EWR 4 (2005), Nr. 5 (September/Oktober 2005)

Roland Hepting
Zeitgemäße Methodenkompetenz im Unterricht
Eine praxisnahe Einführung in neue Formen der Lehrens und Lernens. Mit Unterrichtsvideos auf CD-ROM
Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2004
(180 S.; ISBN 3-7815-1367-X; 19,80 EUR)
Zeitgemäße Methodenkompetenz im Unterricht Mit dem Buch „Zeitgemäße Methodenkompetenz im Unterricht“ versucht Roland Hepting nach eigenen Angaben eine „Informationslücke“ zu schließen – die Informationslücke der Lehrerschaft, mit welchen Methoden und auf welchen Wegen der geforderte „zeitgemäße“ Unterricht erzielt und in die pädagogische Wirklichkeit umgesetzt werden kann. Es geht also um einen zeitgemäßen Unterricht mit zeitgemäßen Methoden für eine veränderte Schülerschaft zur Verbesserung der Qualität schulischen Lehrens und Lernens. Dass Hepting damit wahrlich „zeitgemäß“ ist, ist sicherlich unbestritten. Nicht nur auf bildungspolitischer Ebene geht es, vor allem nach PISA, verstärkt um die Effektivierung und Leistungssteigerung des Bildungssystems. Dabei hat sich insbesondere die empirische Lehr- und Lernforschung die Förderung dieses Ziels auf ihre Fahnen geschrieben und in den letzten Jahren mit zahlreichen Studien die Erforschung von unterrichtlichen Qualitätskriterien deutlich vorangetrieben.

Das Buch ist folgendermaßen gegliedert: Nach einem Vorspann über die Notwendigkeit einer Etablierung neuer Formen des Lehrens und Lehrens werden im zweiten Kapitel Ergebnisse der Lernpsychologie und Gehirnforschung herangezogen und exemplarisch „neue“ Lernformen vorgestellt, wie z.B. der „Advance Organizer“ oder „Lernen durch Lehren (LdL). Hepting greift in seiner Arbeit auf ein theoretisches Fundament zurück, um sein Plädoyer für eine notwendige Unterrichtsreform zu untermauern. Dieser „wissenschaftlicher Unterbau“ dient schließlich auch als Legitimation für seine Innovationen im Bereich der Methodik. Die besondere Methode des kooperativen Lernens: WELL – Lernen durch wechselseitiges Lernen, die das Kernstück des Buches bildet, ist damit eingebettet in einen theoretischen Bezugsrahmen. Nach der Erläuterung der zentralen Bausteine von WELL wird in Kapitel vier das „Markdorfer Modell“, ein Schulentwicklungsprojekt zur Implementation zeitgemäßer Lehr- und Lernformen (WELL) in einer Schulklasse beschrieben. Zudem geht Hepting hier auf dessen Wirkungen bei Schülern, Lehrern und Eltern ein. Sehr umfassend erfolgt daraufhin im fünften Kapitel die Präsentation von Unterrichtsbeispielen, auf die die Videoaufzeichnungen der beiliegenden CD-ROM Bezug nehmen. Abschließend zieht Hepting Konsequenzen für das Lehrerverhalten und verweist auf Strategien zur Veränderung unterrichtlichen Handelns.

