Das hier zu besprechende Lehrbuch soll Lehrende an Hochschulen dabei unterstützen, ein individuelles Lehrprofil zu entwickeln. Es will dafür handlungstheoretische Grundlagen vermitteln, ohne einerseits Patentrezepte liefern zu wollen, ohne „ausufernden Theorieteil“ (hinterer Klappentext) andererseits. Auf die theoretischen Bezugspunkte soll der Nutzer des Buchs anhand der umfangreichen Literaturliste (239–247) schließen. Neben diesen theoretischen Bezügen verweisen die Autor/-innen auf ihre praktische Erfahrung, die in das Buch eingegangen sei. Soweit das im Vorwort des Buches vorgestellte Ansinnen der Autor/-innen. Der daran anschließende Prolog nutzt die Metapher des Ballspiels und deutet dieses für die Hochschullehre aus: Lehren und Lernen ist wechselseitig wie das Ballspiel, besteht aus der dialektischen Spannung „zwischen Sieg und Niederlage“ (12) und ist eine „dynamische, nicht determinierte, offene und unvorhersehbare“ (13) Angelegenheit.
Das Lehrbuch gliedert sich in drei Teile. Teil I ist den Grundlagen gewidmet; hier wird der Handlungsbegriff als individuelles Handeln, gemeinsames Handeln und didaktisches Handeln ausgeleuchtet. Teil II greift das didaktische Handeln auf und führt aus, wie dieses strategisch gestaltet werden kann. Im dritten Teil erfolgt dann die methodische Konkretion didaktischen Handelns; dieser Teil besteht im Wesentlichen aus der bereits bekannten Methodensammlung der Arbeitsgemeinschaft Hochschuldidaktische Weiterbildung [1], an deren Entwicklung und Erprobung 33 weitere Personen (vgl. 151) beteiligt waren.
Teil I behandelt den Schlüsselbegriff „Handeln“ aus dreifacher Perspektive: Das Zusammenspiel der Akteure (Lehrende und Lernende) besteht aus individuellem, aus gemeinsamem und aus didaktischem Handeln. Das individuelle Handeln ist geprägt von Subjektivität, Intentionalität, es ist begründet und reflektiert, es impliziert Tun und Erleben. Dabei ist das, was als Handeln sichtbar wird, nur die „Spitze eines Eisbergs“ (22), der unterlagert ist von vielfältigen Erfahrungen, Einstellungen und Intentionen. Bezieht man nun dieses individuelle Handeln auf die Leitmetapher des Buches, „Den Ball des Wissens spielen“, dann kommen zwangsläufig zwei weitere Schlüsselbegriffe hinzu: Information und Wissen. Information und Handeln bedingen sich wechselseitig, und Wissen ist die „dauerhaft verfügbare Form“ (37) der Information. Wissen ist Grundlage und Folge des Handelns und basiert auf subjektiver Konstruktion, die immer wieder sozial validiert werden muss, weshalb sich die Autor/-innen nun dem gemeinsamen Handeln zuwenden. Dieses basiert auf dem wechselseitigen Beobachten individuellen Handelns, dessen Interpretation sowie dem impliziten und expliziten Abgleichen von Selbst- und Fremdbild.
Wesentlicher Bestandteil des gemeinsamen Handelns ist die Kommunikation, die auf der Basis des Modells von Schultz von Thun behandelt wird. Die dritte Form des Handelns, die uns das Buch vorstellt, ist das didaktische Handeln im Sinne von „sich im gemeinsamen Handeln verändern“ (54). Als Handlungsziele fungieren hier die Lehr- und Lernziele; die Lehrenden vermitteln zwischen dem Fachwissen und den Lernenden.
