EWR 12 (2013), Nr. 4 (Juli/August)

Martin Rothland (Hrsg.)
Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf
Modelle, Befunde, Interventionen
2. überarbeitete Auflage
Wiesbaden: Springer VS 2013
(286 S.; ISBN 978-3-5311-8246-9; 24,95 EUR)
Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf Wie der Herausgeber Martin Rothland im einführenden Kapitel eindrucksvoll aufzeigt, stellt die Thematik der Belastung und Beanspruchung seit Erscheinen der ersten Ausgabe im Jahr 2007 nach wie vor einen Schwerpunkt in der Forschung zum Lehrerberuf dar. Damit ist bereits die Relevanz der Publikation allgemein umrissen. Das Spezifikum ist jedoch die Konzeption eines Lehrbuches, das zum Ziel hat, Studierenden der Lehrämter, aber auch Fachwissenschaftlern eine Einführung zu geben und somit einen Überblick über die Thematik zu ermöglichen. Um diesem Bestreben gerecht zu werden, gibt es – verglichen mit der ersten Ausgabe – einige konzeptionelle Veränderungen. So sind den einzelnen Kapiteln überblicksartige Zusammenfassungen vorangestellt („Was Sie in diesem Kapitel erwartet“), werden Definitionen wichtiger bzw. wesentlicher Begriffe für das Verständnis des Kapitels herausgehoben, geben Infokästen komprimiert Auskunft zu Befunden und Grundlagen und werden am Ende des Kapitels Empfehlungen zur Vertiefung gegeben. Gegliedert ist der Band weiterhin in zwei Hauptbereiche: Nach einführenden Betrachtungen zu grundsätzlichen Charakteristika des Lehrerberufes werden unterschiedliche Theorien, Modelle und Konzepte erläutert und mit gegenwärtigen Diskussionen konfrontiert. Zudem werden aktuelle bzw. aktualisierte Forschungsbefunde berichtet, die eine Fundierung des Beschriebenen ermöglichen. Im zweiten Teil stehen Betrachtungen im Vordergrund, die aufzeigen, wie Lehrerinnen und Lehrer mit Belastungen umgehen und welche Möglichkeiten sich ergeben, überbordende Beanspruchung zu minimieren bzw. die Akteure zu befähigen, diese selbst zu regulieren.

Wie bereits angedeutet, wird im einführenden Kapitel die Relevanz der Thematik anhand der Publikationshäufigkeit verdeutlicht und ihre Verortung in der empirischen Forschung zum Lehrerberuf vorgenommen. Dabei zeigt sich, dass sich die Forschungsbemühungen der letzten Jahre vor allem auf Modellierungen und empirische Erfassung der professionellen Handlungskompetenz konzentrieren. Für die Betrachtungen zu Belastungen und Beanspruchungen im Lehrerberuf, aber auch zu deren Bewältigung und Prävention, werden hier vor allem die Kompetenzen zur Selbstregulation als Erfolg versprechende Ansätze diskutiert. Im Anschluss zeigt der Herausgeber auf, welche Belastungsmomente sich im Berufsfeld von Lehrerinnen und Lehrern ergeben (können) und erläutert die entsprechenden Hintergründe. Es werden dabei die allgemeinen Charakteristika des Lehrerberufs ebenso wie die (hohen) Erwartungen und Ansprüche der Gesellschaft diskutiert und die sich daraus ergebenden Rollenkonflikte und Antinomien des Lehrerhandelns herausgearbeitet. Dem schließt sich eine kritische Betrachtung des Lehrerbildes in der Öffentlichkeit an, so dass für die weitere Rezeption des Lehrbuches verdeutlicht wird, dass ein vergleichsweise großes Spektrum an berufsspezifischen und potentiell negativen Belastungen vorhanden ist.

Das Kapitel von Rolf van Dick und Sebastian Stegmann beschäftigt sich mit arbeitspsychologischen Beschreibungen des Lehrerberufes und ordnet Ansätze wie das Belastungs-Beanspruchungsmodell, das transaktionale Stressmodell, das Job-Characteristics-Modell und das Handlungsregulationsmodell als Analysemöglichkeiten der Arbeitsbedingungen von Lehrerinnen und Lehrern ein.

Einen weiteren, vertiefenden Einstieg in die Lehrerbelastungs- und -gesundheitsforschung ermöglichen im nachfolgenden Kapitel Andreas Krause et al.: Zum einen erstellen sie eine Übersicht zu Paradigmen und Argumentationsmustern hinsichtlich der Arbeitssituation von Lehrkräften. Zum anderen werden mit Hilfe eines Rasters Fragestellungen und Ergebnisse der Lehrerbelastungsforschung systematisiert, so dass eine Art „Minihandbuch“ entsteht.

Das fünfte Kapitel von Uwe Schaarschmidt und Ulf Kieschke hat die vergleichsweise bekannte Potsdamer Lehrerstudie zum Thema. Es wird dabei auf die Konzeption und die Erhebungsinstrumente (insbesondere AVEM) eingegangen und die Kritik am personenbezogenen Untersuchungsansatz diskutiert. Zudem werden die Beanspruchungsmuster erläutert. Ausgewählte Ergebnisse bilden die Grundlage für Schlussfolgerungen zu Veränderungen, die im Stande sind, die Gesundheitsrisiken zu mindern.

