Kein Platz im Volksheim?Die "Schwachsinnigenfürsorge" in Schweden 1916-1945Das Sozial- und Bildungssystem Schwedens besitzt in Deutschland vielfach einen ausgezeichneten Ruf. Thomas Barow zeigt in seiner historischen Untersuchung der schwedischen Schwachsinnigenfürsorge jedoch, dass die Entwicklung nuanciert zu betrachten ist. Bemühungen um soziale Eingliederung lassen sich ebenso erkennen wie Tendenzen der Ausgrenzung.
Auf der Grundlage umfangreicher Literatur- und Archivstudien werden vielschichtige und zum Teil widersprüchliche Prozesse gesellschaftlicher Modernisierung dargelegt und analysiert. Charakteristisch waren Rationalisierung und Psychiatrisierung der fürsorgerischen Arbeit. Hinzu kam ein zunehmender Einfluss eugenischen Gedankenguts, was sich z.B. im Sterilisationsgesetz von 1934/35 widerspiegelte. Parallel dazu wurde die ursprüngliche, pädagogische Ausrichtung der Schwachsinnigenfürsorge zurückgedrängt, lebte jedoch in Einrichtungen wie dem Seminar Slagsta in gewissem Umfang fort. Das traditionelle philanthropische Motiv „Vom Zehrenden zum Ernährenden“ erhielt neue Bedeutung: Die einseitige Betonung der Arbeitsfähigkeit verstärkte Tendenzen des sozialen Aus-schlusses, begünstigte allerdings auch die Einführung der Schulpflicht für bildungsfähige Schwachsinnige 1944/45. In diesem Kontext kam es zu einer strategischen Allianz zwischen Schwachsinnigenfürsorge und Eugenik. Deren gemeinsame Grundlage war ein Nützlichkeitsdenken, dessen Wurzeln fest in der schwedischen Gesellschaft verankert waren. Normalisierung bedeutete hier die Anpassung des Individuums an gesellschaftliche Normen und Werte. Besonders während des Zweiten Weltkrieges hatten Menschen, die als schwachsinnig galten, unter dieser Ausrichtung zu leiden. |
Open Access
2009. 438 Seiten, kartoniert
ISBN 978-3-7815-1670-0
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