EWR 21 (2022), Nr. 4 (Oktober)

Sammelrezension: Differenzverhältnisse in der Lehrer*innenbildung und Hochschule

Robert Schneider-Reisinger / Manfred Oberlechner (Hrsg.)
Diversitätssensible PädagogInnenbildung in Forschung und Praxis
Utopien, Ansprüche und Herausforderungen
Berlin: Verlag Barbara Budrich 2020
(265 S.; ISBN 978-3-8474-2363-8; 34,00 EUR)
Anna Aleksandra Wojciechowicz / Daniela Niesta Kayser / Miriam Vock (Hrsg.)
Lehrer/innen-Bildung im Kontext von Fluchtmigration
Perspektiven, Erkundungen und Impulse
Weinheim/Basel: Beltz Juventa 2020
(209 S.; ISBN 978-3-7799-6038-6; 29,95 EUR)
Karim Fereidooni / Nina Simon (Hrsg.)
Rassismuskritische Fachdidaktiken
Theoretische Reflexionen und fachdidaktische Entwürfe rassismuskritischer Unterrichtsplanung
Wiesbaden: Springer VS 2020
(554 S.; ISBN 978-3-658-26343-0; 59,90 EUR)
Diversitätssensible PädagogInnenbildung in Forschung und Praxis Lehrer/innen-Bildung im Kontext von Fluchtmigration Rassismuskritische Fachdidaktiken Seit knapp zwanzig Jahren stellen Differenzverhältnisse eine zentrale Bezugsdimension der Lehrer*innenbildung dar, die sowohl für die Erziehungswissenschaften als auch für die Fachdidaktiken zur Analyse, Reflexion und Gestaltung pädagogischer Handlungspraxis in der Schule bedeutsam ist. Neben professionalisierungsrelevanten Auseinandersetzungen finden sich Auseinandersetzungen zu Zugangsmöglichkeiten zum Lehrberuf, folglich auch zu Differenzverhältnissen in der Hochschule. Gleichwohl können disziplinübergreifend unterschiedliche, mitunter konträre Theoriekonzepte von Differenz und Verhältnisbestimmungen zur Hochschule und/oder zur pädagogischen Handlungspraxis, Professionalität und Professionalisierung festgestellt werden. Dies zeigt sich in der Verwendung verschiedener Begriffsvarianten wie Diversität, Heterogenität oder Vielfalt, wie auch in Lesarten von Gesellschaft und Nationalstaat, (bildungs-)politischer Bezüge und der priorisierten Bearbeitung von Differenzkategorien.

Die Bandbreite der Veröffentlichungen in den verschiedenen Fachdisziplinen spiegelt daher sowohl die Relevanz als auch unterschiedliche Konzeptualisierungen von Differenzverhältnissen in Lehrer*innenbildung und Hochschule wider. Neben der wissenschaftlichen Wissensproduktion dokumentiert die Bandbreite der Veröffentlichungen zugleich aber auch Aktivitäten und Projektmaßnahmen im Hochschulraum, sowie deren Beforschung und handlungspraktische Reflexionen, in die nicht selten Widerstände und Hürden in etablierten institutionellen Strukturen eingelassen sind. Diese vielschichtigen Zusammenhänge stellen die analytische Klammer dar, mit der im Folgenden drei Sammelbände besprochen werden, die sich auf unterschiedliche Weise mit Differenzverhältnissen in Lehrer*innenbildung und Hochschule befassen.

Robert Schneider-Reisinger und Manfred Oberlechner tragen in ihrem Sammelband Erfahrungen einer „diversitätssensible[n] PädagogInnenbildung in Forschung und Praxis“ zusammen. Ihr Anliegen verorten sie in Ansprüchen einer im Kontext der Menschenrechte mit Bezügen zur UN-Behindertenrechtskonvention begründeten inklusiven Hochschule. Der Band umfasst neben der Einleitung drei Abschnitte mit insgesamt 21 Beiträgen. Der einführende Abschnitt A stellt mit zwei Beiträgen eine theoretische Rahmung dar. Robert Schneider-Reisinger widmet sich „Hochschulen als Orte inklusiver Demokratie“, für die er mögliche Provokationen bei Inklusionsprozessen identifiziert und diese zu entschärfen versucht. Hochschulen konzeptualisiert er dabei als Bildungs- und Resonanzräume, in denen Demokratie gelebt und getätigt wird. Neben der Öffnung von Hochschulen beschreibt er auch deren konsequentes Engagement „gegen Formen der Reduzierung und Marginalisierung und damit gegen Anlässe von Erfahrungen und Gefühlen der ‚Segregation in der Integration‘, der Trennung oder des Deplatziert-Seins“ (S. 24) als bedeutsame Handlungsperspektive. Christian Lindmeier widmet sich in seinem Beitrag dem Zusammenhang von „Bildungsgerechtigkeit und Inklusion“ (S. 30). Dazu führt er erziehungswissenschaftliche Konzepte der Bildungsgerechtigkeit differenziert nach Verteilungs- und Leistungsgerechtigkeit, Teilhabe- und Befähigungsgerechtigkeit, sowie Anerkennungsgerechtigkeit und relationaler Gerechtigkeit aus. Inklusion bettet er in das Gebot der Bildungsgerechtigkeit ein und diskutiert die besondere Funktion der Anerkennungsgerechtigkeit, um Rahmenbedingungen für innovative Veranstaltungsformate im tertiären Bildungsbereich zu formulieren.

