EWR 2 (2003), Nr. 3 (Mai/Juni 2003)

Sibylle Peters (Hrsg.)
Lernen und Weiterbildung als permanente Personalentwicklung
München/Mehring: Rainer Hampp Verlag 2002
(216 Seiten; ISBN 3-87988-716-0; 22,80 EUR)
Lernen und Weiterbildung als permanente Personalentwicklung Gemeinsamer Bezugspunkt aller zwölf Beiträge in dem von Sibylle Peters herausgegebenen Sammelband ist die Entwicklung zur Wissensgesellschaft in Verbindung mit Veränderungen in der Arbeitswelt und einer damit einhergehenden Neuorientierung von beruflicher bzw. betrieblicher Bildungsarbeit.

Im Eröffnungsbeitrag geben Peters, Wahlstab und Dengler eine thematische Einführung in den Kontext des Buches: Den Ausgangpunkt bestimmen sie in der "Wissensgesellschaft", die dazu beitrage, dass die beiden, die Weiterbildung bestimmenden Codes (sozialer Code und ökonomischer Code), näher aneinander heran rücken. Weiterbildung wird hierbei als intermediäre Instanz verstanden, die nicht nur die Kopplung beider Codes initiiert, sondern auch auf neue Steuerungsbedürfnisse betrieblicher Realität reagiert. Insgesamt steige durch diese Entwicklungen auch die Bedeutung des Wissens und des Wissensmanagements in den Betrieben (13 und 15). Damit wird der Bogen gespannt für die weiteren Beiträge, die sich alle, wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven kommend, vor diesem Hintergrund verorten lassen.

Drei weitere Beiträge des ersten Kapitels (Osterloh, Wittwer, Baitsch) widmen sich theoretisch-konzeptionellen Vorschlägen, wie eine Neuorientierung von Weiterbildung im Betrieb aussehen könnte bzw. müsste. Alle drei liefern interessante Diskussionsansätze und -perspektiven im Prozess der Neuorientierung betrieblicher Bildungsarbeit, wenngleich zum jetzigen Zeitpunkt noch keiner eine umfassende Neukonzeption darlegen kann. Osterloh tut dies in Hinblick auf die Frage der Motivation und schlägt vor, dem Wissensmanagement ein Motivationsmanagement beiseite zu stellen; Baitsch geht auf die Aspekte der Verknüpfung von Arbeit und Persönlichkeit ein und weist auf die wechselseitige Abhängigkeit von Arbeitsstrukturen und der Entwicklung von kognitiven bzw. persönlichen Kompetenzen hin; Wittwer betont schließlich die Notwenigkeit der Berücksichtigung der individuellen Biographie und Kompetenzentwicklung in der betrieblichen Bildungsarbeit.

Gemeinsam ist diesen drei Beiträgen, dass sie ihren Fokus auf das Individuum richten, das nun, da die Rahmenbedingungen und Strukturen Veränderungen unterworfen sind, einen neuen und wichtigen Stellenwert zugeschrieben bekommt. Sehr deutlich wird diese Fokusverschiebung in dem Beitrag von Wittwer, der ausgehend von der Feststellung eines Bedeutungsverlustes traditioneller Bezugspunkte der Weiterbildung die Notwendigkeit eines "neuen Fixpunktes" sieht, "denn der alte, die betriebliche bzw. gesellschaftlich definierte Qualifikation kann allein nicht mehr Leitprinzip der betrieblichen Weiterbildung sein." (110) Doch Wittwer konstatiert nicht nur den Verlust der alten Orientierung "Beruf und Qualifikation", sondern hat auch einen neuen vorzuschlagen: "Die individuelle Kompetenz kann, so unsere These, die Funktion des Leitprinzips übernehmen." (110) Diese individuelle Kompetenz setzt er aus drei Bereichen zusammen: den Fachkompetenzen, den Kernkompetenzen, die Orientierung und Stabilität ermöglichen sollen, und den Veränderungskompetenzen, die die angemessene Reaktion auf wechselnde Anforderungen gewährleisten. Über diese Auseinandersetzung mit den Kompetenzen kommt er schließlich – mit Peter Alheit – zur "Schlüsselqualifikation ‚Biographizität‘", die er als neue Leitlinie auch für betriebliche Weiterbildung ausmacht.

Auf die Relevanz des subjektiven Faktors weist in ähnlicher Weise Osterloh hin, wenngleich sie vom Standpunkt des Wissensmanagements und den Besonderheiten des Produktes "Wissen" gegenüber anderen Produkten ausgeht: "Ohne intrinsische Motivation findet weder individuelles noch organisationelles Lernen statt. Weil intrinsische Motivation nicht käuflich ist, stellt sie einen besonders nachhaltigen Wettbewerbsfaktor dar. Wissensmanagement muss also um Motivationsmanagement ergänzt werden." (61). Denn wenn auch Organisationen Lernfähigkeit zugesprochen wird, so ist die Motivation doch (noch) ein individueller Faktor.

