
Mit der Frage „Welche Bildung braucht die Wirtschaft – welche Wirtschaft braucht die Bildung?“ plädiert der Präsident der Verwaltungsräte von UBS und Novartis Alex Krauer dafür, dass Bildung nicht durch die Wirtschaft bestimmt werden soll (vgl. 161-168). Die Berufsbildung werde zwar gesellschaftlich positiv bewertet, dennoch sinke die Ausbildungsbereitschaft bei Unternehmen. Die Bildungsqualität gehöre aber zu den entscheidenden Wettbewerbsfaktoren der Ökonomie.
Franz Blankart und Stefan Flückiger betrachten die Bildung im Spannungsfeld von Wirtschaft und Kultur (vgl. 555-562). Die Autoren beschreiben drei Spannungsfelder von (1) Globalisierung und Tradition, (2) ökonomischer Nähe und zivilisatorischer Entfernung sowie (3) missbrauchter Technologie und ökologischer Tragbarkeit. Sie kommen zu dem Schluss, dass historischer Unterricht und langfristiger Gestaltungswille als Mittel gegen die drohende Dekadenz zu betrachten seien.
Rudolf H. Strahm (vgl. 253-272) beleuchtet das volkswirtschaftliche Paradox, dass die Schweiz trotz eines niedrigen Wirtschaftswachstums eine der höchsten Erwerbsquoten der OECD-Länder aufweist. Ausschlaggebend sei dafür die solide Grundausbildung, welche weniger öffentliche Ausgaben erfordere und einen gewissen Schutz vor Arbeitslosigkeit biete. Schwächen des Systems seien der Lehrstellenmangel, die Inkongruenz in der Branchenverteilung und die Tertiärisierung der Arbeitswelt. Der Bologna-Prozess der Hochschulen werde deshalb zur Gefahr, da die Eigenheiten der dualen Berufsausbildung nur wenig berücksichtigt seien.
Zwei Artikel widmen sich verstärkt den Führungskräften, so etwa unter dem Titel „Corporate Governance als Impulsgeber in der Aus- und Weiterbildung von Führungskräften“, geschrieben von dem Rechtsanwalt Thomas Burkhalter (vgl. 525-552). Nach Aussagen des Autors haben Führungskräfte bislang keine ausreichende Ausbildung. Corporate Governance ermögliche hier Steuerungsmechanismen, die zu einem ausgewogenen Verhältnis von Führung, Kontrolle und Transparenz beitragen können. Hugo Tschirky konstatiert „Brauchbare Führungslehren erfordern integrierbares Wissenschaftswissen“ (191-228). Europa weise ein Innovationsdefizit gegenüber Japan und den USA auf. Die Lösungen sollten in Europa mehr am Output orientiert sein und im Bereich der Führungskräfte mit einem ausgeprägten Technologie- und Innovationsmanagement ausgestattet werden.
Insgesamt zeigen die Beiträge, dass weniger die Beschreibung des Bildungswesens als solches im Vordergrund steht, sondern vielmehr der Bezug zu Bildungspolitik und Wirtschaft. Die Festschrift präsentiert sich als Kaleidoskop des Bildungswesens mit einer Diversität sowohl in Anspruchsniveau und Länge als auch in der thematischen Verortung der Beiträge. Die eher knappen Artikel von Burkhalter und Krauer repräsentieren die politischen Statements. Die Beiträge von Tschirky und Strahm stellen hingegen längere auch wissenschaftlich gefärbte Abhandlungen dar. Für das gesamte Buch tritt diese Unterschiedlichkeit der Artikel hervor, das Phänomen ist durchaus nicht untypisch für eine Festschrift. Für die Leserinnen und Leser kann sie als Nachschlagewerk dienen, aber nicht als stringentes Gesamtwerk. Die Themenzusammenstellung ist eher heterogen und reicht von speziellen Lehr-Lernmethoden hin zu gesellschaftspolitischen Fragestellungen. Dies macht eine Einordnung und die Verknüpfung der Beiträge schwierig. Zudem wird eher ein schweizerisches, denn ein deutsches Publikum angesprochen. In dieser bunten Mischung finden sich außerdem ein französisch- und ein englischsprachiger Beitrag.
Es erstaunt an mancher Stelle, wer sich alles zum „Bildungswesen im Umbruch“ äußert – von Verwaltungsräten bis zu Armeevertretern scheint das Spektrum aus wissenschaftlicher Perspektive doch eher ungewöhnlich. Wie am Gesamtverzeichnis der Publikationen von Hans Giger zu sehen, ist auch der Jubilar selbst weniger in der Bildung als in der Jurisprudenz beheimatet. Das Buch lässt sich als Kompendium verwenden, um einen ersten Eindruck in die politische Bildungslandschaft der Schweiz zu bekommen – eine gewisse Grundkenntnis des Systems vorausgesetzt. An einer wissenschaftlichen Detailabhandlung Interessierte werden durch eine Festschrift selten in den Bann gezogen, ist doch ihr Zweck in der Laudatio für den Jubilar begründet.