Dieser Rahmung folgen im Abschnitt B zwölf Beiträge, die sich mit Umsetzungen von Projekten in der Hochschule, deren theoretischen Fundierungen und Ergebnissen aus Begleitforschungen befassen, wie in den Beiträgen von Matthias Gubler und Cornelia Müller Bösch, sowie von Christine Schober. Sie etwa zeigt am Beispiel des BluE-Hochschulprogramms an der Pädagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig Wege einer inklusiv orientierten Hochschule auf und reflektiert anhand von qualitativen Interviews mit Lehrenden die Differenzierungs- und Organisationsantinomie nach Helsper (2002). Ihre Ergebnisse zeigen, dass neben der Gestaltung flexibler Lernräume, auch organisationstypische Versuche der Homogenisierung bei Lehrenden handlungsleitend sind. Erfahrungen mit Umsetzungen thematisieren auch die folgenden Beiträge. Während Melanie Holztrattner und Maria Kreilinger im Verständnis einer inklusiven Lehrer*innenbildung die Umsetzung diversitätssensibler Hochschullehre anhand einer kooperativen Lehrveranstaltung für Lehramtsstudierende vorstellen und ihre Erfahrungen als Lehrende reflektieren, setzen sich Ingrid Geier im Kontext der Third Mission von Hochschulen mit „Active Citizenship Learning als innovatives Lehr- und Lernkonzept für eine diversitätssensible Lehrer*innenausbildung“ oder Elisabeth Hueber-Mascherbauer und Daniéle Hollick anhand eines Fallbeispiels mit „Service Learning als hochschuldidaktisches Konzept zur Entwicklung diversitätssensibler Sichtweisen im Lehramtsstudium“ auseinander. Astrid Krämer beschreibt zudem zwei Modellprojekte an der Universität zu Köln, die alternativ zu den obligatorischen Praxisphasen im Lehramtsstudium angeboten werden und sich im Bereich der Bildungsteilhabe ansiedeln. Ein erweitertes Inklusionsverständnis findet sich in dem Beitrag von Christine Pichler zur „Interkulturellen Kommunikation als gelebte Praxis in der Hochschuldidaktik“, in dem mit Bezügen zu den Diversity Studies und zur Intersektionalität das TOPOI-Modell als Analyse-, Reflexions- und Interventionsrahmen vorgestellt wird.

Im Abschnitt C sind sieben Beiträge platziert, die relevante Forschungsfragen im Kontext einer inklusiven Hochschule bearbeiten. Neben Handlungsfeldern und Entwicklungsperspektiven einer diversitätsorientierten Pädagog*innenbildung (Irmgard Bernhard, Maria-Luise Braunsteiner, Claudia Kaluza & Bernhard Schimek) finden sich hier Beiträge zu empirisch diskutierten studentischen Erfahrungen von Inklusion und Exklusion (Manfred Oberlechner) oder Perspektiven internationaler Studierender (Katharina Resch und Agnes Raschauer), sowie Analysen zu „Ambivalenzen institutioneller Konzepte und Umsetzungsformen“ im Kontext von Internationalisierungsdynamiken an Hochschulen (Susanne Burren und Celestina Porta).

Während sich im Sammelband von Robert Schneider-Reisinger und Manfred Oberlechner der Fokus auf Differenzkategorien richtet, die im Kontext der UN-Behindertenrechtskonvention relevant sind, sowie Migration als Differenzdimension in Überlegungen zu einer inklusiven Hochschule eingearbeitet wird, rücken Anna Aleksandra Wojciechowicz, Daniela Niesta Kayser und Miriam Vock das Thema Fluchtmigration in den Mittelpunkt ihres Sammelbandes. Die bedeutsame Rolle der Lehrer*innenbildung wird dabei in der Fragestellung verdichtet, wie geflüchtete Lehrer*innen qualifiziert werden müssten, um in Deutschland in ihrem Beruf arbeiten zu können.

