Die Zahl der Lehrbücher und Einführungen in Wissensgebiete hat in den letzten Jahren stark zugenommen, auch im Bereich der Schulpädagogik und (Allgemeinen) Didaktik. Drei neuere Bände sollen hier kurz vorgestellt und bewertet werden:
Der Klappentext des Buches „Prüfungswissen Schulpädagogik“ wirbt damit, gute Dienste für die effiziente Vorbereitung von „Bachelor-Prüfungen in Schulpädagogik oder einer eng verwandten Disziplin“ leisten zu können. Die engen Verwandten sind laut Zurbriggen die Sozialpädagogik und die Sonderpädagogik. Zumindest in den ersten zwei von insgesamt drei Kapiteln (1 Zentrale Fachbegriffe und Modelle, 2 Historische Entwicklung, pädagogische Strömungen, Pädagogen, 3 Kerngeschäft Unterricht) kommen in enger Auswahl auch deren „Fachbegriffe“ (z.B. Klienten, Streetwork oder Integration) und „Meilensteine“ vor. Dazu gibt es ein alphabetisches Stichwortverzeichnis und ein „kommentiertes Literaturverzeichnis für die Weiterarbeit“. Letzteres ist freilich ziemlich hochgestapelt, denn hier werden lediglich zwei Werke empfohlen: der Dreiteiler von Georg Becker zur Planung, Durchführung und Auswertung von Unterricht und Herbert Gudjons’ Pädagogisches Grundwissen.
Nun ist das Unterfangen, Prüfungswissen zu fixieren, nicht neu, scheint aber angesichts unklarer fachlicher Standards und der damit verbundenen Diversität der Studiengänge schier unmöglich zu sein. Trotz aller Skepsis betrachtet man neugierig die „Grundlagen“, die hier geboten werden – vielleicht sind sie ja auch für die eigene Arbeit hilfreich. Das Resultat ist aber wenig befriedigend. Die Autorin formuliert 168 Fragen und Antworten, die in Form und Inhalt nicht an Studium, sondern an pädagogisches Alltagswissen denken lassen, fragt häufig nach Meinungen und Vermutungen und schreckt auch nicht davor zurück, eine eigene Wortschöpfung als zentralen Fachbegriff auszugeben („Der Ausdruck ‚pädagogische Geduld’ ist eine Eigenschöpfung der Autorin. Was vermuten Sie – aufgrund Ihres pädagogischen Wissens – könnte damit gemeint sein?“, 20). Immerhin, alles ist kurz abgehandelt. Das kürzeste Abfrage-Paar lautet: „Was unterscheidet Lehr- von Lernzielen?“, Antwort: „Auf den ersten Blick lediglich der Standpunkt der Betrachtung, auf den zweiten Blick das gesamte pädagogische Selbstverständnis“ (140). Welche Note ein Student für diese Antwort wohl bekommen hätte?
Das mit 456 Seiten umfangreichste der hier vorgestellten Bücher ist aus einer offenbar sehr erfolgreichen Didaktik-Vorlesung von Karl Frey an der ETH Zürich entstanden, die in Schriftform zuletzt 2005 in 17. Auflage der ETH-Vorlesungen „Allgemeine Didaktik“ erschienen war. Fünf Jahre nach seinem Tod liegt nun eine gekürzte Version dieser Vorlesungen vor, deren Herausgabe Angela Frey-Eiling mit wiederholten „Anfragen, ob man den ‚Gelben Ordner’ noch kaufen könne“ (V) erklärt. Das Material ist also historisch. Die Verlagsinformation aber enthält keinen solchen Hinweis. Das Buch wird Studierenden, Lehrenden und bereits im Schuldienst Tätigen empfohlen, die „an einem stressfreien Unterricht interessiert sind“. Es würden Unterrichtsmethoden und -techniken vorgestellt, zu denen die Leser anhand „der nachgewiesenen Effektstärken“ eigene Vergleiche anstellen könnten; der „Forschungsstand“ sei umfassend und in leicht verständlicher Sprache dargelegt (Klappentext). Dass sich dieser Forschungsstand häufig auf die 1970er und 1980er Jahre bezieht und neuere Studien (nach 2000) eher selten vorkommen, wird erst bei der Lektüre offenbar.
Jedes der 25 Kapitel (u.a. „Didaktische Determinanten von Unterrichts- und Schulerfolg“, „Der Stundenablauf“, „Fragen“, „Warten“, „Rückmelden“, „Projektmethode“, aber auch „ETH-Leitprogramme“) arbeitet mit einer „Übersicht“ (Lernziele der Vorlesung), „Aufgaben/Fragen“, „Quellen“ (nicht in historischem Verständnis, denn es handelt sich immer schon um bearbeitete Materialien oder Zusammenstellungen, z.B. von Ergebnissen aus psychologischen Studien über Unterrichtsmethoden) und „Checklisten“ oder „Instrumentarien“, mit denen die Aufgaben (etwa „Bereiten Sie eine Unterrichtsstunde nach dem Artikulationsschema von Grell vor“, 37) gelöst werden sollen. Dass ein solches Vorgehen in einer Vorlesung, die offenbar auch Grundlagen für Unterrichtspraktika bieten sollte, von Studierenden für nützlich befunden wird, ist gut vorstellbar. Nur lässt sich das Buch nicht eigentlich „lesen“, denn es springt von Aufgabe zu Aufgabe, von Praxistipp zu Praxistipp, entwickelt die Gedankengänge allenfalls rudimentär und macht ob dieser Sprunghaftigkeit doch etwas ratlos. Das liegt wahrscheinlich am Vorlesungskontext, der sich jenseits der ETH, zumal im Nachhinein, nur schwer nachvollziehen lässt. Die Nutzbarkeit des Buches jenseits dieses Kontextes ist also eingeschränkt.
