EWR 20 (2021), Nr. 3 (Mai/Juni)

Colin Cramer/ Johannes König/ Martin Rothland/ Sigrid Blömeke (Hrsg.)
Handbuch LehrerInnen- und Lehrerbildung
Bad Heilbrunn / Stuttgart: Julius Klinkhardt / UTB 2020
(894 S.; ISBN 978-3-8252-5473-5; 49,90 EUR)
Handbuch LehrerInnen- und Lehrerbildung Strukturelle sowie gesellschaftliche Entwicklungen fordern die Lehrer/-innenbildung gegenwarts- und zukunftsorientiert auszurichten und vor dem Hintergrund von Entwicklungsprozessen kontinuierlich zu diskutieren und weiterzuentwickeln. Diesen Anspruch setzten sich auch die Autor/-innen des „Handbuchs Lehrerinnen- und Lehrerbildung“, die mit der Neuausgabe aktuelle Entwicklungen sowie zentrale zeitgemäße Diskurse im deutschsprachigen Raum repräsentieren möchten.

Das Nachschlagewerk kann als Weiterführung des „Handbuch Lehrerbildung“ aus dem Jahr 2004 [1] gesehen werden. Das Repertoire an Handbüchern ist im englisch- sowie deutschsprachigen Raum im Zusammenhang mit dem Lehrberuf gut aufgestellt, es gibt jedoch bisher speziell für den deutschsprachigen Raum kein Handbuch, das zentrale Entwicklungen im Zuge der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ und den damit verbundenen Reformanstrengungen diskutiert. Das zentrale Anliegen der Autor/-innen Forschung, Lehre und Entwicklung im deutschsprachigen Raum in ihrem Werk zu vereinen, ist ihnen sehr gut gelungen. Die Autor/-innen zeigen, wie sich in den letzten Jahren die Forschungslage in der Lehrer/-innenbildung zu einem umfangreichen, heterogenen und evidenzorientierten Feld entwickelt hat. Spannend für die Leser/-innen sind zudem die herausgearbeiteten Desiderate sowie Notwendigkeiten, welche neue Perspektiven in unterschiedlichen Feldern aufzeigen.

Die Autor/-innen präsentieren einen systematischen und forschungsbasierten Überblick zu weiten Bereichen der Lehrer/-innenbildung. Die 108 Beiträge von insgesamt 174 Autor/-innen liefern ein mehrperspektivisches und breites Orientierungswissen zu fachlichen, fachdidaktischen, bildungswissenschaftlichen und schulpraktischen Diskursen. Der Aufbau des Handbuchs ist kohärent und nachvollziehbar. Es unterteilt sich in 11 größere thematische Abschnitte. Der thematische Bogen spannt sich von Aufgaben, Herausforderungen, Ansätzen und Methoden in der Lehrer/-innenbildung über die Geschichte, Entwicklungen und Qualifikationswege bis hin zu zentralen Komponenten der Lehrer/-innenbildung wie die Fachdidaktik, Bildungswissenschaften oder der Schulpraxis. Der letzte Abschnitt widmet sich spezifischen Akteur/-innen wie Lehramtsstudierende, Referendar/-innen, Lehrer/-innenbildende sowie Entscheidungstragende.

Inhaltlich werden im vorliegenden Handbuch auf aktuell relevante Themen wie Inklusion, Digitalisierung, sprachsensibler Unterricht, (Multi-)Professionelle Kooperation, Berufsethos, lebenslanges Lernen oder Metareflexion Bezug genommen. Zudem werden explizite strukturelle Entwicklungen wie Reformmaßnahmen und die damit verbundenen Forschungsaktivitäten, die Einführung eines Praxissemesters in der Lehrer/-innenbildung in Deutschland oder die Bedeutung des Mentorings thematisiert. Das Handbuch greift zudem vielfach diskutierte, aber zentrale Inhalte der Lehrer/-innenbildung wie das Thema der Beratung, Diagnostik, des Unterrichtens, der Erziehung, Gesundheit oder Diskurse und Ansätze in der Lehrer/-innenbildung auf. Die Autor/-innen der Beiträge stützen sich hierbei jedoch nicht nur auf ältere empirische Befunde, sondern bringen durch die Verbindung mit aktuellen, mehrperspektivischen Ansätzen und Befunde einen frischen Wind und neue Perspektiven in die Forschungslandschaft. Des Weiteren werden im vorliegenden Handbuch bildungswissenschaftliche Inhalte (Psychologie, Philosophie, Soziologie, Erziehungswissenschaft oder Sonderpädagogik in der Lehrer/-innenbildung), praxisrelevante Themen, methodische Fragen sowie spezifische Inhalte für Lehrer/-innenausbildende behandelt. Der Anspruch der Herausgeber/-innen eine „umfassende Darstellung forschungsbasierten Wissens zur (institutionalisierten) Professionalisierung von Lehrerinnen und Lehrern, ihrer Geschichte und ihren herausfordernden Bedingungen, ihrer unterschiedlichen Ansätze, Komponenten, Konzepte und Methoden […]“ (11) vorzulegen, wird damit im vorliegenden Werk gerecht. Als innovativ sind vor allem die praxistheoretischen Zugänge zur Lehrer/-innenprofessionalisierung hervorzuheben. Vermissen könnte der eine oder die andere Leser/-in vergleichsweise junge Ansätze wie phänomenologische Professionalisierungsansätze, die im Handbuch nicht abgebildet werden.