Reinhold Weiß und Friederike Behringer diskutieren demgegenüber keine konzeptionellen Entwürfe, sondern setzten sich in ihren Beiträgen mit relevanten Aspekten auseinander, die im Rahmen einer Diskussion um neue Aufgaben betrieblicher Weiterbildung zu berücksichtigen sind. Der Beitrag von Weiß geht in eher essayistischer Form auf verschiedene mit Innovation zusammenhängende Aspekte ein und schlägt dabei einen Bogen von der Bedeutung der Tradition für Innovationen ("Für den Erfolg von Veränderungsprojekten ist es deshalb ganz wesentlich zu verstehen, wie die aktuellen Strukturen entstanden sind, welche Erfahrungen die Akteure damit gemacht haben und welchen biographischen Kontext sie mit einbringen." (34)) bis hin zur problematischen Ursache-Wirkungs-Relation von Innovation und Erfolg (43), die ja auch aus der Weiterbildung hinreichend bekannt ist. Mit einem kritischen Unterton versucht Weiß die als "Allheilmittel" gehandelte Innovation auf den Boden der (betrieblichen) Realität zu holen.

Ein ähnliches Ziel, nämlich Mythen über das Teilnahmeverhalten an Weiterbildung zu relativieren, verfolgt auch Behringer, wählt allerdings mit der Sekundäranalyse verschiedener Statistiken zur Weiterbildung einen empirischen Zugang. Sie unterscheidet – was sich als sehr aufschlussreich erweist – zwischen einem Interesse an Weiterbildung und der tatsächlich realisierten Teilnahme und kommt zu dem Ergebnis, dass "Lebenslanges Lernen für alle (mit Weiterbildung als einem Element) [...] bislang nur eine Zielvorstellung, keine Realität" (83) sei. Steigerung von Weiterbildungsaktivitäten führe darüber hinaus nicht notwendigerweise zu einer gleichmäßigeren Beteiligung verschiedener Gruppen. Die Weckung von Bildungsinteresse alleine genüge daher als Maßnahme nicht, vielmehr unterstreicht Behringer angesichts ihrer Ergebnisse hinsichtlich der Teilnahme von älteren und gering-qualifizierten Beschäftigten die "Notwendigkeit von angebotseitigen Maßnahmen und Finanzierungsmöglichkeiten" (83), um die Beteiligung aller an Weiterbildung zu erhöhen.

Wie Weiß mit "Innovation" und Osterloh mit "Motivation" setzt sich auch Sibylle Hermann in dem ersten Beitrag des zweiten Kapitels ("Methoden und Modell") mit einer ebenso schwer fassbaren und doch wichtigen Komponente betrieblicher Entwicklung auseinander: der Kreativität. Sie stellt in ihrem Beitrag die im Rahmen eines Projektes entwickelte "CreativityCard" vor: Eine Handreichung aus 20 Karten, die Unternehmen durch eine Vorstrukturierung des Prozesses der Erfassung, Einschätzung und Förderung von Kreativitätspotentialen soweit unterstützen soll, dass sie diesen Prozess selbständig durchführen können. Gerade auch in Kleineren und Mittleren Unternehmen (KMU), die keine eigenen Abteilungen für Personal- und Organisationsentwicklung haben, soll durch das Kartensystem eine Auseinandersetzung mit diesen Fragen trotz ungünstiger organisatorischer Rahmenbedingungen möglich werden. Aufschlussreich werden die Studien sein, die die Einführung dieses Instrumentes untersuchen: Wird es tatsächlich angenommen? Lassen sich die intendierten Absichten damit realisieren? Denn ob die "CreativityCard" tatsächlich die vornehme Zurückhaltung vieler Unternehmen in der Auseinandersetzung mit und Förderung von Kreativität ihrer Beschäftigten aufweichen kann, erscheint fraglich; auch wenn die Entwicklung des Instrumentes im Rahmen des beschriebenen Projektes fundiert durchgeführt wurde.

