EWR 8 (2009), Nr. 3 (Mai/Juni)

Nadine Grochla
Qualität und Bildung
Eine Analyse des wissenschaftlichen Diskurses in der Frühpädagogik
MĂĽnster: Lit 2008
(184 S.; ISBN 978-3-8258-1764-0; 19,90 EUR)
Qualität und Bildung Nadine Grochlas Buch ist Teil der Reihe „Vechtaer Beiträge zur Frühpädagogik“. Ziel der Autorin, Promotionsstipendiatin an der Hochschule Vechta, ist es, den wissenschaftlichen Diskurs in der Frühpädagogik zu beleuchten. Vor dem Hintergrund von Bourdieus Theorie des sozialen Raums will sie die Positionen von zehn einschlägigen Wissenschaftler/innen in der Frühpädagogik und ihre jeweiligen Konzepte und Ansätze zu Qualität und Bildung analysieren.

Im ersten Teil der Arbeit untersucht Nadine Grochla, welche Bedeutung dem Qualitätskonstrukt innerhalb der Debatte um die Kindertagesbetreuung zukommt. Sie fragt danach, welchen Qualitätsbegriff die jeweiligen Wissenschaftler/innen favorisieren und unterscheidet hierbei, inwiefern die Wissenschaftler/innen einschließende, das heißt dialogorientierte und partizipativ ausgerichtete Ansätze bevorzugen oder aber ausschließende Konzepte verfolgen. Damit bezeichnet Grochla expertokratische, d. h. auf ein Expert/innenurteil beruhende, „rigide“ (46) Zugänge zur Bestimmung von Qualität. Anhand der jeweiligen Qualitätskonzepte und in der vergleichenden Analyse ausgewählter Forschungsansätze arbeitet Nadine Grochla Unterschiede in den Positionen der Wissenschaftler/innen heraus.

Die Arbeiten, die innerhalb der Nationalen Qualitätsinitiative zu verorten bzw. aus dieser Initiative hervorgegangen sind, platziert die Autorin an der Schnittstelle von Qualitäts- und Bildungsdebatte in der Frühpädagogik. Sie erörtert die Frage, ob die Projekte zu einem Konsens innerhalb der Qualitätsdebatte geführt haben – eine Frage, die sie weitgehend verneint (72). Diese Darstellungen bilden die Verbindung zum zweiten Teil der Arbeit, der sich mit den Bildungsbegriffen der Wissenschaftler/innen in der Frühpädagogik beschäftigt. Anhand der Konzeptualisierungen von Bildung arbeitet Nadine Grochla die „persönlichen“ Differenzen (76) zwischen den Wissenschaftler/innen heraus. Hier geht sie insbesondere auf die meist als Gegensätze aufgebauten Konzepte der Selbstbildung und Bildung als Ko-Konstruktion ein (116), auch spielen die Überlegungen zum Situationsansatz eine Rolle sowie das Verhältnis von Kompetenz- und Bildungsbegriff. Abschließend kommt die Autorin zu dem Schluss, dass die Wissenschaftler/innen stets darum bemüht seien, sich gegen ihre Konkurrenz im frühpädagogischen Feld abzugrenzen (169), was sich in ihren impliziten und/oder expliziten Kontroversen um die Begriffe und Zugänge zu Qualität und Bildung zeige.

Insgesamt richtet die Autorin ihren Hauptfokus darauf, „Konformität“ einerseits und „unüberwindbare Differenzen“ (10) andererseits in den Positionen und Ansätzen zur Bestimmung von Qualität und Bildung bei den von ihr ausgewählten Wissenschaftler/innen herauszuarbeiten. Hierbei kommt Nadine Grochla zu Befunden von implizit und explizit beobachtbaren „Freund- und Feindschaften“ (169).

Das Buch bzw. die Reihe richtet sich u. a. an bildungspolitische Funktionsträger/innen, (Fortbildungs-)Beauftragte, Dozierende, Studierende, Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen und an Eltern. Diese Zielgruppen werden durch die Lektüre über unterschiedliche einschlägige Projekte und Ansätze in der Frühpädagogik in den vergangenen Jahren informiert. Sie erfahren, wie unterschiedlich Qualität und Bildung in der Frühpädagogik konzeptualisiert werden und inwiefern die ausgewählten Wissenschaftler/innen sich in ihren Argumentationen auf andere Positionen beziehen, explizit Verbindungen und Parallelen aufzeigen oder aber sich abgrenzen. Als Einführungsbuch ist das Buch daher geeignet; es bietet für die frühpädagogischen Debatten hingegen kaum neue Aspekte oder Impulse.

Die theoretische Grundlage, die Theorie des sozialen Raums, wird in der Einleitung zwar benannt, aber nicht ausgearbeitet und spielt auch in der Darstellung der Konzepte und Ansätze oder auch der Vorstellung und „Verortung“ der zehn ausgewählten Wissenschaftler/innen keine nennenswerte Rolle. Dadurch wird die von der Autorin anvisierte Analysestrategie nicht deutlich genug erkennbar und die herausgearbeiteten analytischen Konzepte und die wissenschaftlichen Kontroversen um Begriffe und Ansätze werden als Positionierungsstrategien der Wissenschaftler/innen im Feld der frühen Kindheit aufgefasst und vorschnell als „Freund- und Feindschaften“ interpretiert. Daher kann die Arbeit dem sehr ambitionierten Vorhaben, das Feld der frühen Kindheit mit einem elaborierten theoretischen Ansatz (diskurs-)analytisch zu erschließen, nicht gerecht werden.

Dennoch liefert die Arbeit von Nadine Grochla erste Einblicke in ein bislang sehr randständig untersuchtes wissenschaftliches Feld, so dass ihre Idee, das wissenschaftliche Feld der Frühpädagogik einer theoretisch ausgewiesenen Diskursanalyse zu unterziehen, Kontur gewinnt und sich als ein sehr lohnenswertes und ertragreiches Unterfangen erweisen könnte.
Tanja Betz (MĂĽnchen)
Zur Zitierweise der Rezension:
Tanja Betz: Rezension von: Grochla, Nadine: Qualität und Bildung, Eine Analyse des wissenschaftlichen Diskurses in der FrĂĽhpädagogik. MĂĽnster: Lit 2008. In: EWR 8 (2009), Nr. 3 (Veröffentlicht am 05.06.2009), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978382581764.html