EWR 17 (2018), Nr. 3 (Mai/Juni)

Sammelrezension

Brandhofer, Gerhard
Lehr-/Lerntheorien und mediendidaktisches Handeln
Eine Studie zu den digitalen Kompetenzen von Lehrenden an Schulen
Marburg: Tectum 2017
(272 S.; ISBN 978-3-8288-3880-2; 34,95 EUR)
Kampmann, Elisabeth / Schwering, Gregor
Teaching Media
Medientheorie für die Schulpraxis – Grundlagen, Beispiele, Perspektiven
Bielefeld: transcript 2017
(304 S.; ISBN 978-3-8376-3053-4; 24,99 EUR)
Lehr-/Lerntheorien und mediendidaktisches Handeln Teaching Media Die Forderung, in Schulen medienpädagogisch zu handeln und dadurch Medienkompetenz im umfassenden Sinne zu fördern, weist noch immer eine hohe Aktualität auf und wird von Wissenschaft und Bildungspolitik gleichermaßen hervorgebracht – und adressiert damit auch direkt Lehrerinnen und Lehrer. Beklagt wird gleichzeitig jedoch deren mangelnde Aus-, Fort- und Weiterbildung in diesem Themenkomplex.

In diesen Zusammenhang sind die zwei hier betrachteten Publikationen aus dem Jahr 2017 einzuordnen, wenngleich ihnen unterschiedliche Perspektiven zugrunde liegen. Während „Teaching Media“ von Elisabeth Kampmann und Gregor Schwering sich mit medienwissenschaftlichem Hintergrund an Lehrerinnen und Lehrer selbst richtet, befasst sich Gerhard Brandhofer in seiner Dissertation „Lehr-/Lerntheorien und mediendidaktisches Handeln“ mit als notwendig erachteten Kompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern.

Brandhofer fokussiert zum einen mediendidaktisches Handeln und zum anderen betrachtet er dieses bezogen auf digitale Medien. Der Einleitung folgend wird die Arbeit in einem theoretischen Teil zunächst anhand grundlegender Begriffe theoretisch verortet. Das dritte Kapitel widmet sich der Debatte um Kompetenzbegriffe sowie einer allgemeinen Begründung zum geforderten Einsatz digitaler Medien zu Lehr- und Lernzwecken in der Schule, wobei Brandhofer sechs Kernargumente anführt. Die unterschiedliche fachliche bzw. überfachliche Einbindung kontrastiert der Autor aus österreichischer Perspektive vor dem Hintergrund international unterschiedlicher Lösungsansätze. Im vierten Kapitel folgt eine kurze Vorstellung lerntheoretischer Ansätze, wobei neben den klassischen Lerntheorien des Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus auch der neuere Ansatz des Konnektivismus sowie neurodidaktische Modelle eingeschlossen sind. Der Autor plädiert für eine „vermittelnd-pragmatische Position“ (92) und zieht damit grundsätzlich alle lerntheoretischen Ansätze für sein zu entwickelndes Kompetenzmodell heran. Das fünfte Kapitel greift das im dritten Kapitel angerissene Thema der Kompetenzmodelle wieder auf und stellt verschiedene internationale Ansätze vor, welche auf digitale Medien bezogene Kompetenzen von Lehrenden rahmen. Insbesondere das Modell „Technological Pedagogical Content Knowledge (TPCK)“, welches die Dimensionen des inhaltlichen, des didaktischen und des technischen Wissens integriert, leitet den Autor in der weiteren Herangehensweise in Kapitel sechs. Hier differenziert Brandhofer die einzelnen Bereiche in Anlehnung u.a. an das entsprechende österreichische Referenzmodell für Schülerinnen und Schüler weiter aus, was durch ein angefügtes A (TPCK-A) als Weiterentwicklung gekennzeichnet sei (110). Vor dem Hintergrund einschlägiger Studien formuliert der Autor Hypothesen für seine eigene empirische Studie, etwa zum Zusammenhang vom Alter der Lehrerinnen und Lehrer mit deren Anwendungskenntnissen oder deren Bedenken zum Einsatz digitaler Medien. Der empirische Abschnitt umfasst Kapitel sieben, welches zunächst Forschungsdesign, Erhebungs- und Auswertungsmethode vorstellt und den Verlauf der Erhebung dokumentiert. Im Zeitraum von September 2012 bis August 2013 haben beachtlicher Weise über 6000 österreichische Lehrerinnen und Lehrer sowie Lehramtsstudierende an Pädagogischen Hochschulen Österreichs an der in Papier- und elektronischer Form bereitgestellten Befragung teilgenommen. Die Auswertung im Hinblick auf die formulierten Hypothesen erfolgte mittels deskriptiver Verfahren und Korrelationsanalysen, wobei durchweg Tabellen und grafische Darstellungen eingebunden werden. Während die fünf auf Lerntheorien, Anwendungskenntnisse und den Schulstandort bezogenen Hypothesen statistisch bestätigt werden, bestätigen sich zwei Hypothesen zum Einfluss des Alters der Lehrenden auf Anwendungskenntnisse sowie auf Bedenken hinsichtlich der Nutzung digitaler Medien im Unterricht nicht. In einer kurzen Zusammenfassung bezieht Brandhofer seine Ergebnisse knapp auf die eingangs formulierten Forschungsfragen zu den Wechselwirkungen zwischen lerntheoretischen Sichtweisen von Lehrenden und deren Medieneinsatz und Anwendungskenntnissen. Er stellt insbesondere einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Verwendung digitaler Medien und einer konstruktivistischen Sichtweise von Lehrerinnen und Lehrern heraus (191f). Schließlich weist der Autor auf Forschungsdesiderata, etwa zur Rolle des Alters von Lehrenden oder zu qualitativen Herangehensweisen, sowie Kritik am eigenen methodischen Vorgehen hin. Der umfangreiche Anhang umfasst die Kompetenzbereiche des Kompetenzmodells TPCK-A, den Fragenkatalog und Fragebogen sowie Tabellen aus der quantitativen Auswertung.