Der Band besteht aus zwölf Beiträgen, die in fünf Abschnitte untergliedert sind. Diesen vorangestellt ist das Vorwort des Vizepräsidenten für Lehre und Studium an der Universität Potsdam, die Anlassbeschreibung zum Sammelband von Anna Aleksandra Wojciechowicz und Miriam Vock und ihre Einleitung. Hier thematisieren sie „Deutschland in Zeiten von Fluchtmigration“ mit Konsequenzen für das Bildungssystem und im Kontext der Öffnung des Lehramts für neue Gruppen. Für geflüchtete Lehrer*innen stellen die Autorinnen zudem institutionelle Hindernisse sowie Forschungsdesiderate dar und reflektieren Ambivalenzen des für den Sammelband gewählten Begriffs ‚geflüchtete Lehrkräfte‘.

Der anschließende Teil I umfasst mit fünf Beiträgen „Konturen wissenschaftlicher Debatten als Rahmenbedingungen für Lehrer/innen-Bildung im Kontext von Fluchtmigration“ (35). Norbert Frieters-Reermann befasst sich mit Fluchtmigration als Herausforderung für schulische und außerschulische Bildungsprozesse und diskutiert Möglichkeiten der Bildungsteilhabe. Fluchtmigration betrachtet er als vielschichtige Exklusionserfahrung, die er auf der intrapersonal-individuellen, interaktiv-sozialen, strukturell-administrativen, institutionell-organisationsbezogenen, symbolisch-repräsentativen, sowie diskursiv-kulturellen Ebene analytisch ausdifferenziert und zugleich im Kontext von Markierungs- sowie interkulturellen Konstruktionsprozessen kritisch reflektiert. Für Möglichkeiten der Bildungsteilhabe verweist er auf das kulturelle Kapital der Fluchtmigration und ein inklusives Bildungsverständnis. Demgegenüber fokussiert Annette Sprung in ihrem Beitrag „Institutionelle Herausforderungen der Partizipation von Lehrkräften mit Flucht- und Migrationserfahrungen“, während Linda Juang und Tendai Chitewere Studien und Ansätze zur Bedeutung von migrantisierten Lehrer*innen im Kontext heterogener Schulklassen im internationalen Vergleich reflektieren. Auf der Grundlage von qualitativen Interviews mit Geflüchteten diskutiert Daniela Niesta Kayser in ihrem Beitrag psychosoziale Bedeutungen von Erwerbsarbeit, sodass neben der Existenzsicherung und Autonomiebestrebungen bspw. auch Dimensionen von Anerkennung, Selbstverwirklichung und Kompetenzerleben in Auseinandersetzung mit Rassismus deutlich werden. Abgerundet wird der erste Teil mit einem Beitrag von Henriette M. Babl und Jennifer Balk zu „Bildungswesen und die Lehrer/innenbildung in Syrien“.

