Die Jugend- und auch die Kindheitsforschung haben in den letzten fĂŒnfzehn Jahren einen Aufschwung erlebt. Das zeigt sich bereits an den in diese Zeit fallenden, ĂŒberblicksartigen BĂ€nden zu diesem Themengebiet (Markefka/Nave-Herz 1989, Markefka/Nauck 1993; KrĂŒger 1993; Merkens/Zinnecker 2001 und 2002). Mit ihrem im letzten Jahr publizierten "Handbuch Kindheits- und Jugendforschung" tragen Heinz-Hermann KrĂŒger und Cathleen Grunert dieser Entwicklung Rechnung. Es handelt sich gegenĂŒber dem 1988 erstmals von KrĂŒger herausgegebenen "Handbuch Jugendforschung" um ein Neuwerk, das â gemessen am Umfang â die Bezeichnung als Handbuch noch mehr verdient als sein VorgĂ€nger. Wie bereits dem Titel zu entnehmen ist, werden hier zwei Forschungsbereiche miteinander verbunden.
Rousseau legte mit seinem Erziehungsroman Emile einen Grundstein fĂŒr die Betrachtung von Kindheit- und Jugend als einer eigenstĂ€ndigen Entwicklungsphase. Ende des 18. Jahrhunderts folgten erste Versuche einer empirisch begrĂŒndeten Beobachtung Heranwachsender durch Trapp und Niemeyer. Aber erst gut hundert Jahre spĂ€ter wurde die wissenschaftliche Erforschung dieser Altersphase in Zusammenhang mit der in der ReformpĂ€dagogik zu verwurzelnden Entdeckung einer eigenen Lebensphase Jugend intensiviert. Stand zunĂ€chst die psychologische Perspektive im Vordergrund (z. B. BĂŒhler 1921), so wurden auch soziologische und pĂ€dagogische Fragestellungen (z. B. Spranger 1924; Busemann 1926) verfolgt. Die Trennung in eine Kindheits- und Jugendforschung beginnt sich nach dem zweiten Weltkrieg zu entwickeln. Fand die Erforschung der Kindheit vor allem in der Entwicklungspsychologie statt, so erhielt die Jugendforschung ihre wichtigsten Impulse von der Soziologie. FĂŒr die siebziger und achtziger Jahre schlieĂlich sprechen die Herausgeber von einer "erziehungswissenschaftlichen Wende". Sowohl in der Kindheits- als auch in der Jugendforschung wird das Interesse auf die Alltagserfahrungen, Sozialbeziehungen und Lebensbedingungen gelegt. Grund dafĂŒr ist die Entwicklung einer interdisziplinĂ€ren Sozialisationsforschung, die die Auseinandersetzung zwischen innerer und Ă€uĂerer RealitĂ€t in den Mittelpunkt rĂŒckt. Seit den neunziger Jahren findet in beiden Forschungsbereichen eine stĂ€rkere AnknĂŒpfung an Modernisierungsdebatten (Individualisierung, Pluralisierung) statt.
Versteht man ein Handbuch auch als eine Bilanzierung bisheriger ForschungstĂ€tigkeit, so zeigt sich die Kindheits- und Jugendforschung als ein in methodischer, disziplinĂ€rer und thematischer Hinsicht weit verzweigtes Feld, in dem eine Orientierung zu finden nicht nur fĂŒr Neueinsteiger ohne eine FĂŒhrung schwer möglich ist. Hier bietet das Handbuch mit seiner Behandlung der fĂŒnf Schwerpunktbereiche "Theoretische AnsĂ€tze", "Methodendiskussion", "Kindheit und Jugend in historischer Perspektive", "Kindheit und Jugend in kulturvergleichender Perspektive" sowie dem umfangreichsten Teil "AusgewĂ€hlte Gebiete der Kindheits- und Jugendforschung" einen umfassenden Ăberblick. Die InterdisziplinaritĂ€t wird bereits an den beitragenden Autoren erkennbar, die ĂŒberwiegend aus der Erziehungswissenschaft, insbesondere der SchulpĂ€dagogik, aber auch der Soziologie und Psychologie kommen. Allen vierzig EinzelbeitrĂ€gen im einzelnen gerecht zu werden, ist im Umfang einer Rezension kaum möglich, insofern soll hier eine Schwerpunktsetzung auf den ersten, eher systematischen Teil des Handbuchs gelegt werden und hier wiederum auf die kulturvergleichende Forschung, als einer wichtigen Thematik angesichts des globalen Zusammenwachsens. Dementsprechend wird aus dem zweiten Teil "AusgewĂ€hlte Gebiete" der Unterbereich "Freizeit, Medien und Kultur" nĂ€her betrachtet.