Mit der Betrachtung von Voraussetzungen auf Seiten der Lehrerinnen und Lehrer für gelingendes mediendidaktisches Handeln legt sich der Autor auf den Kompetenzbegriff fest, an dem in diesem Zusammenhang trotz seiner Unschärfe kaum vorbeizukommen sei und für den die größte Anschlussmöglichkeit bestehe. Den Begriff der digitalen Kompetenzen verwendet Brandhofer hier als Bezeichnung für Kompetenzen „für Lehrende zum Lernen und Lehren mit digitalen Medien und über digitale Medien“ (109). Hiermit wäre jedoch eine nicht nur mediendidaktische sondern auch medienpädagogische Perspektive angesprochen, die der Autor jedoch nicht weiter verfolgt. Ein aus der Medienpädagogik stammender Ansatz ist der der Medienpädagogischen Kompetenz, welcher sich seit der Jahrtausendwende zunehmend etabliert hat und vom Autor nicht erwähnt wird. Auch wenn sich Medienpädagogische Kompetenz nicht nur auf mediendidaktische Aspekte und auch nicht nur auf digitale Medien bezieht, wären hier sicher Anschlüsse möglich gewesen. Brandhofer weist zwar darauf hin, dass Kompetenzmodelle Niveaustufen integrieren, weist diese jedoch nicht aus, sondern bleibt bei der Benennung von inhaltlichen Kategorien. Fraglich ist, inwiefern eine Selbsteinschätzung von Lehrerinnen und Lehrern zu ihren eigenen Fähigkeiten bezüglich konkreter Items als Hinweis auf tatsächliche Kompetenzausprägungen dienen kann – denn als solche fließen die Daten in die Auswertung ein. Brandhofer weist selbst darauf hin, dass gemäß des gewählten Kompetenzbegriffs nicht die Kompetenz selbst, sondern deren Ausprägungen auf Ebene der Performanz empirisch zugänglich sind. Auch wenn eine entsprechende Anlage der Studie forschungsökonomisch kaum realisierbar wäre und die Messbarkeit von Kompetenzen (in dieser theoretischen Begriffsfundierung, die auch dem Begriff der Medienkompetenz im umfassenden Sinne zugrunde liegt) grundsätzlich infrage steht, lässt Brandhofer eine theoriebezogene Reflexion dieses Umstands vermissen.

Für die Debatte dazu, welche Voraussetzungen auf Seiten von Lehrerinnen und Lehrern gegeben sein müssten und welche inhaltliche Bandbreite dabei (trotz der zu berücksichtigenden mediendidaktischen Fokussierung und der Fokussierung auf digitale Medien) von Bedeutung ist, kann das entwickelte Modell TPCK-A im Zusammenhang mit ähnlichen Vorstößen, wie etwa dem der Medienpädagogischen Kompetenz oder dem entwickelten „Orientierungsrahmen für die Entwicklung von Curricula für medienpädagogische Studiengänge und Studienanteile“ der Sektion Medienpädagogik in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) sicher eine Anregung bieten.

