EWR 8 (2009), Nr. 5 (September/Oktober)

Sammelrezension Weiterbildungs- und Berufsberatung

Jörg Knoll
Lern- und Bildungsberatung
Professionell beraten in der Weiterbildung
Bielefeld: Bertelsmann 2008
(131 S.; ISBN 978-3-7639-1956-7; 16,90 EUR)
Christiane Schiersmann / Miriam Bachmann / Alexander Dauner / Peter Weber
Qualität und Professionalität in Bildungs- und Berufsberatung
Bielefeld: Bertelsmann 2008
(193 S.; ISBN 978-3-7639-4200-8; 24,90 EUR)
Lern- und Bildungsberatung Qualität und Professionalität in Bildungs- und Berufsberatung Die Bedeutsamkeit und Notwendigkeit professionellen Handelns in (pädagogischen) Beratungskontexten ist allgemein anerkannt und wird in den letzten Jahren vermehrt auch von politischer Seite betont. Die Debatte über (die Verbesserung von) Qualität und Professionalität in Beratungshandlungsfeldern steht national wie international im Kontext der Entwicklung eines Europäischen (bzw. Deutschen) Qualifikationsrahmens für den Bereich der (Weiter-) Bildung insgesamt. Das Ziel dieses Programms ist es, Mobilität und lebenslanges Lernen europaweit zu fördern, weshalb die Bedeutung von Beratung als Element der Förderung ansteigt. Bislang liegt in Deutschland kein abschließender Qualifikationsrahmen für den Bildungsbereich vor.

Man kann sich dem Thema Beratung und Professionalität aus unterschiedlichen Perspektiven zuwenden. Wer sich für Beratung als prozessuale Handlungsform interessiert, richtet den Blick auf die performative Ebene und die Frage nach der situativen Prozessgestalt in Abhängigkeit vom Beratungsgegenstand, den relevanten Kontexten, den anwesenden Personen und institutionellen Rahmenbedingungen. Ist man hingegen eher an der Steuerbarkeit und Gewährleistung eines professionellen Angebots interessiert, geraten Standards, Kompetenzkataloge und Qualitätsentwicklungsverfahren sowie die Frage nach der Messbarkeit von Professionalität in den Betrachtungsfokus.

Die im Folgenden besprochenen Publikationen nähern sich dem Thema sowohl von unterschiedlichen Ausgangspunkten her als auch mit anderen Zielsetzungen. Die Publikation von Knoll richtet sich an Praktiker/innen, die mit Bildungs- und Lernberatung als Teil oder Schwerpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit zu tun haben unter besonderer Berücksichtigung eines reflexiven Zugangs. Demgegenüber stellt die Studie von Schiersmann das Ergebnis einer vom BMBF in Auftrag gegebenen Expertise dar, in der ein Qualitätsentwicklungsrahmen für die Bildungs- und Berufsberatung und entsprechende Empfehlungen für die Umsetzung entwickelt wurden.

Jörg Knoll (2008): Lern- und Bildungsberatung. Professionell beraten in der Weiterbildung

Der Anspruch von Jörg Knolls in der DIE-Reihe „Perspektive Praxis“ erschienenem Band zur Lern- und Bildungsberatung ist es, eine Praxishilfe zu leisten, um Beratung zu verbessern (7). Dabei beschreibt er den Kern von Beratung als „Beziehungsgeschehen“ (18) und hebt somit dessen prozessualen Charakter hervor. Zudem fordert er eine Entsprechung im Sinn bewussten Übens auch für potenzielle Aneignungsprozesse der Handlungsform Beratung, „weil es in der Praxis um ein Denken und Verhalten geht, das sich im konkreten Handeln niederschlägt“ (112). Diesen Anspruch verfolgt er gleichermaßen im Buch durch Reflexionsanregungen, zu denen Leser und Leserin nach jedem Kapitel (auch Zwischenkapitel) aufgefordert werden.

Das Buch ist in acht Kapitel unterteilt, die sich in ihrer Länge teilweise stark unterscheiden. Die Lektüre des Buches wird im ersten Kapitel (9-18) durch vier Beispielsituationen eingeleitet, die unterschiedliche, typische Szenarien in Bildungseinrichtungen darstellen, in denen Beratung implizit gefordert oder explizit nachgefragt bzw. angeboten wird. Die Beispiele sind so gestaltet, dass bestimmte Unterschiede, bezogen etwa auf Rahmung, Zeit und Passung der Handlungsform, Beratung nahelegen, die im weiteren Verlauf des Buches erläutert und vertieft wird – auch im Rückgriff auf die exemplarischen Szenen. Beratung definiert Knoll als Intervention(en) zur Hilfe, „damit die betroffene Person durch eigenes Wahrnehmen und Erinnern, durch Nachdenken und Einfälle selbst zu Schlussfolgerungen, Zielvorstellungen, Lösungsideen und Entscheidungen kommt“ (20). Er grenzt dieses Verständnis deutlich von Handlungsformen des Informierens und Anleitens ab.