Das Ziel, die Belastungen im Lehrerberuf zu erheben und damit Ansatzmöglichkeiten zu identifizieren, wie diese gesenkt werden können, verfolgt in einem weiteren Beitrag auch die Forschungsgruppe um Andreas Krause. Sie beschäftigt sich mit der Messung psychischer Belastungen im Unterricht mittels Beobachtungsinterviews bzw. videografischer Analysen. Dabei wird angenommen, dass Regulationshindernisse (wie z.B. Unterrichtsstörungen) die Zielerreichung erschweren und Regulationsüberforderungen (z.B. hoher Lärmpegel) Fehlbelastungen erzeugen.

Die aktuelle Debatte aufgreifend, diskutiert Nadia Sosnowsky-Waschek den Begriff des Burnout. Dieser wird zwar nicht nur im Zusammenhang mit Belastungen bzw. Überlastung im Lehrerberuf, sondern im Berufsleben allgemein betrachtet. Jedoch zeigen sich für den Lehrerberuf besonders hohe Prävalenzraten, welche wiederum einer kritischen gesellschaftlichen Betrachtung unterworfen sind. Die Autorin plädiert für eine Versachlichung der Debatte und bietet der Konzeption dieses Lehrbuchs gemäß einen Überblick über die Genese des Begriffs, die Erhebungsmethoden und die Klassifizierungsproblematik an.

Im sich anschließenden Kapitel werden von Andreas Hillert verschiedene seelische Störungsbilder vorgestellt und speziell auf den Lehrerberuf reflektiert. Auch werden erste Ausblicke auf Präventionsmöglichkeiten gegeben und es wird für den offenen Umgang mit psychischen Problemen plädiert.

Mit den Problematiken der Inneren Kündigung und Frühpensionierung beschäftigt sich der Beitrag von Edgar Schmitz und Peter Jehle. Der zu konstatierende motivationale Rückzug wird theoretisch umrissen, mit empirischen Daten illustriert und u.a. mit der Verletzung der Reziprozitätsnorm und der Reaktion auf Kontrollverlust begründet. Im zweiten Teil des Beitrags geht es um Dienstunfähigkeit und Frühpensionierung. Auch hier wird anhand empirischen Materials die Verbreitung veranschaulicht. Mit Blick auf die zugrunde liegenden Krankheiten wird aufgezeigt, welches Ursachengefüge vorliegt.

Dass Zufriedenheit im Lehrerberuf per se kein Paradoxon ist, kann Axel Gehrmann in seinem Beitrag aufzeigen. Anhand zahlreicher empirischer Belege zieht er eine weniger düstere Bilanz, als landläufig kolportiert wird, auch wenn bestimmte Risikokonstellationen nicht zu leugnen sind. Diese rühren aber eher aus falscher Rekrutierung denn aus den Anforderungen des Lehrerberufs an sich, so sein Fazit.

Im zweiten Teil des Bandes werden Aspekte der Bewältigung und Prävention von Belastungen in den Mittelpunkt gestellt. Eröffnet wird dieser Teil mit einem Beitrag zu der Frage: „Wie gehen Lehrkräfte mit Belastungen um?“ von Marcus Eckert et al. Allgemeine Theorieansätze und zentrale Begriffe werden hier auf den Arbeitsplatz Schule reflektiert. Im Anschluss wird aufgezeigt, welche Strategien möglich, aber vor allem auch, welche hilfreich sind, und welche Möglichkeiten es gibt, diese zu erlernen.

Den neuralgischen Punkt der Arbeitszeit bzw. ihre Verteilung greifen im Kapitel 12 Cosima Dorsemagen et al. auf. Sie erläutern Möglichkeiten der Erhebung, berichten Forschungsergebnisse und leiten daraus ab, welche Möglichkeiten der Veränderung bestehen bzw. sinnvoll erscheinen.

Der sozialen Unterstützung wird in der Bewältigung von belastenden Situationen allgemein eine hohe Bedeutung beigemessen. Somit ist wenig verwunderlich, dass Martin Rothland in einem weiteren Beitrag diesem Schutzfaktor auch für den Lehrerberuf eine wichtige Funktion beimisst, auch wenn an Schulen diesbezüglich spezielle Bedingungen herrschen, die die Aktivierung dieser Ressource nicht immer vereinfachen.

Abgerundet wird dieser Teil des Lehrbuches mit der Vorstellung von zwei Trainingsprogrammen (AGIL von Dirk Lehr et al. und ZRM von Maja Storch et al.) zur Verbesserung der Stressbewältigung bzw. Emotionsregulation.

Ingesamt betrachtet, bietet dieses Lehrbuch einen anspruchsvollen und vielschichtigen Einblick in eine komplexe Thematik und zudem einen guten Ausgangspunkt für weitere Recherchen. Daher ist es nicht nur Studierenden zu empfehlen, sondern auch anderen Personengruppen, die an Lehrer(weiter)bildung beteiligt sind. Zudem wird durch die im Vergleich zur ersten Ausgabe deutlich verbesserte und konsequente Umsetzung des didaktischen Konzeptes die Erschließung auch von peripheren Themen erleichtert.
Lars Oertel (Dresden)
Zur Zitierweise der Rezension:
Lars Oertel: Rezension von: Rothland, Martin (Hg.): Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf, Modelle, Befunde, Interventionen. Wiesbaden: Springer VS 2. ü. In: EWR 12 (2013), Nr. 4 (Veröffentlicht am 24.07.2013), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978353118246.html