EWR 21 (2022), Nr. 3 (Juli)

Timo Beckmann / Timo Ehmke
Mentoring in schulischen Praxisphasen
Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt 2021
(126 S.; ISBN 978-3-8252-5593-0; 14,90 EUR)
Mentoring in schulischen Praxisphasen Mentoring stellt in der Begleitung von angehenden Lehrpersonen eine international gängige Praxis dar. Die Frage danach, wie gelingendes Mentoring gestaltet wird, und welche Funktionen der Mentoringprozess umfassen kann, ist sowohl für Forschende verschiedener akademischer Disziplinen als auch für Akteur:innen der Bildungspraxis von Interesse. Die 2021 erschienene Publikation knüpft an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse an und stellt ausgehend von Unterricht als Kernaufgabe von Lehrpersonen die Vergegenwärtigung von Professionalisierungsprozessen und wie diese durch bewusst gestaltete Lerngelegenheiten gefördert werden können in den Mittelpunkt. Im Fokus steht hierbei die Reflexion der Frage, wie Personen lernen können, Lehrkraft zu sein und welche Lerngelegenheiten und Unterstützungsangebote ihnen dabei behilflich sein können. Anhand ausgewählter Materialien wird den Leser:innen ein praxisorientierter Überblick über die Thematik gegeben und bietet somit einen Einblick in ein Unterstützungsmodell angehender Lehrkräfte, das insbesondere die kollaborative Planung, Durchführung und Reflexion von Unterricht ins Zentrum rückt.

Beginnend mit der Darstellung der inhaltlichen Struktur erläutern die Herausgeber in insgesamt sieben Kapitel wie Mentor:innen dieses Buch für ihre Tätigkeit in der Lehrkräftebildung nutzen können. Ausgehend von konkreten Situationen in der Begleitung von Lehramtsstudierenden werden wichtige Begriffe, Konzepte und Zusammenhänge dargestellt und eingeordnet und in weiterer Folge durch gezielte Reflexionsanregungen für Mentor:innen, Literaturhinweise und Arbeitsmaterialien in einen praxisnahen Kontext gesetzt.

Der kumulative Expertiseaufbau der angehenden Lehrpersonen wird im zweiten Kapitel anhand einer Erläuterung von Kompetenzbereichen als übergreifende Zielsetzung der Lehrerausbildung dargelegt und durch die Formulierung von Zielen schulischer Praxisphasen gestützt. Darauf aufbauend werden konkrete Ausgestaltungsoptionen von Lerngelegenheiten in schulischen Praxisphasen vorgestellt und durch empirische Forschungsergebnisse gewonnene Merkmale, die zu gelingenden Lernerfahrungen beitragen können, bestätigt. Reflexionsanregungen für Mentor:innen zu persönlichen Erfahrungen aus der Ausbildungszeit mit Fokus auf lernwirksamen Momenten und Materialien zur Gestaltung der ersten Praktikumstage leiten zum dritten Kapitel, welches die Zusammenarbeit der beteiligten Personengruppen bzw. Institutionen thematisiert, über.

Zunächst erfolgt eine Abgrenzung und Beschreibung der verschiedenen Rollen von Mentor:innen, Lehrkräftebildner:innen und Studierenden in Praxissituationen, um in der Folge die Zusammenarbeit zwischen Mentor:innen und Studierenden angeleitet zu reflektieren. Neben dem Zusammenhang zwischen der eigenommenen Rolle und dem eigenen Verständnis vom Mentoring wird die Art der Unterstützung, welche durch Mentor:innen in der Schule stattfindet, und die Kohärenz und Passung zwischen den verschiedenen beteiligten Institutionen als besonders relevant hervorgehoben. Der praktische Ansatz wird in diesem Kontext durch Aufgaben für angehende Lehrkräfte und Anregungen für Mentor:innen, die dabei unterstützen sollen die eigene Rolle zu finden und gleichzeitig die Zusammenarbeit zu gestalten, deutlich und klar dargelegt.

Eine für die Schüler:innen lernwirksame sowie für die Studierenden professionalisierende Unterrichtsdurchführung setzt eine entsprechende Planung des Unterrichts voraus, betonen die beiden Autoren. Im Kontext von schulischen Praxisphasen erfüllt die Unterrichtsplanung zudem die Funktion des Abgleichs von Erwartungen zwischen den beteiligten Personengruppen. Da eine ausführliche Unterrichtsplanung hohe Anforderungen an die angehenden Lehrpersonen stellt, regen die Autoren ein an konstruktivistischen Prinzipien orientiertes Mentoring an, dass sich in diesem Zusammenhang durch einen kollaborativen Planungsprozess manifestiert. Des Weiteren wird an dieser Stelle die Verbindung zur Beobachtung von Unterricht dargelegt und beschrieben, wie man bereits während der Unterrichtsplanung Kriterien einer späteren Unterrichtsbeobachtung bewusst einplanen kann.

