EWR 8 (2009), Nr. 6 (November/Dezember)

Jens Rosch
Kerschensteiners Starenhaus
Eine Fallstudie zur Problematik projektorientierten Unterrichts
Pädagogische Fallanthologie, herausgegeben von Andreas Gruschka, Sabine Reh, Andreas Wernet, Band 4
Opladen & Farmington Hills: Budrich 2009
(96 S.; ISBN 978-3-86649-185-4; 9,90 EUR)
Kerschensteiners Starenhaus Georg Kerschensteiners Aufgabe, nach der ein Lehrling aus einem Brett von 160 cm Länge, 20 cm Breite und 1 cm Dicke mit geringstem Holzabfall und geringstem Aufwand an Zeit und manueller Arbeit – also (so Kerschensteiner) ökonomisch-wirtschaftlich – ein Starenhaus herstellen soll, dessen Dachfläche zur Bodenplatte im Verhältnis 1:2 geneigt ist und die etwa 5 cm über die Vorderseite des Hauses hinausragt, ist geradezu legendär. Sie gilt sozusagen als (In)“Begriff der Arbeitsschule“ so der Titel des seit 1911 vielfach aufgelegten Buches, in dem Kerschensteiner sein Anliegen vorgetragen hat, Arbeit für Bildungsprozesse fruchtbar zu machen. Jens Rosch hat diese Aufgabe zu seinem Fall gemacht und diskutiert an ihm die Problematik projektorientierten Unterrichts. Ob man Kerschensteiners Aufgabe leichthin als „Projekt“ klassifizieren kann, sei dahingestellt. Interessant ist allemal, dass sie sich als Fall eignet, an dem ganz verschiedene Dinge studiert werden können: Kerschensteiners bildungstheoretische Idee vom pädagogischen Sinn der Arbeit, die Idee der Provokation eines Gedankenexperiments, das sich in seiner Erläuterung eher als Engführung entpuppt, die didaktischen Tücken seiner Aufgabe (die die Vermutung, dass Kerschensteiner dieses Starenhaus selbst nie gebaut haben kann, virulent werden ließen) oder auch die Tradierung pädagogischen Denkens, die mit Kerschensteiners Textvarianten offenbar recht unbekümmert umgegangen ist. Rosch selbst unterlaufen in seiner Fallstudie auch so manche Ungenauigkeiten. So trennt er die Aufgabe, die Kerschensteiner als Fall der geistigen Arbeit eines Lehrlings behandelt, nicht von dem, was Kerschensteiner im Rahmen seines Organisationsbeispiels für städtische Volksschulklassen anführt, in deren Holzbearbeitungsunterricht für die 4. Klasse der Bau eines Starenhauses angegeben ist, was wiederum zur Verwischung der curricularen Ebenen von Theorie und Praxis des Starenkastenexempels führt. Gleichwohl: die Studie ist anregend. Das Fazit lautet: lesen, an den Quellen prüfen und – wer mag – den Kasten bauen (eine unorthodoxe Lösung der Aufgabe liegt bei).
Heidemarie Kemnitz (Braunschweig)
Zur Zitierweise der Annotation:
Heidemarie Kemnitz: Annotation zu: Rosch, Jens: Kerschensteiners Starenhaus, Eine Fallstudie zur Problematik projektorientierten Unterrichts Pädagogische Fallanthologie, herausgegeben von Andreas Gruschka, Sabine Reh, Andreas Wernet, Band 4. Opladen & Farmington Hills: Budrich 2009. In: EWR 8 (2009), Nr. 6 (Veröffentlicht am 01.12.2009), URL: http://klinkhardt.de/ewr/annotation/978386649185.html