In Teil II werden mit drei Beiträgen „Qualifizierungsprogramme für geflüchtete Lehrkräfte an verschiedenen Standorten in Deutschland“ (99) dargestellt, die mit drei weiteren Beiträgen in Teil III zu „Qualifizierungsprogramme[n] für Lehrkräfte und Ärzt/innen in Österreich und Schweden“ (139) ergänzt werden. Im Mittelpunkt stehen das Modellprojekt „Refugee Teachers Program“ an der Universität Potsdam (Anna Aleksandra Wojciechowicz und Miriam Vock) mit Ergebnissen der qualitativen Begleitstudie (ebd.) und das Qualifizierungsprogramm „Lehrkräfte Plus“ für geflüchtete Lehrer*innen in Nordrhein-Westfalen. Für Österreich wird ein (Re-)Qualifizierungsprogramm für geflüchtete Lehrer*innen in Wien vorgestellt (Michelle Proyer und Jormad Rasul), während für Schweden zum einen auf evaluative Erfahrungen und Herausforderungen bei der Integration von geflüchteten Lehrer*innen mit dem Modell von Fast-Track Programmen am Beispiel der Malmö Universität (Catarina Economu) und zum anderen das Fast-Track Programm für geflüchtete Ärzt*innen an der Södertörn Universität (Stina Hållsten) diskutiert werden. In Teil IV unter der Überschrift „Vernetzung: Zugang, Konzept, Erfahrungen“ (177) berichtet Ahmet Atasoy vom „Netzwerk Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte als Unterstützungssystem für geflüchtete Lehrkräfte innerhalb der Integrationsarbeit in Nordrhein-Westfalen“ und formuliert unter Berücksichtigung institutioneller Hürden notwendige Handlungsschritte, um einen Zugang für geflüchtete Lehrkräfte in den hiesigen Lehrberuf zu ermöglichen. Im abschließenden Ausblick des Sammelbandes bündeln Miriam Vrock und Anna Aleksandra Wojchiechowicz die Beiträge im Blickwinkel einer „Lehrer/innen-Bildung in der Migrationsgesellschaft“ und formulieren Zukunftsperspektiven. Dabei gehen sie insbesondere auf Projekte für geflüchtete Lehrer*innen und die daraus gewonnenen Erfahrungen ein. Im Mittelpunkt stehen die Notwendigkeit der institutionellen Öffnung für Lehrer*innen mit ausländischen Qualifikationen sowie Qualifikationen und Qualifikationserfordernisse von geflüchteten Lehrkräften. Auch verweisen sie auf das Zusammenwirken von Deutschkenntnissen und Mehrsprachigkeit, sowie auf fluchtbedingte Traumatisierungen und prekäre Lebensverhältnisse. Gleichzeitig stellen sie Überlegungen an, welche Impulse neuzugewanderte Lehrer*innen und Schüler*innen für die Schulentwicklung geben könnten.

Die beiden oben besprochenen Sammelbände gehen auf interdisziplinäre Tagungen zurück. Sie erweitern nationale Perspektiven auf Deutschland durch Beiträge, die sich u.a. auf Schweden, Österreich oder die USA beziehen, sodass internationale Vergleichsmöglichkeiten offeriert werden. Der Fokus auf unterschiedliche Differenzkategorien zeigt sich insbesondere in den dargestellten und theoretisch-empirisch reflektierten Projekten. Gleichwohl findet sich ein Zusammendenken von Differenzverhältnissen sowohl in Zugangs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Hochschule und des Lehrberufs als auch in professionalisierungsrelevanten Voraussetzungen.

In dem Sammelband von Karim Fereidooni und Nina Simon werden demgegenüber erstmalig Beiträge versammelt, in denen für die Lehrer*innenbildung in Deutschland relevante, fachwissenschaftliche und fachdidaktische Zugänge rassismuskritisch dekonstruiert, reflektiert und Entwürfe für eine rassismuskritische Unterrichtsplanung für verschiedene Fächer vorgestellt werden. Der Band mit insgesamt 19 Beiträgen wird von den Herausgeber*innen mit der Analyse zu Zusammenhängen von Rassismus, Rassismuskritik und Fachdidaktiken eröffnet. Dabei werden zunächst Begriffsklärungen zu Rassismus, Kultur und Rassismuskritik vorgenommen und Rassismus im Kontext rassismuskritischer Bildung verortet. Die Fachdidaktik wird als ein elementarer Bestandteil der Lehrer*innenbildung als Kulturwissenschaften elaboriert und die Notwendigkeit eines fundierten rassismustheoretischen Wissens hervorgehoben, mit der zugleich neben erziehungswissenschaftlichen Bezügen die Notwendigkeit rassismuskritischer Fachdidaktik begründet wird. Das Ziel des Sammelbandes beschreiben sie in der Verzahnung von Theorie und Praxis mit Fokus auf rassismusrelevante Themen unterschiedlicher Fachwissenschaften und deren rassismuskritische fachdidaktische Umsetzungsmöglichkeiten. Daher finden sich in allen Beiträgen rassismusrelevante Darstellungen und rassismuskritische Analysen eines spezifischen Sachverhalts des jeweiligen Unterrichtsfaches, sowie Erläuterungen zur fachdidaktischen Transformation des Unterrichtsgegenstands, also auch Vorschläge für eine rassismuskritische Vermittlung.