Mit einer neuen Kompetenz wird die Leserschaft im Beitrag von Schmicker und Quaas bekannt gemacht: der "Netzwerkkompetenz" (197), die wiederum gerade für KMUs wichtig sei, die im Verbund mit anderen Marktvorteile erschließen wollen, die sie alleine nicht erreichen können. Demgegenüber begegnen wir in dem Beitrag zum "Projektmanagement in der Hochschulausbildung" (Poppeck/Peters) alten Bekannten, sind die Grundlagen des Projektmanagements den Autorinnen zufolge – und in Anlehnung an die Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement – doch in folgenden Kompetenzen zu sehen: Grundlagenkompetenz, Soziale Kompetenz, Methodenkompetenz und Organisationskompetenz (147). Die Absicht, diese in Form eines eigenen Zertifikates den AbsolventInnen verschiedener Studiengänge zur Verfügung zu stellen, ist einerseits sicherlich nützlich, trägt allerdings andererseits auch zu einer "Inflation von Zertifikaten" (vgl. zur Problematik der Zertifikate bspw. den Artikel von Dieter Nittel in der Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik 3/1996) bei, die die konventionellen Bildungsabschlüsse – zu denen auch ein Hochschulabschluss gehört – tendenziell und perspektivisch entwertet. Wenn der Hochschulabschluss nur noch mit einem Zusatzzertifikat auf dem Arbeitsmarkt gewinnbringend "eingetauscht" werden kann, dann wird die vorab notwendige Investition in das eigene " Arbeitsvermögen" zwangsläufig immer höher geschraubt.

Einen guten Überblick über das E-Learning in der beruflichen Weiterbildung geben schließlich Abicht und Dubiel, die sowohl eine durch die Durchsicht verschiedener Studien gewonnene Einschätzung zur Entwicklung dieses Bereichs abgeben, die lautet: "am E-Learning (wird) kein Weg vorbei führen" (157), als auch verschiedene Formen in der Anwendung unterscheiden. Auch hier findet sich wiederum der Hinweis, dass E–Learning insbesondere für Weiterbildungsaktivitäten in KMUs nützlich sei. Einen Fokus, den auch Stieler-Lorenz und Krause aufgreifen, die sich ebenfalls mit E-Learning – hier allerdings als "IT basiertes Lernen" (172) – beschäftigen.

Abgeschlossen wird der Sammelband mit einem essayistischen Ausblick von Hagen Ringshausen, der die Frage der "Work-Life-Balance" aus der Perspektive des Unternehmens bzw. der betrieblichen Personalarbeit aufgreift.

Interessant ist der Sammelband in erster Linie, weil er den gegenwärtigen Diskussionstand zur Frage, in welche Richtung sich betriebliche Weiterbildung aktuell entwickelt bzw. entwickeln sollte, ausdrückt und sowohl theoretisch-konzeptionelle als auch praxis- und projektbezogene Beiträge zusammen bringt. Einschränkend ist allerdings die Fokussierung auf den Aspekt des E-Learnings mit drei von fünf Beiträgen im Kapitel "Methoden und Modelle". In einem ganzen Spektrum anderer Themenfelder finden zur Zeit Projekte statt, die versuchen, der Schnittstelle zwischen betrieblicher Weiterbildung und Arbeit eine neue Form zu geben. Aufgrund der Lektüre des Sammelbandes gewinnt man allerdings den Eindruck, dieses Unterfangen geschehe vorwiegend im Medium des E-Learnings. Ein eigener Einleitungsbeitrag für dieses Kapitel, der die Beiträge kontextualisiert, gewichtet und eventuell die Auswahl transparent gemacht hätte, wäre daher wünschenswert gewesen. Obwohl die meisten Beiträge heuristisch von der Wissensgesellschaft ausgehen und eine damit einhergehende Veränderungsnotwendigkeit der Weiterbildung konstatieren, lassen sich doch auch kritische Anmerkungen finden, die vor allzu großer Euphorie im Zuge von Wissensmanagement, Lebenslangem Lernen und Personalentwicklung warnen (insbesondere Behringer, Weiß, Osterloh). Und mit Baitsch und Wittwer kann abschließend formuliert werden: Nicht nur die Weiterbildung muss sich in Richtung Arbeitsprozess bewegen, sondern auch die Arbeitsstrukturen müssen sich in Richtung Lernen öffnen, soll die von der Herausgeberin in Aussicht gestellte Annäherung von Ökonomie und Pädagogik unter der Federführung der Weiterbildung stattfinden und will die betriebliche Weiterbildung darüber hinaus in veränderten Kontextbedingungen zu einer neubestimmten Funktion – für Betrieb und Beschäftigte – finden.
Katrin Kraus (Trier)
Zur Zitierweise der Rezension:
Katrin Kraus: Rezension von: Peters, Sibylle (Hg.): Lernen und Weiterbildung als permanente Personalentwicklung, München/Mehring: Rainer Hampp Verlag 2002. In: EWR 2 (2003), Nr. 3 (Veröffentlicht am 01.06.2003), URL: http://klinkhardt.de/ewr/87988716.html