EWR 5 (2006), Nr. 6 (November/Dezember)

Detlef H. Rost (Hrsg.)
Handwörterbuch Pädagogische Psychologie
München: BeltzPVU 2006
(935 S.; ISBN 3-621-27585-1; 44,90 EUR)
Handwörterbuch Pädagogische Psychologie Das von Detlef Rost herausgegebene Handwörterbuch Pädagogische Psychologie erschien in diesem Jahr im Verlag BeltzPVU in der mittlerweile dritten Auflage. Man kann dieses Buch mit Fug und Recht als etablierten "Klassiker" bezeichnen, auch wenn die erste Auflage vor gerade einmal acht Jahren erschien. Das Buch eignet sich zur schnellen Information über einschlägige Themen der Pädagogischen Psychologie nicht nur für Studierende, sondern auch für Wissenschaftler aus Fachgebieten, die an die Pädagogische Psychologie grenzen, wie etwa die Erziehungswissenschaft, die Sonderpädagogik, die Schulpädagogik oder die Didaktiken der unterschiedlichsten Fächer.

Insofern ist dem Autor des „Waschzettels“ des Verlags zuzustimmen, wenn er formuliert: „Mit über 120 ausführlichen Beiträgen, verfasst von mehr als 70 namhaften Vertretern des Faches, stellt es eine inhaltsreiche und aktuelle Gesamtdarstellung der modernen Pädagogischen Psychologie dar. Es eignet sich zur effektiven Orientierung über das Fach und zur soliden Einarbeitung in die unterschiedlichen Themenbereiche. Zugleich sind seine verständlich geschriebenen Beiträge eine wertvolle Hilfe für die Prüfungsvorbereitung.“

Das Adjektiv „inhaltsreich“ rechtfertigt sich dabei bereits durch den Blick in das Inhaltsverzeichnis: Es finden sich in dem Handwörterbuch 121 Artikel auf 935 Seiten zu so unterschiedlichen Themen wie „Aggressionen der Schule", „Bezugsnormorientierung", „Determinanten der Schulleistung“, „Erziehungsstil“, „Förderung kognitive Fähigkeiten“, „Geschlechtsunterschiede“, „Hochbegabung“, „Internationale Schulleistungsvergleiche“, „Koedukation“, „Leselernen“, „Metaanalyse“, „Operantes Lernen“, „Paradoxe Effekte von Lob und Tadel, „Rechenschwächen“, „Selbstkonzept“, „Transfer“, „Underachievement“, „Vorschulerziehung“ oder „Zensuren“. Die Autoren sind allesamt Vertreter der Pädagogischen Psychologie, die sich in den meisten Fällen mit den jeweiligen Themen auch in der Forschung intensiv befassen und dies durch Publikationen und Kongressbeiträge regelmäßig dokumentieren. Dadurch enthalten die Artikel durchweg viel Substanz, sie sind aktuell und repräsentieren den Stand der Forschung zumindest im deutschsprachigen Bereich.

Nun gibt es natürlich nichts, was man nicht besser machen könnte. Die Liste der einzelnen Artikel ist lang und beeindruckend, doch zeigt bereits die obige, mehr oder weniger willkürliche Auswahl, dass teilweise recht unterschiedlich breite Bereiche behandelt werden. So finden sich eigene Artikel zu Spezialthemen wie „Meta-„ oder „Mehrebenenanalyse“, auf der anderen Seite, gewissermaßen das andere Extrem darstellend, werden so umfang- und traditionsreiche Konzepte wie „Intelligenz und Begabung“ oder „Lernschwierigkeiten“ ebenfalls auf jeweils fünf bis sechs Seiten abgehandelt. Die Autoren der Artikel zu eng umgrenzten Spezialgebieten dürften es wohl sehr viel einfacher gehabt haben, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und den Stand der Diskussion auf wenigen Seiten einzufangen, während es für die Autoren der umfangreichen Konzepte oder Forschungsgebiete doch recht schwierig gewesen sein dürfte, paradigmatische Inhalte auszuwählen und dem Anspruch auf Repräsentativität und dem Überblickscharakter der Artikel gerecht zu werden.

Auch die Praxisorientierung der Artikel ist recht unterschiedlich, was nicht nur für diejenigen Artikel gilt, die sich speziellen Methoden wie etwa der Berechnung der „Effektstärke“ widmen. Während beispielsweise der Artikel über "Überspringen" am Ende eine Reihe praktischer Hinweise für die Elternberatung bzw. Empfehlungen für Lehrkräfte enthält, stellen andere Artikel wie beispielsweise der über "Erwartungseffekt" durchweg Theorie und empirische Befunde vor.

Besonders im Hinblick auf die Verwendbarkeit des Handwörterbuchs als Lehrbuch sind die zahlreichen auch optisch abgesetzten Kästen als positiv zu bewerten, die sich einzelnen theoretischen Konzepten wie der Flow-Theorie von Csikszentmihalyi (Artikel „Theorien extrinsischer Motivation“), einzelnen empirischen Studien oder speziellen Interventionsmaßnahmen widmen.