Mit den einzelnen Beiträgen werden Analysen und Vorschläge für naturwissenschaftliche Unterrichtsfächer, wie Biologie (Ulrich Kattmann) und Physik (Jan Heiko Wohltmann, Oliver Miller, Sonja Veith und Gunnar Friege), das Unterrichtsfach Mathematik (Hauke Morisse) oder sprachliche Fächer, wie Deutsch und Deutsch als Zweitsprache (Magdalena Knappik und Asli Can Ayten), Englisch (Jule Bönkost), Französisch (Tania Mancheno) und Spanisch (Janina Vernal Schmidt) formuliert. Ebenso befassen sich Beiträge mit musisch-künstlerischen Fächern wie Musik (Karim Hassan) und Kunst (Maike Füllenkemper und Marlene Hoffheinz, sowie Nanna Lüth), wie auch mit sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächern, etwa Philosophie (Christian Vasili Schütze), Geographie (Birte Schröder und Inken Carstensen-Egwuom), Religion (Joachim Willems) und den Sozialwissenschaften (Darlene Buxinski, Hendrik Cremer, Madeleine Claire Gorsek, Lisa Schinke und Karoline Schwitalla, sowie Karim Fereidooni, Jan Schedler, Maike Oostenryck, Kira Uhlenbruck und Mario Müller).

Dabei werden bspw. Konstruktionen von ‚Rasse‘ in Englischbüchern ebenso analysiert, wie die Gestaltung des Biologieunterrichts entgegen einer ‚Rassenideologie‘ und ihrer Folgen oder die potentiellen Implikationen eines Kulturrassismus im Musikunterricht. Neben historischen Bezügen zu kolonialgeschichtlichen Repräsentationen im Spanischunterricht finden sich auch unterrichtspraktische Thematisierungsimpulse zum Racial Profiling oder dem NSU-Komplex. In einem als Exkurs platzierten Beitrag von Laura Schlachzig, Lisa Schneider und Franka Metzner wird zudem Flucht rassismuskritisch reflektiert und Impulse im Kontext der Traumapädagogik in der Schule formuliert.

In der Zusammenschau zeigen die drei Sammelbände ein umfassendes Möglichkeitsspektrum der Gestaltbarkeit der Lehrer*innenbildung und Hochschule in Differenzverhältnissen auf, das durch ein inklusives Bildungsverständnis, erziehungs- und fachwissenschaftliche sowie machtkritische Analysen interdisziplinär hergeleitet, konzeptualisiert und diskutiert wird. Dabei wendet sich die Kritik in allen drei Sammelbänden mit den entworfenen Praxismaßnahmen an Schnittstellen der Lehrer*innenbildung nicht nur an die nationale Gesellschaft, Hochschule und Schule, sondern wird empirisch fundiert auch selbstreflexiv eingeholt und auf konstitutive Momente der Widersprüchlichkeit in Differenzverhältnissen aufmerksam gemacht, wie dies in der Reflexion der verwendeten Begriffe und Bezeichnungen deutlich wird. Insofern bieten die Sammelbände Einblicke in bestehende Maßnahmen und mehrdimensionale Praxisentwürfe, sowie wegweisende Impulse für bildungs- und hochschulpolitische Initiativen, ebenso wie für Lehrer*innenbildner*innen und/oder (angehende) Lehrer*innen und Forscher*innen.

Gleichwohl laden sie in der Zusammenschau auch zu weiteren Diskussionen ein, die etwa Schule und ihre Strukturen mit Zuständigkeiten von Lehrer*innen und Zugängen für den Lehrer*innenberuf oder Verständnisweisen von Professionalität und Professionalisierung im Kontext von Differenz- und Machtverhältnissen betreffen und bspw. Ansprüchen einer Technokratisierung des pädagogischen Handelns im Spannungsfeld von Widersprüchlichkeit und Ungewissheit sowie dem Essentialisierungspotential von Differenzkategorien trotz Diskriminierungskritik nachgehen. Letzteres deutet zudem Auseinandersetzungen zur Bearbeitung ausgewählter Differenzkategorien und zu Fragen des Zusammenwirkens von Differenzkategorien an, sodass zukünftig möglicherweise auch die Notwendigkeit kollaborativer Wissensproduktionen zwischen verschiedenen Akteur*innen der Lehrer*innenbildung, Hochschulgestaltung und Forschungslandschaft verstärkt zu diskutieren ist.

[1] Helsper, W. (2002). Lehrerprofessionalität als antinomische Handlungsstruktur. In: Kraul, M.; Marotzki, W. & Schweppe, C. (Hrsg.). Biographie und Profession. (S. 64–102). Verlag Julius Klinkhardt.
Aysun Doğmuş (Hamburg)
Zur Zitierweise der Rezension:
Aysun Doğmuş: Rezension von: Schneider-Reisinger, Robert / Oberlechner, Manfred (Hg.): Diversitätssensible PädagogInnenbildung in Forschung und Praxis, Utopien, Ansprüche und Herausforderungen. Berlin: Verlag Barbara Budrich 2020. In: EWR 21 (2022), Nr. 4 (Veröffentlicht am 11.11.2022), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978384742363.html