Als theoretische AnsĂ€tze werden im ersten Kapitel psychologische Entwicklungstheorien (A. Flammer), psychoanalytische ErklĂ€rungsansĂ€tze (M. Erdheim), sozialisationstheoretische AnsĂ€tze (D. Geulen), sozialökologische AnsĂ€tze (A. Engelbert/A. Herlth), gesellschaftstheoretische (J. Mierendorff/T. Olk), geschlechtertheoretische (C. Hagemann-White) sowie kulturtheoretische und kulturvergleichende AnsĂ€tze (E. Renner) behandelt. Wie die Herausgeber anmerken, liegt eine wichtige Zukunftsperspektive der Kindheits- und Jugendforschung insbesondere im letzten Bereich der kulturvergleichenden AnsĂ€tze. Renner vermittelt durch die detaillierte Wiedergabe wesentlicher Forschungsarbeiten einen konkreten und interessanten Einblick. Die etwas zu kurz gekommene theoretische Ausrichtung weist auf das, nach Anmerkung des Autors bestehende, Forschungsdesiderat hin. Dennoch wĂ€ren Anmerkungen hilfreich, die die Auswahlkriterien der Studien betreffen, ihre Bedeutung fĂŒr die Kindheits- und Jugendforschung und auch den Kulturbegriff thematisieren, der hier offensichtlich stĂ€rker national- als sozial ausgerichtet ist. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auf den Beitrag H. Helfrichs (s.u.) zu verweisen, der ergĂ€nzend herangezogen werden kann.
Die Methodendiskussion stellt trendartig zusammengefasst die historische Entwicklung der Kindheits- und Jugendforschung von einer stark quantitativen Ausrichtung nach dem zweiten Weltkrieg zu einer Betonung qualitativer Datenerhebung seit ca. den 80er Jahren dar. Einen Ăberblick ĂŒber Entwicklung, methodische AnsĂ€tze und wissenschaftstheoretische Probleme vermitteln fĂŒr die quantitativen Methoden S. Walper/R. Tippelt. Ăber die Entwicklung, wichtige Ergebnisse und AnsĂ€tze der qualitativen Methoden gibt der Beitrag Grunerts Auskunft. Methoden und Ergebnisse der kulturvergleichenden Kindheits- und Jugendforschung behandelt H. Helfrich. Ăber die historische Kindheits- und Jugendforschung gibt H.-H. KrĂŒger einen Ăberblick und vereint dabei sowohl quantitative wie qualitative AnsĂ€tze. Wie auch bei Walper/Tippelt wird in diesem Beitrag auf die Bedeutung der noch in zu geringem Umfang vorliegenden Replikationsstudien hingewiesen, die aufgrund des Beibehaltens eines frĂŒheren Erhebungsinstrumentes systematisch vergleichbare Daten ĂŒber einen langfristigen Wandel von Einstellungen und Lebensbedingungen vermitteln können.
Die historische Perspektive von Kindheit und Jugend wird im dritten Teil behandelt, in je einem Beitrag fĂŒr die Geschichte der Kindheit (M.-S. Honig) und einem fĂŒr die Jugend (P. Dudek). Honig liefert einen kritisch reflektierenden Blick auf die Sozialgeschichte der Kindheit, die er am modernen Kindheitsideal, das sich in der "Erziehungskindheit" realisiert, darstellt. Mit der Frage, ob dessen Kern, die pĂ€dagogische Differenz, ein tauglicher Bezugspunkt fĂŒr die Kindheit an der Schwelle zum 21. Jahrhundert sei, schlieĂt Honig seinen Beitrag und wirft damit angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung einen interessanten Diskussionspunkt auf. Dudek widmet sich insbesondere der Jugend in der ersten HĂ€lfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland (Ost- und West). Nicht ganz nachvollziehbar ist diese EinschrĂ€nkung angesichts seiner auf Jugendbilder und -mythos gerichteten Perspektive, fĂ€llt dadurch doch die Mythologisierung von Jugend in der sich seit dem Krieg entwickelnden Konsumgesellschaft weg.