Während Hepting sehr ausführlich und anschaulich die neuen Formen des Lehrens und Lernens erläutert und darstellt, bleibt die wissenschaftliche Legitimation der Etablierung neuer Lernformen hinter den Erwartungen zurück (siehe Kapitel 1 und 2). Allzu leicht springt der Autor auf den bildungspolitischen Argumentationszug auf und übernimmt die dortigen Erklärungsmuster. Unterfüttert mit einer Aufzählung von Qualitätskriterien „guten Unterrichts“ [1] wird daraus schließlich eine anscheinend wissenschaftliche Auseinandersetzung. Die Argumentation bleibt aber unausgewogen. Kritische Arbeiten, z.B. zur Psychologisierung des Lernens werden ebenso wenig zur Kenntnis genommen wie skeptische Auseinandersetzungen zur Kompetenz- und Schlüsselqualifikationsdebatte. Auch wird der Konstruktivismus als neue Heilslehre fraglos akzeptiert und die problematischen Folgen globaler empirischer Studien wie PISA unter den Tisch gekehrt. Stattdessen wird aus dem baden-württembergischen Bildungsplan zitiert, kommt die Kultusministerin von Baden-Württemberg Annette Schavan mehrfach zu Wort und werden die Studien herangezogen, die die gewollte Linie untermauern. Mit anderen Worten: die angestrebte „Zeitgemäßheit“ wird zum wissenschaftlichen Fallstrick.

Ausführlich werden im dritten Kapitel die Methoden nach dem Konzept WELL vorgestellt. Hierzu zählen das „Partnerpuzzle“, das „Gruppenpuzzle“, „Das Lerntempoduett“ sowie die „Strukturierte Kontroverse“. Diese vier Methoden sind in die von Hepting präferierte Unterrichtsstruktur des „Sandwichprinzips“ eingeordnet, „d.h. kollektive, individuelle und partnerschaftliche Lern- und Arbeitsphasen wechseln sich während einer Unterrichtsstunde ab“ (75). Das Grundgerüst bildet der wechselseitige Austausch von Informationen, wobei die Schüler je einmal in die Rolle der „Experten“ sowie der „Novizen“ schlüpfen. Dabei variiert bei den Methoden (v.a. Partner- und Gruppenpuzzle) primär die Zahl der zusammen arbeitenden Schüler. Das Lerntempoduett bringt die Methode des Partnerpuzzles mit der Leistungsdifferenzierung zusammen und die konstruktive Kontroverse konzentriert sich schließlich auf den argumentativen Austausch unterschiedlicher Positionen. Die Beschreibung der Methoden und das Verfahren in der Klasse wirken zum Teil sehr umständlich, so dass die CD-ROM hier tatsächlich einen hilfreichen Einblick bietet.

Im vierten Kapitel beschreibt der Autor, der Schulleiter der Realschule im Bildungszentrum Markdorf (Bodenseekreis) ist, das an seiner Schule initiierte und durchgeführte Schulentwicklungsprojekt, welches die konsequente Umsetzung der dargestellten „WELL-Methoden“ zum Ziel hatte. Detailliert geht er auf die Vorgehensweise und die Erfahrungen bei der Umsetzung des Projekts ein, bei der er Rückmeldungen der verschiedenen Mitglieder der Schulfamilie (Lehrer, Schüler, Eltern) unterscheidet. Die Ergebnisse seiner Beobachtungen, die den neuen Formen des Lehrens und Lernens durchweg positive Einflüsse auf das Klassenklima, die Lernbereitschaft und das Verhalten der Schüler sowie die Lehrtätigkeit zuschreiben, versucht er auch durch empirische Verfahrensweisen zu objektivieren. Problematisch ist hier die exemplarische Wiedergabe von Rückmeldungen der beteiligten Lehrer in mehreren Fragebogenaktionen zu werten, da er keine Gesamtergebnisse nennt und auch auf eine Kategorienbildung verzichtet. Die Ergebnisse der Befragung lassen sich so nicht nachvollziehen.