Ein Problem für den Herausgeber eines solchen Werkes liegt in der Auswahl der Themen für die einzelnen Artikel. Im Vergleich zur zweiten Auflage wurde beispielsweise der Artikel über „Schulpsychologie“ zu Gunsten anderer Themen gestrichen. Nun gab es dafür sicherlich gute Gründe, darunter möglicherweise den, dass dieser Artikel nur wenig über die Arbeit von Schulpsychologen und Schulpsychologinnen informierte. Dafür finden wir aber in der jetzigen dritten Auflage hierzu praktisch keine Informationen mehr, obwohl die Schulpsychologie nach wie vor nicht nur ein wichtiges berufliches Tätigkeitsfeld für Pädagogische Psychologen und Psychologinnen darstellt, und praktisch tätige Schulpsychologen und Schulpsychologinnen die Pädagogische Psychologie in der Öffentlichkeit wesentlich repräsentieren. Die Artikel zur „Berufs- und Laufbahnberatung“, zur „Bildungsberatung“ oder zur „Erziehungsberatung“ leisten dies nicht, stellen sie doch zum einen das Tätigkeitsfeld von Beratungslehrern dar und zum anderen zumindest schwerpunktmäßig beraterische Tätigkeiten außerhalb der Schule.

Dieser Kritikpunkt wird manchem Leser dieser Rezension vielleicht gar zu kleinkariert erscheinen, mancher wird vielleicht auch einen Zusammenhang zum persönlichen Werdegang des Rezensenten herstellen, doch unterstreicht diese Kritik auch, dass das Handwörterbuch im Großen und Ganzen so gut gelungen ist, dass sich nur Nebensächlichkeiten und kleinere Aspekte als Ansatzpunkte zur Kritik anbieten.

Der oben zitierte Waschzettel des Verlags hebt besonders auch die Eignung des Buches zur Prüfungsvorbereitung heraus. Wenn damit gemeint sein sollte, dass Studierende, die sich auf das Examen oder eine mündliche Prüfung vorbereiten, dass Rostsche Handwörterbuch eben einmal mitnehmen, wenn sie zum Einkaufen oder ins Wochenende fahren, um in Straßenbahn oder Zug den einen oder anderen Artikel zu lesen, so wäre dieses eine Irreführung der meisten Käufer. Das voluminöse Buch wiegt nämlich deutlich über zwei Kilogramm und belastet jedes Reisegepäck erheblich, was nicht zuletzt auch eine Verzögerung dieser Rezension bewirkte.

Andererseits: viele Studierende verlassen sich heute bei der Erstellung von Präsentationen oder Seminararbeiten und auch bei der Prüfungsvorbereitung auf Texte aus dem Internet. da gibt es sicherlich, gerade auf den Seiten der Kollegen und Kolleginnen aus der Pädagogischen Psychologie, so manchen Schatz zu heben. Gänzlich anders sieht es jedoch aus, wenn man sich etwa auf die beliebte Wikipedia-Enzyklopädie oder andere Quellen verlässt, was in letzter Zeit unter Studierenden immer mehr um sich greift.

Bereits der Vergleich weniger Artikel wie die zu „Koedukation“, „Intelligenz“ oder „Schulreife und Schulfähigkeit“ zeigen dramatische Unterschiede. Während Wikipedia-Artikel zu Koedukation und Schulreife aus psychologischer Sicht mehr oder weniger unbrauchbar, weil viel zu knapp sind, illustriert der Wikipedia-Artikel zu „Intelligenz“ in aller Deutlichkeit den schon lange außerhalb der Sozialpsychologie bekannten Befund, dass Gruppenprodukte der Leistung einzelner nur unter bestimmten Voraussetzungen überlegen sind. Oder wie schon der Volksmund sagt: „Viele Köche verderben den Brei“. Der Artikel ist wirr und unausgegoren und voller – aus wissenschaftlicher Sicht – absonderlicher Passagen. Wer damit zur Prüfung erscheint, müsste mit der Bewertung Mangelhaft rechnen. Der Artikel im Handwörterbuch dagegen überzeugt durch klaren Aufbau, enthält wichtige theoretische Konzepte, die gleichzeitig Meilensteine der Intelligenzforschung darstellen, und systematische Verbindungen zu verwandten Bereichen der Psychologie. So präpariert kann in der Prüfung eigentlich nichts mehr schief gehen.

Statt einer abschließenden Bewertung des von Detlef Rost herausgegebenen Handwörterbuchs möge daher der Hinweis genügen, dass der Verfasser dieser Rezension das Werk schon seit Erscheinen der ersten Auflage seinen Studierenden und Prüflingen zur Lektüre wärmstens ans Herz legt.
Christoph Perleth (Rostock)
Zur Zitierweise der Rezension:
Christoph Perleth: Rezension von: Rost, Detlef H. (Hg.): Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. München: BeltzPVU 2006. In: EWR 5 (2006), Nr. 6 (Veröffentlicht am 28.11.2006), URL: http://klinkhardt.de/ewr/62127585.html