Die Vielfalt der Themen spiegelt die Komplexität sowie auch die Mehrperspektivität der Lehrer/-innenbildung wider und verdeutlicht die wesentliche Rolle unterschiedlicher Akteur/-innen für eine (institutionalisierte) Professionalisierung von Lehrpersonen. Ein besonderer Mehrwert aller Beiträge zeigt sich in der jeweils vorhandenen Darstellung des nationalen sowie auch internationalen Forschungsstandes, die thematische Relevanz zum Lehrberuf sowie der durchgängige Verweis auf interessante weiterführende Literatur.

Wie auch im Vorgängerwerk beinhaltet das Buch einen umfassenden fachdidaktischen Teil. Die Darstellung einzelner zentraler Unterrichtsfächer unterschiedlicher Schulstufen heben die Bedeutung des Faches mit ihren jeweiligen Forschungsschwerpunkten und Trends hervor. Werden bei den Herausforderungen und Perspektiven Wirkungszusammenhänge zur Lehrer/-innenbildung angedeutet, bleiben diese jedoch auch in diesem Band unterrepräsentiert.

Konstatieren die Autor/-innen den deutschsprachigen Raum – Deutschland, Österreich, Schweiz – mit ihrem Handbuch abzudecken, ist ihnen dies nur in Teilen gelungen. Zentrale Entwicklungen in Österreich wie die Implementierung der „PädagogInnenbildung Neu“ und den damit verbundenen Maßnahmen wie die Induktionsphase für den Berufseinstieg von Lehrpersonen sowie aktuelle Reformmaßnahmen in der Schweiz werden im vorliegenden Werk ungenügend thematisiert. Die Beiträge orientieren sich vorwiegend an deutschen Strukturen und Forschungsaktivitäten, was wiederum durch die Auswahl der Autor/-innen verstärkt wird. Dieses Bild setzt sich auch im fachdidaktischen Teil (Kapitel VI) des Buches fort, in denen curriculare Zusammenhänge und Forschungsschwerpunkte vorwiegend vor dem Hintergrund deutscher Entwicklungen diskutiert werden.

Das Handbuch richtet sich an Forschende und Lehrende im Bereich der Lehrer/-innenbildung an Hochschulen, Studienseminaren und Ausbildungsschulen sowie der Fort- und Weiterbildung, an Lehramtsstudierende, Referendar/-innen, Lehrer/-innen und die Bildungsadministration. Es dient somit unterschiedlichen Adressat/-innen zum Nachschlagen und vermittelt grundlegende Informationen für anstehende Debatten und Diskurse um die Reform von Lehrer/-innenbildung. Sprachlich könnte es jedoch für Leser/-innen (v. a. für Praktiker/-innen sowie Studierende) ohne Vorwissen und Fachvokabular eine Herausforderung sein, einzelne Beiträge aufgrund der stark wissenschaftlichen Ausrichtung zur Gänze zu verstehen.

Den Herausgeber/-innen gelingt es zeitgemäße Diskurse und Entwicklungen aufzugreifen und zu diskutieren sowie durch die Darstellung vielseitiger Themen die Komplexität der Lehrer/-innenbildung abzubilden. Positiv ist der Open-Access Zugang hervorzuheben, der einen uneingeschränkten Zugang zu allen Beiträgen ermöglicht.

[1] Blömeke, Sigrid et al. (2004): Handbuch Lehrerbildung. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.
Ann-Kathrin Dittrich (Innsbruck)
Zur Zitierweise der Rezension:
Ann-Kathrin Dittrich: Rezension von: Cramer, Colin / König, Johannes / Rothland, Martin / Blömeke, Sigrid (Hg.): Handbuch LehrerInnen- und Lehrerbildung. Bad Heilbrunn / Stuttgart: Julius Klinkhardt / UTB 2020. In: EWR 20 (2021), Nr. 3 (Veröffentlicht am 07.07.2021), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978382525473.html