Hepting verweist darauf, dass er die Reaktion der Schüler auf die neuen Lehrmethoden noch nicht abschließend beurteilen kann, da die Auswertung der Schülerfragebögen noch nicht vorgenommen wurde. Als Indizien für eine positive Resonanz wertet er einerseits die Eintragungen im Klassenbuch wegen Verhaltensauffälligkeiten (bei der Modellklasse findet sich ein Eintrag im Vergleich zu 6 bis 27 Einträgen bei den Parallelklassen) und andererseits den Klassendurchschnitt (Durchschnitt aller Noten aller Schüler einer Klasse), der sich bei der Modellklasse gegenüber dem vorherigen Schuljahr verbessert hat und über dem Schnitt der Nachbarklassen liegt. Auch Hepting gibt zu bedenken, dass es „wissenschaftlich nicht legitim“ ist, Zensuren als Nachweis erfolgreicher Methoden heranzuziehen, trotzdem wertet er die besseren Noten als „Teilergebnis der auf unser Projekt begrenzten Fragestellung“ (106). Bei der Wiedergabe der Reaktionen der Eltern verfährt er ähnlich wie bei den Rückmeldungen der Lehrer. Wenig Aussagekraft hat hier vor allem die zweite Befragung der Eltern, bei der nur 10 von 25 Eltern antworten und ihre Erfahrungen mit dem „Lernen durch wechselseitiges Lehren“ mit großer Mehrheit als positiv beschreiben.

Das fünfte Kapitel ist ausschließlich der Beschreibung der auf der beigefügten CD-ROM dargestellten Unterrichtsbeispiele für die einzelnen neuen Lehr-Methoden gewidmet. Die Idee Unterrichtsvideos mitzuliefern, um die Umsetzung der beschriebenen Methoden darstellen zu können, ist sicherlich innovativ und hat außerdem für den Leser den großen Vorteil, dass er einen Einblick in die praktische Unterrichtsarbeit erhält. Hepting betont, dass „die reale Unterrichtssituation in dem Video-Beispiel zum Ausdruck kommt“ (114). Für alle „zeitgemäßen“ Lehrmethoden liefert er Beispiele auf der CD-ROM, die nach dem gleichen Muster aufgebaut sind: Zunächst werden auf der CD-ROM in einer Gesamtübersicht alle Methoden vorgestellt, dann können einzelne Unterrichtsmethoden wie das „Partnerpuzzle“ oder das „Lerntempoduett“ angewählt werden.

Jede Methode wird zunächst durch ein Schaubild erklärt, kurze Videos (Unterrichtsmitschnitte) von den einzelnen Phasen der jeweiligen Unterrichtsmethode (meist unterschieden nach Einstieg, Aneignung, Vermittlung, Vertiefung, Kontrolle) können dann durch Anklicken gestartet werden. Lehrerinnen und Lehrer haben durch die Darstellung der wichtigen Phasen der jeweiligen Lehrmethode die Möglichkeit, sich selbst ein Bild von der Umsetzung zu machen und dadurch Anregungen für den eigenen Unterricht zu erhalten. Die sehr starke Konzentration auf Beispiele aus dem Fach Erdkunde begründet Hepting damit, dass er selbst nur in Erdkunde in der Modellklasse unterrichtet hat und die anderen Kollegen in dieser Klasse zunächst an die neuen Methoden herangeführt werden mussten. Das klingt plausibel, inwieweit sich allerdings die dargestellten Beispiele aus Erdkunde ohne weiteres auf alle anderen Fächer übertragen lassen, wie Hepting es postuliert, scheint bei genauer Betrachtung fragwürdig (überhaupt ist eine generelle Austauschbarkeit von Inhalten hinsichtlich der Wahl der Methoden nicht prinzipiell möglich). Gerade für Fächer wie Mathematik oder Englisch (besonders Anfangsunterricht) wünschte man sich auch Unterrichtsbeispiele, da in diesen Fächer nicht so stark mit Texten gearbeitet werden kann, wie bei den meisten aufgeführten Beispielen aus dem Fach Erdkunde (vgl. Unterrichtsvideos).

Die CD-ROM lässt sich insgesamt einfach handhaben, durch die Steuerung über eine graphische Oberfläche erhält man einen guten Überblick. Das Layout ist sicherlich noch verbesserungsfähig, für Amateure auf diesem Gebiet ist sie aber eine beachtliche Leistung.