Ebenfalls mit den Voraussetzungen für gelingendes medienpädagogisches Handeln mit dem Ziel einer umfassenden Medienkompetenzförderung an Schulen befasst sich „Teaching Media. Medientheorie für die Schulpraxis – Grundlagen, Beispiele, Perspektiven“, welches in diesem Zusammenhang Lehrerinnen und Lehrer bzw. Lehramtsstudierende adressiert und insofern in deren Aus-, Fort- und Weiterbildung einfließen könnte. Kampmann und Schwering bieten aus dezidiert medienwissenschaftlicher Sicht einen Überblick über die historischen Diskurse sowie medientheoretischen Ansätze, welcher durch didaktische Anregungen ergänzt ist und insofern von der Zielgruppe des Buchs gleichzeitig für den eigenen Unterricht herangezogen werden kann. Die ersten drei Kapitel stellen einleitend Ziel, Entstehungshintergrund und theoretische Einbettung des Buches vor. Kernthese ist, dass medienpädagogischem Handeln eine medienwissenschaftliche Perspektive vorzulagern sei, die in der Lehrerbildung bislang fehle (27f). Insofern solle „ein Blick von Seiten der Medienwissenschaft auf pädagogische Fragen“ gelenkt werden. Dabei ist der Ausgangspunkt der Überlegung, dass Medienpädagogik „von Seiten der Pädagogik auf Medien blickt“ (28) jedoch etwas verfehlt, da im (medien)pädagogischen Interesse weniger die Medien selbst als die Menschen stehen. Kapitel vier stellt Hintergründe zu historischen Betrachtungen und speziell der Betrachtung von Medien in historischen Kontexten vor, bevor Kapitel fünf einen Überblick über gesellschaftliche Debatten im Zusammenhang mit Medienentwicklungen bietet. Kampmann und Schwering gelingt es hier, ihre Kernthese der strukturell wiederkehrenden Argumentationsverläufe beim jeweiligen Auftreten neuer medialer Entwicklungen beim Gang durch die Geschichte anschaulich und verständlich aufzuzeigen. Kapitel sechs stellt dann anhand von grundlegenden Werken einzelner Autoren Medientheorien vor, wobei jeweils eine Einbettung, Kernthesen und schließlich Aufgaben zur näheren Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Ansatz eingeschlossen sind. Ebenso gegliedert sind die einzelnen Abschnitte in Kapitel sieben, welches auf einzelne Medien wie Schrift, Fotografie, Bild oder Computer eingeht und zum Teil von zusätzlich angegebenen Autorinnen und Autoren verfasst ist. Hier verwundert, dass dem Abschnitt zu Computer und neuen Medien kein weiterer folgt, der sich mit aktuellen Formen und Phänomenen wie beispielsweise der Digitalisierung als Metaprozess oder speziell körperlichen Bezügen von Medien vom „quantified self“ bis hin zum Transhumanismus befasst. Kapitel acht widmet sich schließlich speziell herausgegriffenen Themen in medienwissenschaftlicher Perspektive (Gender, kulturwissenschaftliche Perspektiven, Medienanthropologie). Das Personenregister informiert vor dem Hintergrund der Zugänge in Kapitel sechs und sieben über zentrale Werke bzw. Autorinnen und Autoren zum Aufbau des Buches, jedoch hätte ein Sachregister den Zugang zusätzlich erleichtert. Als hilfreich erweisen sich die zahlreichen Querverweise zwischen den Kapiteln, die aufgrund ihrer Anlage auch nicht linear gelesen werden können.

In der Zusammenschau wird deutlich, dass Fragen medienpädagogischen Handelns und die diesbezügliche Rolle der Lehrerinnen und Lehrer ganz unterschiedliche Adressaten und Diskursstränge vereinen. Die vorliegenden Werke stehen dafür Pate. Während Brandhofer eine Studie vorlegt, der ein praktisch orientierter Ansatz zur Erfassung mediendidaktisch fokussierter Fähigkeiten im Zusammenhang mit lerntheoretischen Ansätzen zugrunde liegt, adressieren Kampmann und Schwering Lehrerinnen und Lehrer selbst. Zwar ist der Titel des Werks, der einen praxeologischen Zugang vermuten lässt, welcher jedoch nicht verfolgt wird, zunächst irritierend. Wenngleich der Untertitel erklärend hilft, ist die Rede von „Teaching Media“ kaum nachvollziehbar. Vor dem theoretischen Hintergrund einer als umfassend verstandenen Medienkompetenz fällt das Werk in die Dimension der Medienkunde und liefert damit zum einen Hintergrundwissen für (angehende) Lehrerinnen und Lehrer und regt zum anderen auf Metaebene zum Nachdenken über gesellschaftliche Veränderungen im Zusammenhang mit medientechnischen Entwicklungen an. Es ist anschaulich und unterhaltsam geschrieben und insofern nicht nur für (angehende) Lehrende, sondern auch für insgesamt an gesellschaftlichen Prozessen und dem Zeitgeist Interessierte empfehlenswert. Es kann in der zum Teil erhitzt und populärwissenschaftlich geführten öffentlichen Debatte zu aktuellen Medienentwicklungen und pädagogischen Schlussfolgerungen auch Fachfremden Orientierung bieten.
Christine Dallmann (Dresden)
Zur Zitierweise der Rezension:
Christine Dallmann: Rezension von: Brandhofer, Gerhard: Lehr-/Lerntheorien und mediendidaktisches Handeln, Eine Studie zu den digitalen Kompetenzen von Lehrenden an Schulen. Marburg: Tectum 2017. In: EWR 17 (2018), Nr. 3 (Veröffentlicht am 06.07.2018), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978382883880.html