Die strategische Gestaltung didaktischen Handelns (Teil II) basiert auf sieben Bausteinen: geklärtes Selbstverständnis, förderliches Klima, vertrauensvoller Umgang, konstruktive Rückmeldung, Zielorientierung, strukturierter Ablauf und Lenken durch Fragen und Impulse. Nachdem diese Bausteine mehr (Rückmeldung und Ziele) oder weniger ausführlich behandelt worden sind, stellen die Autor/-innen drei Leitfäden bereit, die jeweils aus sieben Schritten bestehen (Vorgeschichte, Vorbereitung, Situation unmittelbar davor, Handeln, Situation unmittelbar danach, Nachbereitung, Nachgeschichte). Der erste Leitfaden widmet sich dem Lehren, bei dem sich Novizen und Experten handelnd begegnen. Er setzt an der Vorgeschichte, d.h. den Vorerfahrungen mit Lehre, an, führt über Vorbereitung zur Durchführung einer Lehrveranstaltung und mündet in der Nachbereitung und Nachgeschichte, die wiederum die Vorgeschichte der folgenden Lehrveranstaltung bildet.
Der zweite Leitfaden behandelt das Vortragen, das die Autor/-innen auch als „Interaktiv-kommunikative Handlungssituation“ (107) fassen. Auch zu diesem Thema werden wieder die sieben Phasen durchmessen, wobei der Durchführung des Vortrags lediglich neun Zeilen gewidmet sind, deren Quintessenz es ist aufzuzeigen, dass viele Vorsätze der Aufregung bzw. bestehenden Routinen anheimfallen. Zu dieser Form didaktischen Handelns stellt das Lehrbuch zwei Beobachtungsbögen für eine Videorückmeldung zur Verfügung. Mit dem Prüfen, das sich durch spürbarere(n) Macht und Wettbewerb von den beiden letztgenannten abgrenzen lässt, setzt sich der dritte Leitfaden auseinander. Hier verwenden die Autor/-innen sehr viel Aufmerksamkeit auf die Vorgeschichte (126–133), der sie Überlegungen zur Funktion von Prüfungen, zum Zusammenhang von Prüfen und Lehren sowie zu den Bezugssystemen für die Bewertung zuordnen. Unter „Situation unmittelbar nach dem Prüfen“ werden typische Beobachtungsfehler (Primacy-, Recency-, Halo-Effekt u.a.) präsentiert.
Der dritte Teil des Lehrbuchs besteht aus der 1998 erstmals publizierten und in der hochschuldidaktischen Weiterbildung ebenso bekannten wie beliebten Methodensammlung, deren Methodenblätter zusätzlich auch auf der dem Buch beigefügten CD-Rom enthalten sind. Diese versammelt 38 Methoden, die den Artikulationsphasen Einstieg, Arbeitsphase und Abschluss zugeordnet werden. Die Methoden werden auf zwei- bis dreiseitigen Methodenblättern sehr übersichtlich mit einer Kurzbeschreibung, dem Vorgehen, der didaktischen Funktion, den Lernzielen, Einsatzmöglichkeiten, Handlungsvoraussetzungen, Hinweisen für Lehrende, Varianten, methodischen Alternativen und Kombinationsmöglichkeiten beschrieben.
Innovativ und weiterführend an diesem Band ist der Zugang zur didaktischen Lehre über den Handlungsbegriff, der neue Perspektiven, Erklärungsansätze und Gestaltungshinweise auf und für Hochschullehre mit sich bringt. Diesem ersten Teil des Buches ist ein solider theoretischer Unterbau ebenso anzumerken wie die reflektierte praktische Expertise im Handlungsfeld. Hier mündet jedes Kapitel in fünf bis sieben Leitfragen, die den Nutzer zur Reflexion seines individuellen, gemeinsamen und didaktischen Handelns anregen sollen. So sinnvoll diese Einrichtung ist, lässt es sich doch streiten, ob der Begriff „Coaching-Box“ dafür der treffende Ausdruck ist.
