EWR 2 (2003), Nr. 2 (März/April 2003)

Jost Reischmann
Weiterbildungs-Evaluation
Lernerfolge messbar machen
Neuwied: Luchterhand 2003
(306 seiten; ISBN 3-472-05231-7; 25,00 EUR)
Weiterbildungs-Evaluation Immer noch tut sich das deutsche Bildungswesen, aber auch die erziehungswissenschaftliche Bezugsdisziplin schwer mit dem Thema Evaluation. Von Politikern gefordert, im Zuge vieler organisatorischer Neugestaltungen erwünscht, ertrotzt sich dieses Anliegen Jahr für Jahr mehr Raum und Ressourcen. Kaum etwas ist nicht mehr evaluierbar, der sakrosankte Bildungsbegriff, einst Legitimationsinstanz eines ganzheitlichen und langfristig angelegten Unterfangens, wird in einzelne prozedurale und strukturelle Bestandteile wie Unterricht, Anwendung des Gelernten und Lerntransfer, Lehrerbildung und bildungspolitische Massnahme zergliedert und - so zugerichtet - einer Messung, Prüfung und Bewertung unterzogen. Bedenken und Einwände, dass Evaluation nur beschränkt in der Lage sei, aussagekräftige Befunde bezüglich Unterricht und Bildung zu bewerkstelligen, finden kaum mehr Gehör, auch wenn sie jenseits einer grobschlächtigen Rhetorik durchaus Ernst zu nehmen sind.

Jost Reischmann ist sich in seiner Veröffentlichung "Weiterbildungs-Evaluation –Lernerfolge messbar machen" solcherlei Skepsis wohl bewusst. Auf die Möglichkeiten und vor allem auch auf die Grenzen weist bereits die Übersicht hin: neben zwei Kapiteln die als Warnungen formuliert sind – "Risiken und Nebenwirkungen" und "Fallen der Ergebnisinterpretation" findet sich eine weitere Überschrift die lautet: "Warum Evaluationen so problematisch sind".

Der Autor sieht als ein gewichtiges Problem im Hinblick auf Evaluation die fehlende Kompetenz derjenigen, die Evaluationen durchführen. In der Aufhebung dieses Mangels ist wohl eine Zielsetzung dieser Veröffentlichung zu sehen, gleichzeitig wird aber auch der Anspruch erhoben, laut Klappentext, "die Grundlagen für eine kritische Reflexion von Konzepten und Methoden der Evaluation zu legen".

In einem einleitenden Teil wird der Begriff Evaluation eingegrenzt. Ausschlusskriterien was nicht als Evaluation gelten kann und soll – nicht mit zugänglichen Daten begründete Aussagen, lediglich explorative Hinweise, Erkenntnisse ohne direkte Konsequenzen für oder über einen untersuchten Gegenstand, unsystematische Rückblicke – ermöglichen zusammenfassend eine plausible Begriffsbestimmung. Überraschend ist dennoch, dass mit Bezug zur Praxis der Weiterbildung eine didaktische Funktion der Evaluation hervorgehoben wird. Auch die Abgrenzung der Evaluation gegen Forschung, weil jene allgemeiner, theorieorientierter und auf generelle Aussagen hinzielend ausgerichtet sei, erstaunt auf den ersten Blick (28 f.). Evaluationen seien eben viel anwendungs- und fallspezifischer, darum wird in einem nächsten Schritt empfohlen, die Ziele der Evaluation rechtzeitig zu präzisieren und zu verschriftlichen, ansonsten bewege man sich auf eine "Indikatorenschaukel" zu. Wirkungskriterien von Unterricht müssten etwa vorab ausgehandelt werden, eine durchaus politische Aufgabe, um im Nachhinein nicht einem abträglichen "Power Play" divergierender Interessen ausgesetzt zu sein.

AnschlieĂźend stellt der Autor unter dem Titel "Wie man es macht - probieren Sie es selbst" verschiedene Evaluationsverfahren vor und kommentiert diese hinsichtlich ihrer Zielsetzungen und Verfahrensweisen , wobei die Vor- und Nachteile im Zentrum stehen.

