EWR 1 (2002), Nr. 1 (Januar bis März 2002)

Franz E. Weinert (Hrsg.)
Leistungsmessungen in Schulen
Weinheim und Basel: Beltz 2001
(398 Seiten; ISBN 3-407-25243-9; 19,90 EUR)
Leistungsmessungen in Schulen Um es gleich vorweg zu nehmen: Franz E. Weinerts Plan, ein Buch über "Leistungsmessungen in Schulen" herauszugeben, welches sich in erster Linie an Lehrerinnen und Lehrer richtet, scheint aufgegangen zu sein. Aber nicht nur das. Auch für die universitäre Ausbildung von Erziehungswissenschaftlern ist das Buch eine große Hilfe. Alle Beiträge vermitteln Interessierten, auch wenn sie nicht über eine statistische Basisausbildung verfügen, einen Einblick in die aktuelle empirisch pädagogische Forschung, die in der Regel an Beispielen von groß angelegten Schulvergleichsstudien anschaulich gemacht wird. Das Buch gliedert sich in 23 Kapitel.

Die ersten Kapitel widmen sich der Einführung in das vielschichtige und hochaktuelle Thema. Franz E. Weinert und Hans Brügelmann geben einen Einblick in den derzeitigen Forschungs- und Diskussionsstand zur empirischen Leistungsmessung und zeichnen die kontroverse Debatte nach, die das Thema sowohl innerhalb als auch außerhalb der Schulen ausgelöst hat. Im Anschluss vermitteln Friedrich-Wilhelm Schrader und Andreas Helmke einen Einblick in die komplexen Entscheidungsprozesse und Folgen der durch Lehrer vorgenommenen Leistungsbeurteilung. Falko Rheinberg lenkt schließlich den Blick auf die unterschiedlichen Bezugsnormen, unter denen in Schulen Leistungen beurteilt werden (können) und hebt dabei "blinde Flecke" unterschiedlicher Bezugsnormen hervor. Mit der Anschlussfrage, ob Schulen Leistungsunterschiede kompensieren oder konservieren, beschäftigt sich Franz E. Weinert in seinem zweiten Beitrag und geht anhand verschiedener Untersuchungen zunächst auf pessimistische und dann auf optimistische Fehleinschätzungen über die Wirksamkeit von Schule ein.

In den folgenden drei Kapitel wird den Lesern näher gebracht, wie Schulleistungen in large scale surveys eruiert werden. Kurt A. Heller und Ernst A. Hany stellen Nutzen von und Kritik an standardisierten Schulleistungsmessungen gegenüber, und Karl Josef Klauer beantwortet die Frage, wie man Schulleistungen misst. Der Autor räumt mit dem Vorurteil, dass standardisierte Leistungsmessung vor allem Ankreuz-Tests sind, auf, und führt die Bandbreite von derzeit genutzten Aufgabenformen vor. Dabei wird für die Konstruktion von Tests deutlich, welch hoher Wert auf die Frageformen zu legen ist, deren Vor- und Nachteile jeweils gründlich abzuwägen sind. Im Anschluss zeigt Karl-Heinz Arnold, mit welchem Aufwand und welcher Sorgfalt Untersuchungen zur Schulleistungsmessung entwickelt und durchgeführt werden.

In den nachfolgenden Kapiteln werden nach einer übergreifenden Darstellung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Leistungsmessung im Primar- und Sekundarbereich (Rainer H. Lehmann) spezifische Bereiche der Leistungsmessung vorgestellt. Wolfgang Schneider beschäftigt sich mit dem Thema der muttersprachlichen Bildung und Elsbeth Stern und Ilonca Hardy zeigen, wie in TIMSS die mathematischen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler erfasst wurden. Anhand markanter Beispielaufgaben vermitteln sie anschaulich, wie mit den Tests nicht nur Rechenfertigkeiten geprüft sondern verschiedene Wissenskomponenten unterschieden wurden. Reinders Duit, Peter Häußler und Manfred Prenzel gehen darauf ein, wie naturwissenschaftliche Kompetenzen gemessen werden können und mit welchen Zielsetzungen die Tests weiterentwickelt und im Dienste der Qualitätsentwicklung genutzt werden können.

