EWR 16 (2017), Nr. 6 (November/Dezember)

Sascha Ziegelbauer / Michaela GlÀser-Zikuda
Portfolio als Innovation in Schule, Hochschule und LehrerInnenbildung
Perspektiven aus Praxis, Forschung und Lehre
Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt 2016
(299 Seiten; ISBN 978-3-7815-2129-2; 19,90 EUR)
Portfolio als Innovation in Schule, Hochschule und LehrerInnenbildung Dem Portfolio wird in Schule, Hochschule und LehrerInnenbildung ein hohes Innovationspotenzial zugeschrieben, wenngleich den damit verbundenen damit verbindenden Erwartungen ein Mangel an empirischer Evidenz [1] sowie theoretischer Fundierung des Instruments gegenĂŒbersteht. Der von Sascha Ziegelbauer und Michaela GlĂ€ser-Zikuda herausgegebene Sammelband thematisiert das Instrument ‚Portfolio‘ aus methodisch-konzeptioneller sowie empirischer Perspektive.

Die 21 BeitrĂ€ge des Bandes gliedern sich in einen einleitenden Teil sowie in fĂŒnf thematische Abschnitte. Im ersten Abschnitt beleuchten fĂŒnf BeitrĂ€ge die Grundlagen des Portfolioansatzes. Im zweiten Abschnitt widmen sich drei BeitrĂ€ge dem Portfolio in Schule und Unterricht. Der dritte Abschnitt umfasst sechs BeitrĂ€ge, die sich mit dem Einsatz des Instruments in den verschiedenen Phasen der Lehrerbildung beschĂ€ftigen. Im vierten Abschnitt finden sich vier BeitrĂ€ge zur Hochschuldidaktik und im fĂŒnften Abschnitt wird in zwei nach Einsatzbereichen des Portfolios gegliederten BeitrĂ€gen eine Zusammenschau der vorangegangenen BeitrĂ€ge vorgenommen.

Im ersten Abschnitt, der sich den Grundlagen des Portfolio-Ansatzes widmet, erlĂ€utern Doris Ittner und Tina Hascher die Bedeutung von Feedback im Zusammenhang mit der Prozesshaftigkeit von Portfolios im Kontext der Hochschule. Anschließend verortet Felix Winter das Portfolio in Bezug einer verĂ€nderten Kultur der Leistungsmessung im schulischen Kontext. ZusammenhĂ€nge zwischen Portfolioarbeit und ReflexivitĂ€tssteigerung zeigt Tobias Leonhard auf und problematisiert das VerhĂ€ltnis zwischen ‚echten‘ Reflexionen im Portfolio und Leistungsmessung. Peter Baumgartner, Andrea Ghoneim und Birgit Wolf beschreiben unterschiedliche Formen von elektronischen Portfolios und sehen in diesen ein Potenzial fĂŒr langfristig angelegte Lernprozesse. AnknĂŒpfend an Erkenntnisse der Transferforschung zeigt Sascha Ziegelbauer Aspekte zu den Bedingungen erfolgreicher Implementationen von Portfolios in unterschiedlichen Kontexten.

Im Abschnitt „Portfolio in Schule und Unterricht“ stellt Elfriede Schmidinger die Bedeutung des Portfolios im Rahmen von Prozessen der Schul- und Unterrichtsentwicklung dar und beschreibt dieses im Sinne einer institutionellen Selbstreflexion sowohl als Steuerungs- als auch als Dokumentationsinstrument. Gerda Hagenauer, Susi Klaß und Michaela GlĂ€ser-Zikuda stellen in ihrem Beitrag den Einsatz von Portfolios im Physikunterricht heraus: Es besteht ein empirischer Zusammenhang zwischen einer langfristigen Stabilisierung des emotionalen Erlebens einerseits und sich durch Portfolioarbeit vollziehender Steigerung der Selbstwirksamkeit andererseits. Das Portfolio als zentrales Element des individualisierten und selbstorganisierten Unterrichts an einer Jenaplan-Schule wird durch Frank Ahrens, Dieter Elsner, Sylvia Hoke, Jaqueline Zeuner, Mike Bruhn, Helke FelgentrĂ€ger und Susanne Hager beschrieben.