Im Abschlusskapitel schlägt Roland Hepting eine „Strategie zur Veränderung“ vor, die darauf abzielt, Lehrer für Innovationen, wie er sie vorgestellt hat, zu gewinnen. Lehrende verfügen über subjektive Theorien, an denen sie festhalten und mit denen sie ihr unterrichtliches Handeln rechtfertigen. Diese Theorien sind subjektiv, weil sie auf den Erfahrungen des einzelnen basieren und routinemäßige Handlungsmuster darstellen, die selten überprüft werden. Er bemängelt eine fehlende Feedback-Kultur bei Lehrern und verweist auf entsprechende Modelle zu gegenseitiger Hospitation (z.B. „Konstanzer Modell“, Caviezel 2003, Willborn 2003), die seiner Meinung nach Möglichkeiten schaffen, Unterrichtsqualität reflektieren zu können. Konstruktivistische Ansätze wie das „Sandwich-Prinzip“ oder die Teamkultur, die sich im Markdorfer Modell unter den Lehrern der Modellklasse entwickelte, könnten hier förderlich sein. Hepting hat Recht, wenn er diese Aspekte der Schulentwicklung anspricht und die oft fehlende Reflektion der Unterrichtskultur moniert. Das Problem der Überprüfung von Unterrichtsqualität ist bekannt. Die Ansätze, die er aufzeigt, sind hilfreich und fügen sich passend in seine Darstellung „neuer Formen des Lehrens und Lernens“ ein. Sie erschöpfen allerdings bei weitem nicht den komplexen Gegenstand des „guten Unterrichts“ [2].

So gelingt Hepting also nur eines: Seinem Anspruch gerecht zu werden, eine „praxisnahe Einführung in neue Formen des Lehrens und Lernens“ zu geben. Denn die Umsetzung einer „zeitgemäßen“ Unterrichtsstruktur erfolgt schlüssig, ebenso wie die Darlegung der zentralen methodischen Verfahren und Prinzipien. Auch die Beispiele aus der Praxis geben einen anschaulichen Einblick in das neue Lehrer- und Schülerhandeln.

Inwieweit Hepting mit diesem Werk allerdings eine Informationslücke schließt, bleibt fraglich. Vieles dürfte Lehrern bereits unter anderen Bezeichnungen bekannt sein (z.B. das Sandwichprinzip). Ob angesichts der Fülle von Praxishandbüchern und Methodenmanuals zur neuen Lernkultur, die in den letzten Jahren die Regale füllen [3], noch von einem diesbezüglichen Wissensdefizit gesprochen werden kann, erscheint geradezu ausgeschlossen.

[1] Bönsch, M. (Hrsg.) (2002): Selbstgesteuertes Lernen in der Schule. Neuwied.
Helmke, A. (2003): Unterrichtsqualität. Erfassen, bewerten, verbessern. Seelze.
Jansen, O. (2003): Nachhaltige Unterrichtsentwicklung. Methoden und Werkzeuge. Schulmanagement-Handbuch 107. München.

[2] Meyer, H. (2004): Was ist guter Unterricht? Berlin.

[3] Klippert, H. (2004): Methoden-Training. Übungsbausteine für den Unterricht. Weinheim/Basel, 14. Aufl.
Klippert, H. (2005): Kommunikations-Training. Übungsbausteine für den Unterricht. Weinheim/Basel, 10. Aufl.



Ina Katharina Uphoff und Matthias Erhardt (Würzburg)
Zur Zitierweise der Rezension:
Ina Katharina Uphoff und Matthias Erhardt: Rezension von: Hepting, Roland: Zeitgemäße Methodenkompetenz im Unterricht, Eine praxisnahe Einführung in neue Formen der Lehrens und Lernens. Mit Unterrichtsvideos auf CD-ROM, Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2004. In: EWR 4 (2005), Nr. 5 (Veröffentlicht am 04.10.2005), URL: http://klinkhardt.de/ewr/78151367.html