In dem groĂen Themenblock "Kindheit und Jugend in kulturvergleichender Perspektive" leistet der Beitrag von H. Merkens einen Ă€uĂerst informativen und kritischen Einblick in das Forschungsfeld "Kindheit und Jugend in Ost- und Westdeutschland". Merkens fĂŒhrt den Aufschwung der Kindheits- und Jugendforschung nach der Wende auch auf ein DFG-Schwerpunktprogramm zurĂŒck, das die Erforschung der nach der Vereinigung beginnenden VerĂ€nderungen bei Kindern und Jugendlichen gewĂ€hrleisten sollte. Auf diesen Zeitraum richtet sich naturgemÀà sein Hauptaugenmerk, wobei theoretische und methodische Konzeptionen sowie erhobene Daten diskutiert werden. Zentrales Ergebnis ist, dass die Unterschiede zwischen beiden Teilen Deutschlands geringer sind als die zwischen den verschiedenen Milieus, denn auch in Ostdeutschland handelt es sich nicht um einen einheitlichen kulturellen Raum. Zu prĂŒfen sei "vor dem Beginn einer entsprechenden empirischen Untersuchung, ob die Annahme zutreffend ist, dass die Ressourcen, ĂŒber die Kinder- und Jugendliche verfĂŒgen, in Bezug auf Sozialisation und Erziehung ĂŒber eine Ă€hnliche QualitĂ€t verfĂŒgen." (258) Weiterhin vermerkt Merkens ein Forschungsdefizit bezĂŒglich der Alltagssituation der Heranwachsenden, was die Frage stellen lieĂe, "ob die Forschung, ĂŒber die hier berichtet wird, ĂŒberhaupt den Zentralbereich der Kinder und Jugendlichen betrifft, oder ob nicht Marginales berichtet wird" (363). Mit M. du Bois-Reymondâs Thema "Kindheit und Jugend in Europa" ist eine internationale Perspektive vorgegeben. Nach einer Systematisierung der vorliegenden Untersuchungstypologien stellt sie zentrale inhaltliche Schwerpunkte im Bereich der europĂ€ischen Kindheits- und Jugendforschung vor. Nicht ganz nachvollziehbar sind die jeweiligen AbsĂ€tze ĂŒber Jugendpolitik, handelt es sich hier nicht um ein Forschungs-, sondern um ein Handlungsfeld, dessen VerknĂŒpfung mit Forschung jedoch nicht erwĂ€hnt wird. Auch wĂ€re es interessant gewesen, den Gewinn kulturvergleichender Untersuchungen, insbesondere fĂŒr die spezifische Situation Europas und damit auch deren soziale Bedeutung, herauszuarbeiten. S. Steinbergs Beitrag ĂŒber Kindheit in den USA richtet sich vor allem auf den durch die Medien geschaffenen Informationszugang von Kindern heute, wobei ihre maĂgebliche Bezugsquelle ein Beitrag von H. Hengst ist. Ob hier eine nationale â und nicht vielleicht eher milieutheoretische Perspektive â ĂŒberhaupt sinnvoll ist, wĂ€re eine kritische Bemerkung wert gewesen. Fragen nach Erkenntnissen ĂŒber das Aufwachsen in den unterschiedlichen ethnischen Milieus in den USA, nach dem Stand z.B. von Armuts- und Genderforschung bleiben offen. Zum Thema "Kindheit und Jugend in Lateinamerika" liefert K. Boehnke einen informativen Beitrag. Nach einem anhand ökonomischer Daten vermittelten Einblick in die Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen in den 33 lateinamerikanischen Staaten, stellt der Autor die nach dem Citation Index erhebbare Untersuchungslage dar, die sich als noch ĂŒberschaubar zeigt. Besonders kennzeichnend fĂŒr die Lage der Heranwachsenden Lateinamerikas ist das AusmaĂ der sozialen Ungleichheit, im WeltmaĂstab weisen Mittel- und SĂŒdamerika die ausgeprĂ€gtesten Unterschiede auf. Damit zusammenhĂ€ngend ist das PhĂ€nomen der StraĂenkindheit zu sehen. Ăberraschend ist die trotz der desolaten Lage bestehende Resilienz der Kinder, worin Boehnke eine wichtigen SchlĂŒssel zur Verbesserung ihrer Lebenssituation sieht. A. SchĂ€fers Artikel ist ein LehrstĂŒck