Wie Leistungsmessungen auch jenseits der klassischen Fächer innovativ weiterentwickelt werden können, um eine professionelle Evaluation verschiedener Unterrichtsgegenstände zu ermöglichen, zeigen schließlich Sabine Gruehn und Kai Schnabel am Beispiel des Faches Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde. Von Interesse ist auch der Ausblick, wie fächerübergreifende Kompetenzen (Eckhard Klieme, Petra Stanat und Cordula Artelt) und wie Leistungen in der beruflichen Bildung (Gerald A. Straka) erfasst werden können.

In den drei folgenden Kapiteln werden einige der in den letzten Jahrzehnten durchgeführten nationalen bzw. internationalen Untersuchungen vorgestellt. Andreas Helmke und Friedrich-Wilhelm Schrader beschreiben Studien, die neben der TIMS-Studie zum Teil mit und zum Teil ohne deutsche Beteiligung durchgeführt wurden, während Wilfried Bos und T. Neville Postlethwaite die Folgen internationaler Schulleistungsforschung für die deutsche Bildungslandschaft diskutieren. Unter anderem zeigen sie, wie Befunde z.B. der TIMSS Untersuchung bei der Bildungsplanung genutzt werden (können) und zeigen eine Perspektive auf, wie das Potenzial solcher Untersuchungen noch weiter ausgeschöpft werden kann. Der anschließende Beitrag von Olaf Köller, Jürgen Baumert und Wilfried Bos beschreibt die Anlage, Durchführung und einige Befunde der TIMSS Untersuchung während Jürgen Baumert, Cordula Artelt, Eckhard Klieme und Petra Stanat im darauf folgenden Kapitel die Anlage der zur Zeit der Drucklegung des Artikels noch nicht abgeschlossenen PISA Untersuchung beschreiben. Ihr Beitrag unterstreicht insbesondere den innovativen Anspruch der Untersuchung, neben Basis- auch fächerübergreifende Kompetenzen zu erfassen.

Den Schlussteil bilden Beiträge, die sich den Folgen der zuvor vorgestellten Untersuchungen für die Schule zuwenden. Jörg Schlömerkemper geht auf die Möglichkeiten, aber auch die Gefahren bei der Nutzung von Ergebnissen von (standardisierten) Leistungsmessungen in der Schule ein und Rainer Peek beschreibt, wie Untersuchungsergebnisse mit dem Blick auf eine Evaluation in der Schule zielgerichtet genutzt werden können. Als wichtiges Instrument stellen sich für ihn schul- bzw. klassenbezogene Rückmeldungen für die Qualitätsentwicklung dar. Hans-Günter Rolff diskutiert, wie die Befunde standardisierter Leistungsmessungen genutzt werden können, um interne Evaluationen in Schulen durch externe Evaluationen zu ergänzen.

Im Abschlusskapitel beschreibt Franz E. Weinert noch einmal zusammenfassend die Perspektiven von Schulleistungsmessungen und betont die Notwendigkeit einer Verzahnung unterschiedlicher Leistungsmessungen. Für ihn sind die verschiedenen Ansätze und Möglichkeiten, über die Lehrer und Bildungsforschung verfügen, als sich ergänzend und nicht als konkurrierend zu betrachten.

Den insgesamt guten und soliden Eindruck des Buches runden die eingangs erläuterten Akronyme relevanter Institutionen und Untersuchungen und ein Sachregister ab. Als Fazit lässt sich festhalten, dass das Buch selbst "Novizen" den Einstieg in das Thema Leistungsmessung an Schulen erlaubt. Es sei somit jedem Studierenden der Erziehungswissenschaft zur Lektüre und Lehrerinnen und Lehrern zur Fort- und Weiterbildung empfohlen.
Knut Schwippert (Hamburg)
Zur Zitierweise der Rezension:
Knut Schwippert: Rezension von: Weinert, Franz E. (Hg.): Leistungsmessungen in Schulen, Weinheim und Basel: Beltz 2001. In: EWR 1 (2002), Nr. 1 (Veröffentlicht am 01.01.2002), URL: http://klinkhardt.de/ewr/40725243.html