Evaluation wird des weiteren als Bestandteil andragogischen Handelns bestimmt: da Erwachsene mündige Menschen seien müsste Evaluation Lernhilfen anbieten und der Selbstevaluation und Eigensteuerung, aber auch der Beteiligung der Betroffenen eine wichtige Rolle zugestehen (87 f.). Dieser normativen Emphase wird allerdings einige Seiten später auch eine skeptische Haltung gegenübergestellt, denn der Nutzen und die Erfolgsbilanz von Evaluationen ist – einigen Erfahrungsberichten folgend – keineswegs gesichert. Reischmann verweist daher auf die Möglichkeiten der Metaevaluation und auf die von ihm eher positiv vermuteten Effekte bei Selbstevaluationen gegenüber verordneten Groß- und Fremdevaluationen (S. 103). Im Anschluss daran führt der Autor detaillierter Evaluationsaspekte wie Lerntransfer, dann umfassender Evaluationsbeispiele und Evaluationsverfahren und –Instrumente auf. Ein eigenes Kapitel ist den Gütekriterien einer Evaluation gewidmet, denn gewisse Qualitätskriterien wie Validität usw. aber auch didaktische Nützlichkeit und Ökonomie sollten schon gewährleistet sein, wenn Evaluationen zurecht als solche bezeichnet werden wollen.

Ein dritter Teil schließlich ist ganz auf das Machen, im Sinne eines Planens und Durchführens ausgerichtet, darin wird neben vielen Praxishinweisen auch dem Schreiben eines Evaluationsberichtes ein eigenständiges Kapitel gewidmet.

Die gesamte Publikation ist wie ersichtlich stark auf die Bedürfnisse des in der Bildungseinrichtung tätigen Bildungsverantwortlichen für die Erwachsenen-/Weiterbildung zugeschnitten. Dem geistigen Auge des Autors schwebt der wenig voraussetzungsreiche Leser vor. Das Buch erhält damit einen starken Ratgebercharakter. Die Gestaltung ist aufgelockert durch Comics, Kopiervorlagen, Übungsaufgaben, Grafiken, Tabellen und ist sogar mit einer beigefügten CD mit Auswertungsprogramm ausgestattet. Je nach Leserschaft wird wohl die direkte Anrede, ein narrativ-spontaner (aber dennoch nicht unsystematischer) Darstellungsstil auf mehr oder weniger Gegenliebe stoßen. Spürbar ist die eigene Erfahrung des Autors, er kennt die internationale Evaluationsliteratur, die jedoch zumindest im Anhang eine ausführlichere Präsenz verdient hätte. Dem praxeologischen Anspruch gerecht werdend verfügt das Buch über ein gutes Glossar und informative Zusätze, z.B. die Evaluationsstandards der Deutschen Gesellschaft für Evaluation.

Dennoch seien kritisch einige Punkte erwähnt. Eine Reflexion von Grundlagen blitzt nur gelegentlich und häufig eher unvermutet auf. Das Verhältnis zum wissenschaftlichen Forschungsstand, zu Erfahrungen der bisherigen Evaluation wird eher assoziativ, denn kritisch reflektierend einbezogen. Die Beschränkung auf didaktisches Handeln wirkt hierbei besonders "fragwürdig". Man könnte meinen damit sollte Evaluation den Kursgestaltern nähergebracht werden, ein sicherlich legitimes aber doch zu verkürztes Anliegen. Mindestens ebenso gewichtig wäre es, wenn man den Stellenwert von (eigenen und anderen) Evaluationen kritisch reflektieren kann. Als "Mutmacher" für Weiterbildner geeignet, wäre jedoch zusätzlich auf die Rolle eines professionellen und wissenschaftlichen Evaluierens einzugehen. Auch der Anspruch des Untertitels, "Lernerfolge messbar zu machen" ist nicht einlösbar, wenn Lernerfolg als Konzept nicht näher diskutiert wird und "Erfolg" generell eine vage Zielgröße bleibt. Die Einschränkung auf "andragogisch-didaktische(n) Planung und Durchführung" und die Aussparung von weiteren Überlegungen zur Rolle der Wissenschaft lässt das Geschäft der Evaluation doch etwas harmloser erscheinen als es in einem zunehmend ressourcenverknappendem Umfeld ist.
Philipp GOnon (Trier)
Zur Zitierweise der Rezension:
Philipp GOnon: Rezension von: Reischmann, Jost: Weiterbildungs-Evaluation, Lernerfolge messbar machen, Neuwied: Luchterhand 2003. In: EWR 2 (2003), Nr. 2 (Veröffentlicht am 01.04.2003), URL: http://klinkhardt.de/ewr/47205231.html