Im Anschluss daran widmen sich die Autoren den Zielen und Potentialen von Unterrichtsbesprechungen und heben das gemeinsame Gespräch über Unterricht als zentrale Lerngelegenheit im Professionalisierungsprozess von angehenden Lehrkräften hervor. Um das Gespräch über Unterricht im konstruktivistischen Sinne lernwirksam zu gestalten und einen Kompetenzerwerb der Studierenden zu fördern, werden Gestaltungsprinzipien als Empfehlungen an die Mentor:innen formuliert. Hinweise zum Zusammenhang zwischen Unterrichtsplanung, Unterrichtsdurchführung und Unterrichtsreflexion bzw. Feedback, sowie praktische Beispiele zu Ablaufschemata für Unterrichtsbesprechungen unterstützen die Leser:innen bei der Umsetzung lernwirksamer Begleitung von Studierenden.

Während die Ausführungen der ersten fünf Kapitel insbesondere die Planung, Durchführung und Nachbereitungen einzelner Unterrichtsstunden bzw. einzelner unterrichtlicher Situationen thematisieren, wird der Fokus im sechsten Kapitel auf die übergreifende Eignungsreflexion als Lehrkraft sowie die professionelle Entwicklung der Studierenden in der Gesamtheit gelegt. Um als Mentor:in ein Gespräch über die professionelle Entwicklung zu initiieren, bedarf es zunächst einer Vorstellung darüber, welche Kompetenzen Lehrkräfte benötigen und wie sich die Entwicklung dieser beschreiben lassen. Die Autoren greifen in diesem Kontext auf ein Stufenmodell nach Dreyfus und Dreyfus [1] zurück, welches die Entwicklung von Expertise in fünf Stufen abbildet. Die eigene Positionierung innerhalb eines solchen Modells kann mit der Fremdwahrnehmung des bzw. der Mentor:in abgeglichen werden, um besonders relevante Aspekte für ein Reflexionsgespräch herauszuarbeiten. Im Kontext der Wahrnehmung individueller Möglichkeiten zur Professionalisierung von Studierenden wird eine Studie von Zorn und Rothland [2] zitiert, die Lehramtsstudierende in vier Typen von Professionalisierungsverständnissen einteilt. Die weiteren Ausführungen verdeutlichen dies als optionalen Ansatz, um die aktuell begleitenden angehenden Lehrkräfte individuell bestmöglich in ihrer Entwicklung zu fördern und die Reflexionsgespräche gezielt anzuleiten. Reflexionsanregungen für Mentor:innen und ein kommentiertes Gespräch als Beispiel für eine gelingende Reflexion arbeiten die theoretischen Erkenntnisse dieses Kapitels praktisch auf.
Auf praxisorientierte Weise schließt diese Publikation im siebten Kapitel mit typischen, schwierigen Situationen in der Begleitung angehender Lehrpersonen ab, die durch einordnende Impulse, Reflexionsfragen und mögliche Herangehensweisen für Mentor:innen die Leser:innen bei der Begleitung von Studierenden unterstützen sollen.

Das rezensierte Buch überzeugt vor allem durch die Verbindung von wissenschaftlichen Erkenntnissen mit konkreten praktischen Beispielen und Umsetzungsmöglichkeiten für Mentor:innen in der Begleitung von angehenden Lehrkräften. So werden zum Beispiel vielfältige Reflexionsanregungen für Mentor:innen und Aufgabenvorschläge zur Weiterreichung und zur gemeinsamen Bearbeitung mit Studierenden vorgestellt, die den gemeinsamen Entwicklungsprozess der beteiligten Akteur:innen unterstützen. Passend zum jeweiligen Thema des Kapitels vertiefen und illustrieren gelungene Arbeitsmaterialien in Kombination mit Literaturhinweisen die konkreten Inhalte.

Dieser wissenschaftlich-praxisorientierte Ansatz bietet sowohl der scientific community, Mentor:innen und Interessierten einen Überblick über die Thematik als auch eine Handlungsgrundlage für eine effiziente Begleitung von angehenden Lehrpersonen.

[1] Dreyfus, H. L. & Dreyfus, St. E. (1987). Künstliche Intelligenz. Von den Grenzen der Denkmaschine und dem Wert der Intuition. Rowohlt. (Orig.: Mind over Machine. The Power of Human Intuition and Expertise in the Era of the Computer. The Free Press, 1986).
[2] Zorn, S. K. & Rothland, M. (2020). Auf (Ab-)Wegen oder: Wie man eine „professionelle“ Lehrkraft wird. In I. Ulrich & A. Gröschner (Hrsg.), Praxissemester im Lehramtsstudium in Deutschland: Wirkungen auf Studierende (S. 129-153.). Wiesbaden: Springer VS.
Lisa Stieger (Baden bei Wien)
Zur Zitierweise der Rezension:
Lisa Stieger: Rezension von: Beckmann, Timo / Ehmke, Timo: Mentoring in schulischen Praxisphasen. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt 2021. In: EWR 21 (2022), Nr. 3 (Veröffentlicht am 26.07.2022), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978382525593.html