Der dritte Abschnitt beschĂ€ftigt sich mit dem Portfolio in verschiedenen Phasen der Lehrerbildung. Die Befunde einer an der UniversitĂ€t zu Köln durchgefĂŒhrten Interviewstudie, in der die dem Portfolio durch die Studierenden beigemessenen Potenziale untersucht wurden, berichten Michaela Hartmann und Petra Herzmann. Sascha Ziegelbauer stellt die Ergebnisse einer Fragebogenstudie sowie einer qualitativen Einzelfallstudie vor, die sich der Frage widmet, welchen Nutzen Studierende dem Portfolio zuschreiben. Im Beitrag von Christine Ziegelbauer und Michaela GlĂ€ser-Zikuda werden die Befunde einer qualitativen Vorstudie zur studentischen Sichtweise auf Portfolios thematisiert. Martina Geigle, Sibylle JĂ€ger und Mirelle Schied zeigen in ihrem Beitrag das Potenzial des Portfolios als Begleitinstrument der schulpraktischen Studien an der PĂ€dagogischen Hochschule SchwĂ€bisch GmĂŒnd anhand konzeptioneller Betrachtungen sowie den Befunden einer begleitenden Interviewstudie auf. Das Konzept des begleitenden Ausbildungsportfolios im Rahmen des Vorbereitungsdienstes am Studienseminar Gera stellen Heike Scheika, BĂ€rbel Falke und Kerstin Herrmann vor. Andrea Jantowski und Susann Ebert skizzieren den Einsatz von Portfolios in der Fortbildung von LehrkrĂ€ften in ThĂŒringen und deren Potenziale fĂŒr die persönliche Qualifizierung sowie fĂŒr die Qualifizierungsplanung von Schulen in Hinblick auf die dort tĂ€tigen LehrkrĂ€fte.

Im vierten Abschnitt, der sich mit dem Portfolio in der Hochschuldidaktik beschĂ€ftigt, stellt Gerd BrĂ€uer Gelingensbedingungen der Portfolioarbeit dar und leitet daraus hochschuldidaktische Konsequenzen ab. Peter Braun beleuchtet die Arbeit von akademischen Schreibzentren im Kontext von Portfolioarbeit anhand des Praxisbeispiels des Schreibzentrums der UniversitĂ€t Jena und fokussiert die Förderung und Reflexion von Schreibkompetenz. Die Bedeutung von Portfolios fĂŒr akademische Professionalisierungsprozesse zeigen Marianne Merkt und Ivo van den Berk anhand zweier Portfoliokonzepte auf. Jan Fendler beschreibt den Einsatz und die Bedeutung von Lehrportfolios in Hinblick auf den Erwerb sowie die Dokumentation von Lehrkompetenz.

Der fĂŒnfte Abschnitt stellt eine Zusammenschau der vorangestellten BeitrĂ€ge dar. Barbara Koch-Priewe und Jan Christoph StörtlĂ€nder nehmen in ihrem Beitrag die vorangegangenen BeitrĂ€ge aus den Einsatzbereichen des Portfolios in der Schule und in der ersten und zweiten Phase der Lehrerbildung auf und bringen diese durch Gemeinsamkeiten sowie Kontrastierungen in einen Gesamtzusammenhang. Daraus leiten sie Bereiche ab, in denen weitergehende Betrachtungen notwendig erscheinen, und problematisieren die Innovation ‚Portfolio‘ im Sinne einer Top-down-Steuerung durch bildungspolitische Entscheidungen. Niclas Schaper fasst die vier BeitrĂ€ge zur hochschuldidaktischen Perspektive von Portfolioarbeit zusammen und leitet daraus weitere BeschĂ€ftigungsfelder ab.