Die „Allgemeine Didaktik“ von Martin Lehner, die in der Reihe UTB basics erschienen ist, ist dagegen (über den Landeskontext hinaus) durchaus empfehlenswert, wenngleich auch sie nicht eigentlich „lesbar“ ist, denn das Buch erinnert von den Hervorhebungen, Schaubildern und Verweisen her an eine Lernkartei, nur eben in gebundener Form; mitunter hat man den Eindruck, es handle sich um gedruckte Vorlesungsfolien. Angefangen beim Begriff Didaktik über Konzepte und Ansätze bis hin zu Überlegungen zur Planung, Analyse und Evaluation von Lehr-Lern-Prozessen (in Schule und Erwachsenenbildung) gibt es bekanntlich je nach Autor und Richtung erhebliche Unterschiede. Lehner schafft es bei aller Knappheit das Bewusstsein von Differenz und die Notwendigkeit zur Reflexion der Kontexte wachzuhalten, freilich um den Preis der Aneinanderreihung: Lehner arbeitet mit einer Folge von Infotafeln, Definitionen und Zitaten thematisch einschlägiger Autoren und delegiert eine Verknüpfung mittels Aufgaben (und dazugehörigen Hinweisen) an die Adressaten. Jedes Kapitel schließt mit weiterführender Literatur.
Dass in einer Einführung „Allgemeine Didaktik“ auch Kapitel zur „Professionalisierung“ und „Bildung“ zu finden sind, überrascht zunächst, wird dann aber durch den Blick auf didaktische Kompetenzen von Lehrkräften und den Rückbezug auf den bildungstheoretischen Ansatz von Didaktik verständlich. Der Versuch, die Adressaten auf mögliche Erfahrungen hin anzusprechen oder sie mit Tipps für die Unterrichtspraxis auszustatten, findet eher nicht statt. Nüchternheit und Sachinformation dominieren. Wer sich mit dieser Art Einführung im Stil von Advance Organizer oder eben Lernkartei anfreunden kann, ist damit fürs Erste sicher zufrieden. Das Studium der angegebenen Literatur ersetzt sie freilich nicht. Aber das ist auch nicht Ziel des Buchs.
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die Bände zeigen, wie schwierig es ist, schulpädagogisches oder (allgemein) didaktisches Wissen lehrbuchartig so aufzubereiten, dass alle Motivlagen und Interessen in gleicher Weise befriedigt werden, zumal sie offenbar auch nach Standorten divergieren. Möglicherweise ist der Höhepunkt der Lehrbuchproduktion noch längst nicht in Sicht. Angesichts der Bemühungen um Kerncurricula in der Erziehungswissenschaft (nicht nur in Deutschland) markiert die Zunahme der Lehrbücher, deren Schnittmenge sehr gering zu sein scheint, eine Bewegung mit gegenläufiger Tendenz. Eine Diskussion über die Gründe und Konsequenzen würde sich lohnen.
EWR 9 (2010), Nr. 2 (März/April)
Sammelannotation Lehrbücher
Prüfungswissen Schulpädagogik – Grundlagen
Bern, Stuttgart, Wien: Haupt Verlag / UTB 2009
(182 S.; ISBN 978-3-8252-3244-3; 14,90 EUR)
Ausgewählte Methoden der Didaktik
Zürich: vdf Hochschulverlag an der ETH / UTB 2010
(456 S.; ISBN 978-3-8252-8428-2; 38,90 EUR)
Allgemeine Didaktik
Eine Einführung
Bern, Stuttgart, Wien: Haupt Verlag / UTB 2009
(206 S.; ISBN 978-3-8252-3245-0; 17,90 EUR)
Heidemarie Kemnitz (Braunschweig)
Zur Zitierweise der Annotation:
Heidemarie Kemnitz: Annotation zu: Zurbriggen, Eveline: Prüfungswissen Schulpädagogik – Grundlagen. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt Verlag / UTB 2009. In: EWR 9 (2010), Nr. 2 (Veröffentlicht am 13.04.2010), URL: http://klinkhardt.de/ewr/annotation/978382523244.html
Heidemarie Kemnitz: Annotation zu: Zurbriggen, Eveline: Prüfungswissen Schulpädagogik – Grundlagen. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt Verlag / UTB 2009. In: EWR 9 (2010), Nr. 2 (Veröffentlicht am 13.04.2010), URL: http://klinkhardt.de/ewr/annotation/978382523244.html