kulturvergleichender Forschungsproblematik, denn "Kindheit und Jugend in Afrika" sind nicht mit Kategorien wie âTraditionâ und âModerneâ erfassbar. Wie er an den zwei Bereichen "Schule" und "Initiation" anschaulich ausfĂŒhrt, muss sich der Forscher von seinen ĂŒberkommenen Vorstellungen gĂ€nzlich lösen. Dass das schwer realisierbar ist, kann SchĂ€fer gut deutlich machen: z.B. findet der in westlichen Erziehungsmodellen behauptete Wirkungszusammenhang zwischen Person des Erziehers und des zu Erziehenden in afrikanischen Vorstellungen keine Entsprechung, wĂ€hrend in der Kategorie des Respekts "afrikanisches SelbstverstĂ€ndnis und (entlarvende) westliche Erziehungsperspektive zu konvergieren" schienen (427). Interessant ist auch der Einblick in "Kindheit und Jugend in Asien" von A. Helmke und H.-G. Hesse. Ăber den Weg der kulturellen Besonderheit Asiens, worin auch die konfuzianische Lehre eingeschlossen ist, schaffen sie den Rahmen fĂŒr das VerstĂ€ndnis asiatischer Bildungsauffassung mit einer ausfĂŒhrlichen Diskussion der Schulleistungen am Beispiel internationaler Vergleichsstudien. Die stĂ€rker auf KollektivitĂ€t als IndividualitĂ€t gerichtete Erziehung erscheint in der ergebnisorientierten Darstellung der Autoren vielleicht etwas zu unproblematisch, insbesondere wenn man berĂŒcksichtigt, dass eine Verwestlichung des Lebensstils der Asiaten ja nicht allein aus Zwang, sondern auch aus Gefallen zu erklĂ€ren ist. Ein nĂ€herer Hinweis auf die Forschungslage und ein Ausblick hĂ€tten den Wert des Beitrags noch erhöht.
Der zweite Teil des Handbuchs versammelt unter der Ăberschrift "AusgewĂ€hlte Gebiete" insgesamt sechs Teilbereiche mit zwanzig EinzelbeitrĂ€gen. Wie von den Herausgebern im Vorwort vermerkt, nehmen sie "ihren Ausgangspunkt von Theorien und empirischen Forschungsergebnissen, die sich auf unterschiedliche Sozialisationsbereiche oder besondere Problemlagen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland beziehen". NĂ€here Hinweise dazu, wie diese Auswahl zustande kam, wĂ€ren fĂŒr den Leser hilfreich. So fehlen die Bereiche Armutsforschung und Konsumkindheit und -jugend, oder zumindest deren stĂ€rkere Vertiefung im Bereich Freizeit, Medien und Kultur.
Die BeitrĂ€ge "Kindheit und Familie" von P. BĂŒchner, "Institutionelle Betreuung von Kindern" von W. Tietze und "Jugend und Familie" von J. Ecarius leiten in diesen zweiten Teil des Handbuchs mit dem thematischen Schwerpunkt Familiale Lebensbedingungen und öffentliche Erziehung ein. Unter Schule, Ausbildung, Beruf finden sich BeitrĂ€ge zu "Kindheit und Grundschule" (F. Heinzel), "Jugend und Schule" (W. Helsper/J. Böhme) und "Jugend, Ausbildung und Beruf (W. Heinz) sowie von B. FriebertshĂ€user "Jugend und Studium". "Kinder, Politik und Kinderpolitik" (H. SĂŒnker/T. Swiderek), "Jugend und Politik" (K. Bock/S. Reinhardt) und "Jugend, Recht und KriminalitĂ€t" (G. Albrecht) bilden den Schwerpunktbereich Recht und Politik. Zum Bereich Religion tragen U. Schwab mit "Kinder und Jugendliche in Kirchen und VerbĂ€nden" sowie A. Feige ("Jugend und Religion") bei. Unter dem abschlieĂenden Bereich Besondere bzw. schwierige Lebenssituationen werden die Themen "AuslĂ€ndische Kinder und Jugendliche" (U. Apitzsch), "Gewalt in Familie und Schule" (W. Melzer/K. Lenz/C. Ackermann), "Kindheit, Jugend und SexualitĂ€t" (G. Neubauer) sowie die Themen Drogen (C. Palentien/A. Leppin: "Kindheit, Jugend und Drogen") und "Kinder und Jugendliche in Institutionen der psychosozialen Versorgung" (R. Schleiffer) angesprochen.