Im zweiten Teil überzeugt das genaue Ausdifferenzieren der sieben Phasen, in die jeder Leitfaden gegliedert ist: Es ist richtig und sinnvoll, im Vorfeld des Handelns zwischen Vorgeschichte, Vorbereitung und die Situation unmittelbar vor dem „Auftritt“ zu unterscheiden, ebenso nach dem Handeln. Was nicht in jedem Fall zu überzeugen vermag, sind die Zuordnungen von Inhalten zu diesen Phasen und der Beschreibungsumfang der einzelnen Schritte gemessen an ihrer jeweiligen Bedeutung (vgl. die Beispiele oben). Die in der hochschuldidaktischen Community bereits eingeführte Methodensammlung, die hier als Teil III dieses Lehrbuchs neu aufgelegt wird, wird gemeinhin sehr geschätzt. Hier sind der strukturierte Aufbau und die übersichtliche Gestaltung positiv zu würdigen. Zu fragen ist, ob die Einteilung in zehn Unterpunkte für eine Stichwortsammlung von zwei bis drei Seiten nicht zu differenziert ist. Bei aller Beachtung, die diese Methodensammlung erfährt, bleibt doch die Frage offen, was gerade diese Methoden zu spezifisch hochschuldidaktischen macht: Sie stammen aus der Schulpädagogik, Erwachsenenbildung und beruflichen Weiterbildung, doch ist eine passgenaue Adaption auf die Besonderheiten akademischen Lehrens und Lernens nicht erkennbar. Zumindest manche Methoden-Namen wären für Anlass, Kontext und Zielgruppe anpassungsbedürftig, wie z.B. „Koffer packen“ oder „Glückstopf“.
Insgesamt ist der Band eine Bereicherung der aktuellen hochschuldidaktischen Literatur, überaus kenntnisreich und lesenswert. Auch wenn an manchen Stellen hinlänglich Bekanntes vorgestellt wird (Kommunikationsmodell von Schultz von Thun, Beobachtungsfehler) überwiegen Innovation und Inspiration: Es ist geradezu erfrischend, hier nicht ständig auf die „üblichen Verdächtigen“ unter den pädagogischen Begriffen und Ansätzen zu treffen. Deshalb ist eine breite Rezeption des Buches wünschenswert – nicht zuletzt, um die Frage weiter zu verfolgen, was das Spezifische des Lehrens und Lernens an Hochschulen ist, wo es sich von „Erwachsenenbildung, Weiterbildung, Lehrerausbildung oder Sekundarstufe II der höheren Schulen“ (9), deren Dozenten die Autor/-innen als erweiterte Zielgruppe des Lehrbuchs nennen, unterscheidet und was didaktisch daraus folgt.
[1] Arbeitsgemeinschaft Hochschuldidaktische Weiterbildung der Albert-Ludwig-Universität Freiburg i. Br. (2000): Besser lehren. Praxisorientierte Anregungen und Hilfen für Lehrende an Hochschulen und Weiterbildung. Heft 2: Methodensammlung. Weinheim: Beltz / Deutscher Studien-Verlag (2., überarbeitete und erweiterte Auflage).
EWR 7 (2008), Nr. 5 (September/Oktober)
Hochschuldidaktik
Lehren, vortragen, prüfen
Mit Methodensammlung "Besser lehren" auf CD-Rom
Mit Methodensammlung "Besser lehren" auf CD-Rom
Weinheim/Basel: Beltz 2008
(247 S.; ISBN 978-3-407-25480-1; 39,90 EUR)
Karin Reiber (Esslingen)
Zur Zitierweise der Rezension:
Karin Reiber: Rezension von: Macke, Gerd / Hanke, Ulrike / Viehmann, Pauline: Hochschuldidaktik, Lehren, vortragen, prüfen Mit Methodensammlung "Besser lehren" auf CD-Rom. Weinheim/Basel: Beltz 2008. In: EWR 7 (2008), Nr. 5 (Veröffentlicht am 09.10.2008), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978340725480.html
Karin Reiber: Rezension von: Macke, Gerd / Hanke, Ulrike / Viehmann, Pauline: Hochschuldidaktik, Lehren, vortragen, prüfen Mit Methodensammlung "Besser lehren" auf CD-Rom. Weinheim/Basel: Beltz 2008. In: EWR 7 (2008), Nr. 5 (Veröffentlicht am 09.10.2008), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978340725480.html