Der Sammelband liefert einen breit angelegten Überblick ĂŒber unterschiedliche Einsatzbereiche der Portfolioarbeit. Es finden sich sowohl konzeptionelle BeitrĂ€ge, die exemplarisch den Einsatz von Portfolios darstellen, als auch theoretische BeitrĂ€ge, die sich mit dem Instrument ‚Portfolio‘ und dessen spezifischem Potenzial beschĂ€ftigen, sowie qualitative und quantitative empirische BeitrĂ€ge, die sich vor allem mit Fragen der Akzeptanz des Portfolios sowie den Gelingensbedingungen der Implementation beschĂ€ftigen.

Insgesamt ist der Band informativ und in seiner Gliederung nachvollziehbar strukturiert. Die einzelnen BeitrĂ€ge stellen den jeweiligen theoretischen Hintergrund konzise dar und bieten einen guten Einblick in die Thematik. Durch sich ĂŒberschneidende Inhalte zwischen den BeitrĂ€gen kommt es teilweise zu Redundanzen. Kritisch anzumerken ist, dass die BeitrĂ€ge im ersten Abschnitt, welche die GrundsĂ€tze des Portfolio-Ansatzes darstellen sollen, selbst nicht losgelöst von einem spezifischen Einsatzbereich sind, sondern vielmehr auch im Zusammenhang der in den weiteren Abschnitten skizzierten Aspekte verortet werden könnten. Eine theoretische Fundierung des Instruments ‚Portfolio‘, die in dieser Grundanlage potenziell intendiert ist, scheint wĂŒnschenswert. Die theoretische Fundierung kann allerdings kaum außerhalb des spezifischen Einsatzbereiches erfolgen. Die zunehmende Ausdifferenzierung der Betrachtungen im Hinblick auf einzelne Einsatzbereiche des Portfolios zeichnet sich im Diskurs insgesamt ab und kennzeichnet die zunehmende theoretische und empirische Fundierung des Instruments.

Äußerst erfreulich ist die Zusammenschau der einzelnen BeitrĂ€ge, die dazu dient, grĂ¶ĂŸere Linien des Instruments sowie Desiderate aufzuzeigen. Die gemeinsame Betrachtung des schulischen sowie lehrerbildungsbezogenen Einsatzes erscheint im Hinblick auf die zuvor angelegte Unterscheidung nur bedingt schlĂŒssig. WĂŒnschenswert wĂ€re in diesem Zusammenhang eine Verortung der Portfolioarbeit in jeweils ĂŒbergeordnete Konzepte des Kompetenzerwerbs im schulischen Kontext bzw. der Professionalisierung im Kontext von Hochschule und Lehrerbildung. Der Band gibt einen detaillierten Einblick in die Potenziale des Instruments ‚Portfolio‘ und zeigt in einigen BeitrĂ€gen zugleich dessen Grenzen auf.

[1] Hofmann, F.; Wolf, N.; Klaß, S.; GrassmĂ©, I.; GlĂ€ser-Zikuda, M.: Portfolios in der Lehrerinnenbildung. Ein aktueller Überblick zur empirischen Befundlage. In M. Boos / A. KrĂ€mer / M. Kricke (Hrsg.): Portfolioarbeit phasenĂŒbergreifend gestalten. Konzepte, Ideen und Anregungen aus der LehrerInnenbildung. MĂŒnster, New York: Waxmann 2016, 23-39.
Lina Feder (TĂŒbingen)
Zur Zitierweise der Rezension:
Lina Feder: Rezension von: Ziegelbauer, Sascha / GlĂ€ser-Zikuda, Michaela: Portfolio als Innovation in Schule, Hochschule und LehrerInnenbildung, Perspektiven aus Praxis, Forschung und Lehre. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt 2016. In: EWR 16 (2017), Nr. 6 (Veröffentlicht am 07.12.2017), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978378152129.html