Der Bereich Freizeit, Medien und Kultur soll hier exemplarisch herausgriffen werden. Er umfasst drei Artikel, wobei "Kinder und Jugendliche in sozialpĂ€dagogischen Institutionen" (B. MĂŒller) etwas ĂŒberraschend platziert ist und allenfalls aus einem VerstĂ€ndnis von Jugendhilfe als "JugendfĂŒrsorge" (integrierte Erziehungshilfen) und "Jugendpflege" in ihrem Wandel zur "Infrastruktur der LebensbewĂ€ltigung" und zwar mit einer Betonung des letzteren â nachzuvollziehen ist. Im genannten Beitrag jedoch stehen SelbstverstĂ€ndnis und Status der Jugendhilfe im Vordergrund. Zentraler Zugang zum Thema "Kindheit, Freizeit, Medien" von B. Fuhs ist die Kinderkultur als eine Angebotskultur, wĂ€hrend sie in den 50er und 60er Jahren noch auf Entscheidungen der Kinder basierte. Kinder "können und mĂŒssen" auswĂ€hlen, wie sie ihre Freizeit verbringen. Einen wesentlichen Anteil nehmen feste Termine ein, wobei die Sportvereine an erster Stelle stehen und die Anzahl der wöchentlichen Termine mit der sozialen Schicht ansteigt. Mag sich die Freizeitgestaltung auch Ă€uĂerlich jener der Erwachsenen gleichen, fĂŒr Kinder besitzt sie, worauf der Autor hinweist, einen anderen sozialen Sinngehalt als fĂŒr Erwachsene. Gern wĂŒrde man nĂ€her erfahren, wie sich der Eigensinn der Kinderkultur ausgestaltet, was möglicherweise auf das von C. Grunert bestehende Defizit qualitativer Forschung verweist. Eine stĂ€rker theorie- und methodenkritische Perspektive zum Thema "Jugend, Freizeit, Medien und Kultur" bietet der Beitrag Tholes. Dem weit gesteckten Themenfeld nĂ€hert er sich zunĂ€chst unter theoriegeschichtlicher Perspektive, um sich dann den Freizeitpraxen zuzuwenden, hier auch mit einem Blick auf Kinder, was eine gewisse Ăberschneidung mit dem vorangehenden Beitrag bedeutet. Ausgehend von den zur VerfĂŒgung stehenden Ressourcen greift er u. a. die Themenfelder Drogen, Geselligkeit, Sport auf und stellt auch die Frage nach alters- und geschlechtsspezifischen Differenzen. Ăhnlich geht er fĂŒr den Bereich der Mediennutzung vor und behandelt in einem letzten Abschnitt das Thema der Jugendkulturen. In seinem forschungskritischen Fazit hebt Thole das Theoriedefizit empirischer Forschung als auch die Diskrepanz zwischen öffentlichem Wissen und Forschungserkenntnissen hervor, eine Kritik, die auch in anderen BeitrĂ€gen dieses Handbuchs anklingt.
Das einen umfassenden und integrativen Ăberblick liefernde Handbuch wird sich sicher zu einem Standardwerk entwickeln, was man ihm auch wĂŒnschen kann. Inwiefern es bei einem solchen Projekt sinnvoll und möglich ist, einheitliche Kriterien im Aufbau der BeitrĂ€ge zu setzen, soll hier offen bleiben. Trotz ihrer strukturellen Unterschiede sind jedoch die einzelnen Artikel weitgehend unter einer historischen, methodischen, erkenntnis- und forschungskritischen Perspektive gestaltet und können so einen vertieften, zusammenfassenden Einblick in den Forschungsstand vermitteln.
EWR 2 (2003), Nr. 5 (September/Oktober 2003)
Handbuch Kindheits- und Jugendforschung
Opladen: Leske und Budrich 2002
(920 Seiten; ISBN 3-8100-3292-1; 39,00 EUR)
Manuela PietraĂ (MĂŒnchen)
Zur Zitierweise der Rezension:
Manuela PietraĂ: Rezension von: KrĂŒger, Heinz-Hermann / Grunert, Cathleen (Hg.): Handbuch Kindheits- und Jugendforschung, Opladen: Leske und Budrich 2002. In: EWR 2 (2003), Nr. 5 (Veröffentlicht am 01.10.2003), URL: http://klinkhardt.de/ewr/81003292.html
Manuela PietraĂ: Rezension von: KrĂŒger, Heinz-Hermann / Grunert, Cathleen (Hg.): Handbuch Kindheits- und Jugendforschung, Opladen: Leske und Budrich 2002. In: EWR 2 (2003), Nr. 5 (Veröffentlicht am 01.10.2003), URL: http://klinkhardt.de/ewr/81003292.html