Julius-Klinkhardt-Preis / Preisverleihung 2011

Julius-Klinkhardt-Preis 2011

PreistrÀgerin: Frau Dr. Kerstin te Heesen

Den Julius-Klinkhardt-Preis 2011 erhielt Frau Dr. Kerstin te Heesen fĂŒr ihre 2009 an der Ruhr-UniversitĂ€t Bochum angenommene Dissertation mit dem Titel "Das illustrierte Flugblatt als Wissensmedium der frĂŒhen Neuzeit".

Die Laudatio hat folgenden Wortlaut:

Frau Dr. te Heesen beschĂ€ftigt sich in ihrer Dissertation mit illustrierten FlugblĂ€ttern der FrĂŒhen Neuzeit und fragt nach deren didaktischem Gehalt. Sie selbst ordnet ihre Arbeit ein in die Geschichte der Vermittlungsintentionen von Wissen und Orientierungen an Erwachsene, die lange vor der Etablierung einschlĂ€giger Institutionen der Erwachsenenbildung begann. Sie zeigt zunĂ€chst eindrucksvoll, welche revolutionĂ€ren VerĂ€nderungen sich in der FrĂŒhen Neuzeit bezĂŒglich Wissensvermittlung und -aneignung vollzogen und arbeitet die Bedeutung des Buchdrucks als Basis fĂŒr eine zunehmend medial gestĂŒtzte Vermittlung von Wissen heraus. Plastisch charakterisiert sie anschließend das illustrierte Flugblatt mit seinen je spezifischen AusprĂ€gungen des Zusammenspiels von Bild und Text und nimmt fĂŒr ihre nachfolgenden detaillierten Interpretationen von - aus Flugblattsammlungen ausgewĂ€hlten - 12 illustrierten FlugblĂ€ttern eine Kategorisierung dieser in BlĂ€tter zur moralischen Unterweisung, zur Vermittlung von alltĂ€glichem und wissenschaftlichem Wissen, zur christlichen Erbauung und Belehrung sowie zur Unterhaltung vor. Allen diesen Arten von FlugblĂ€ttern - auch den "unterhaltenden", die immer zugleich etwas beibringen wollen - ist eine didaktische Dimension zu Eigen. AusfĂŒhrlich geht Frau te Heesen auf ihre Methode der Flugblattinterpretation ein, wobei neben der Text- die Bildanalyse eine besondere Herausforderung darstellt. Überzeugend legt sie dar, warum und wie sie sich hierbei an der von Ralf Bohnsack entwickelten "dokumentarischen Methode" orientiert. Die anschließende exemplarische Flugblattanalyse zeugt davon, dass die PreistrĂ€gerin nicht nur ĂŒber breites methodologisches Wissen, sondern auch ĂŒber hervorragendes methodisches Können verfĂŒgt, durch das die illustrierten FlugblĂ€tter in ihrer inhaltlichen, graphischen und didaktischen Dimension dem Leser/der Leserin sehr plastisch vor Augen gestellt und WissensbestĂ€nde, Denkweisen, Wertorientierungen der FrĂŒhen Neuzeit vorstellbar werden - sehr eindrĂŒcklich beispielsweise interpretiert das VerstĂ€ndnis des GeschlechterverhĂ€ltnisses.

Zusammenfassend sind es mindestens vier Aspekte, die die Arbeit von Frau Dr. te Heesen preiswĂŒrdig machen: Zum einen die Entdeckung und Fruchtbarmachung des - bisher als erziehungswissenschaftliche Quelle vollstĂ€ndig vernachlĂ€ssigten - Genres "Illustriertes Flugblatt" fĂŒr die historische Bildungsforschung; damit verbunden zum zweiten die Herausarbeitung der bildungshistorischen Bedeutsamkeit der frĂŒhen Neuzeit durch neue Formen der Vermittlung und Aneignung; zum dritten die historische Fundierung aktueller Diskussionen in der Erwachsenenbildung ĂŒber informelles, selbstgesteuertes Lernen und damit die BestĂ€tigung der Unverzichtbarkeit historischer Fragestellungen in den Teildisziplinen der Erziehungswissenschaft, wenn man nicht Neuigkeitsmythen erliegen will und zum vierten schließlich die hervorragenden text- und vor allem auch bildhermeneutischen, ikonographischen und ikonologischen Interpretationen der herangezogenen Quellen.