EWR 9 (2010), Nr. 6 (November/Dezember)

Nadine Ă–hding
Interaktive Experimentierstationen im Elementarbereich
Eine kategoriengeleitete Videostudie zur Analyse des Lern- und Arbeitsverhaltens von Kindergartenkindern im Vorschulalter an interaktiven Experimentierstationen
Hamburg: Kovač 2009
(330 S.; ISBN 978-3-8300-4654-7; 88,00 EUR)
Interaktive Experimentierstationen im Elementarbereich Nadine Öhding leistet mit ihrer Videostudie zum Lern- und Arbeitsverhalten von Kindergartenkindern im Vorschulalter an interaktiven Experimentierstationen einen wichtigen Beitrag zur Grundlagenforschung im Elementarbereich. Der Schwerpunkt der Studie liegt auf der frühen Förderung naturwissenschaftlich-technischer Interessen. Im Fokus der Untersuchung, deren Ergebnisse mit zahlreichen Tabellen, Grafiken und Bildern veranschaulicht werden, stehen die Analyse der Lernintensität und das Niveau der Bedeutungsentwicklung der Experimente.

Die Arbeit hat ihren Ursprung in der wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation des Projektes „Versuch macht klug“, das in der vorliegenden Arbeit auch ausführlich beschrieben wird (Kap. 2). Dem Projekt liegen Wagenscheins genetisch-sokratisch-exemplarische Methode zu Grunde sowie die Ansätze zum selbstgesteuerten, entdeckenden Lernen. Damit steht dieser Ansatz den wissenschaftlichen Arbeiten Lücks gegenüber, die den Bereich der frühen naturwissenschaftlichen Grundbildung in Deutschland wesentlich geprägt haben. An Experimentierstationen (Begehbare Brücke, Längster Weg und Kugelralley) sollen die Kinder selbstorganisiert ihren Forschungsprozess steuern und im gemeinsamen Dialog subjektiv tragfähige Erklärungen zu beobachteten Phänomenen finden (8) ohne dabei vorgefertigte „kindgerechte“ Erklärungen zu den Experimenten zu erhalten [1].

Die Datengrundlage der Studie sind Audio-Video-Aufzeichnungen des Experimentierverhaltens von 179 Kindergartenkindern aus 9 Kindertagesstätten in Schleswig-Holstein, die der 18-monatigen Hauptuntersuchung des Projektes „Versuch macht klug“ entstammen. Das umfangreiche Material wurde sowohl quantitativ (Kap. 6) als auch qualitativ (Kap. 7) mit kategoriengeleiteten Videoanalysen sowie mit qualitativen, inhaltsanalytischen Kategorien (mit MaxQDA) ausgewertet. Zusätzlich wurden Follow-up Tests (Kap. 8), Einzelfallanalysen sowie vergleichende Analysen zwischen Jungen und Mädchen erstellt (Kap. 9).

Für die Video-Feldstichprobenuntersuchung im Ex-post-facto-Längsschnitt-Design stellen die Überlegungen von Barriault [2] sowie mehrere Untersuchungen von Aufschnaiter u. a. den Ausgangspunkt der Untersuchung dar [3]. Demnach sind durch die Analyse von Handlungen und Sprechhandlungen Rückschlüsse auf die Intensität der Lernerfahrungen und auf die Erzeugung lernwirksamer Bedeutungen möglich.

Die Studie zeigt unter anderem, dass Kindergartenkinder im Alter von 5 Jahren die Fähigkeit zur internen Lernsteuerung besitzen und selbstgesteuert sowie zielorientiert an interaktiven Experimentierstationen arbeiten können (280). Des Weiteren kann in Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Sodian et al. [4] gezeigt werden, dass die Relevanz einer systematischen Hypothesenprüfung von diesen Kindern erkannt wird und dass sie auf der Grundlage von Kausalzusammenhängen physikalisch adäquate Erklärungsmuster bilden (281).

Die positiv ermittelte Langzeitwirkung der interaktiven Experimentierstationen des Projektes „Versuch macht klug“ sowie die übrigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Herangehensweise von „Versuch macht klug“ eine geeignete Methode zur Verwirklichung von Bildungs- und Entwicklungszielen in Kindertagesstätten ist. Im Vordergrund steht mehr die Ausbildung von individuellen, grundlegenden Kompetenzen (z.B. Steuerung des eigenen Lernprozesses, selbstständige Erfassung von Problemstellungen, Findung kreativer Lösungsansätze) als die Vermittlung von Faktenwissen. Die Ergebnisse der Studie dürften vor allem Elementar-, aber auch Grundschulpädagogen zum Nachdenken, Handeln und zu weiterer Forschungsaktivität anregen.

[1] Gisela Lück (2007): Forschen mit Fred – Naturwissenschaften im Kindergarten. Oberursel: Finken Verlag.

[2] Chantal Barriault (1999): The science-center learning experience – a visitor based framework. In: The Informal Learning Review, H. 1.

[3] Stefan v. Aufschnaiter / Manuela Welzel (1997): Wissensvermittlung durch Wissensentwicklung: Das Bremer Komplexitätsmodell zur quantitativen Beschreibung von Bedeutungsentwicklung und Lernen. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Jg.3, H. 2; S. 43-58.

[4] Beate Sodian / Susanne Koerber / Claudia Thoermer (2006): Zur Entwicklung des naturwissenschaftlichen Denkensim Vor- und Grundschulalter. In Peter Nentwig /; Sascha Schanze (Hrsg.) (2006). Es ist nie zu frĂĽh! Naturwissenschaftliche Bildung in jungen Jahren. MĂĽnster: Waxmann.
Souheila Othmani (Braunschweig)
Zur Zitierweise der Rezension:
Souheila Othmani: Rezension von: Ă–hding, Nadine: Interaktive Experimentierstationen im Elementarbereich, Eine kategoriengeleitete Videostudie zur Analyse des Lern- und Arbeitsverhaltens von Kindergartenkindern im Vorschulalter an interaktiven Experimentierstationen. Hamburg: Kovač 2009. In: EWR 9 (2010), Nr. 6 (Veröffentlicht am 08.12.2010), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978383004654.html