Schöningh 2003. In: EWR 4 (2005), Nr. 2 (Veröffentlicht am 06.04.2005), URL: http://klinkhardt.de/ewr/50699522.html
Ulrike Pilarczyk: Rezension von: Hoffmann, Bernward: Medienpädagogik, Eine Einführung in Theorie und Praxis, Paderborn, München, Wien, Zürich: Schöningh 2003. In: EWR 4 (2005), Nr. 2 (Veröffentlicht am 06.04.2005), URL: http://klinkhardt.de/ewr/50699522.html