Für die Praxis sieht er die Schwierigkeit, dass viele Situationen begrifflich als „Bildungsberatung“ gefasst werden (auch institutionell), wenngleich es auf der Ebene der konkreten Handlungen vielfach auch um anleitende oder informierende und nicht nur beratende Aktivitäten geht. Hier plädiert er für eine klare Abgrenzung und bildet im zweiten Kapitel (19-31) in einer Übersicht verschiedene „pädagogische Handlungsformen im Rahmen der Bildungsberatung“ ab (22). Kritisch anzumerken ist hier, dass er an dieser Stelle vorgreift und die „Leitende(n) Orientierung(en)“ der jeweiligen Handlungsformen abbildet, die erst in einem späteren Kapitel begrifflich eingeführt und beispielhaft erläutert werden(vgl. Kapitel 3.2.2). Dennoch ermöglicht die Übersicht einen Blick auf das komplexe Geschehen in einer Bildungsberatung und weist implizit auf ähnliche Formen und mögliche Unterscheidungen hin. So zeigt sich die Nähe von Beraten und Coachen als jeweils „Hilfe zur Problemlösung“, deren Differenz in der Fokussierung auf berufliche Situationen im Fall von Coaching liegt (22). Weitere Abbildungen ermöglichen es, Beraten nicht nur als eine Handlungsform von anderen zu unterscheiden, sondern auch eine Einteilung in verschiedene Situationstypen (z.B. implizit/explizit) mit Beratungscharakter vorzunehmen (26).

Kapitel drei (33-64) bildet einen der beiden Schwerpunkte und beschäftigt sich mit der Notwendigkeit, in Beratungssituationen Ziele zu formulieren und Vereinbarungen zu treffen. Grundlegende Handlungsnotwendigkeiten und Gestaltungsformen beim Beraten werden anhand bewusstmachender Fragen zur Nachbereitung von Gesprächen (39), verschiedener Interventionsformen (44ff.) und leitender Orientierungen (41ff.) prägnant erläutert. Das Kapitel wird abgerundet durch Varianten gruppenbezogener Beratung u.a. in Form kollegialen Austauschs (54f.) oder von Praxisberatung (57ff.).

Kapitel vier (65-71) behandelt in knapper Weise den Themenkomplex „Beratung und Therapie“ beispielhaft an einer konkreten Beratungssituation im Hochschulalltag. Die Notwendigkeit zur Bestimmung des Verhältnisses begründet Knoll damit, „die Reichweite des eigenen Handelns zu erkennen und die eigenen Leistungsmöglichkeiten und Leistungsgrenzen wahrzunehmen“ (68), wobei er eine Differenz v.a. hinsichtlich der Tiefendimension therapeutischer Interventionen sieht und ansonsten die Gemeinsamkeiten betont.

Welche Bedeutung therapeutische Modelle als Heuristik und konkret bezogen auf Interventionen und Methoden haben, wird im zweiten Schwerpunkt des Buches, Kapitel fünf (72-100), ausführlich dargestellt. Positiv ist zu bemerken, dass Knoll seine Auswahl begründet und mit vier therapeutischen Richtungen die Bandbreite der in der Beratung aufzufindenden „therapeutischen Verfahren“ gut abbildet. So werden außer dem psychoanalytischen Modell auch der Ansatz von Rogers sowie systemische, lösungsorientierte und verhaltenstherapeutische Hintergründe abgebildet und auf ihren Nutzen für das Beraten hin sondiert. Weiterhin ist zu begrüßen, dass die Platzierung der Phänomene „Übertragung – Gegenübertragung“ am Ende des Kapitels deren über psychoanalytische Präferenzen hinausgehende Relevanz für Beratungssituationen und -prozesse verdeutlicht. Ein Kritikpunkt ist der dadurch entstehende Bruch im Text am Ende des Abschnitts zum psychoanalytischen Hintergrundmodell. Hier wäre ein verweisender Satz hilfreich gewesen.

War bislang immer nur Bildungsberatung thematischer Bezugspunkt – obwohl der Buchtitel mehr beinhaltet –, widmet sich das sechste Kapitel (101-108) explizit dem Bereich der Lernberatung. Vorrangig werden „Hilfsmittel vorgestellt, die bei der Wahrnehmung von Lernvorgängen und Lernerfahrungen, aber auch Lernschwierigkeiten eingesetzt werden könnten“ (102). Neben Lernbiogramm, Lerntagebuch und Lebenslinie gehört hierzu auch der kurze Hinweis auf den „Profil-PASS“.

Das siebte Kapitel (109-117) behandelt die Themen Professionalität und Professionalisierung. Als basale Kompetenzen benennt Knoll Orientierungs- und Verortungskompetenz (bezogen auf die Differenzierung der unterschiedlichen Handlungsformen) sowie die „Verstehenskompetenz“ (110). Dazugehörige Kenntnisse und Fähigkeiten werden in diesem Kapitel lediglich aufgelistet. Allerdings würde eine detailliertere Betrachtung den Rahmen des Buches sprengen. Alternativ wird ergänzend das Fortbildungsprogramm „Bildungsberatung und Kompetenzentwicklung“ vorgestellt, das den im Buch genannten Ansprüchen entspricht und die „Interdependenz aus erfahrungsorientiertem und fachdisziplinärem Lernen“ (114) verwirklichen könne. Die Auswahl ist sicherlich nicht ganz zufällig, da der Autor als Verbundpartner daran beteiligt ist.

Der Abschluss der Publikation ist äußerst knapp gehalten (Kapitel acht, 118-119) und besteht aus einer, den Leser/die Leserin fordernden Reflexionsanregung zur „eigenen professionellen Identität“ (119), die man in Bezug auf seine aktuelle oder auch eine gewünschte Tätigkeit bearbeiten kann. Zu erwähnen ist der Vollständigkeit halber ein anhängendes Glossar (120-124), das noch einmal zentrale Begriffe aufgreift und prägnant zusammenfasst.

Mit der Lektüre kann man sich insgesamt – gerade ohne Vorkenntnisse – ein für den (pädagogischen) beruflichen Alltag hilfreiches Basiswissen über Beratung aneignen. Besonders hervorzuheben ist die Genauigkeit, mit der Jörg Knoll Beraten immer wieder von anderen Handlungsformen unterscheidet und mit welcher Präzision und gleichzeitig Einfachheit er insbesondere auf die häufigsten „Fehler“ in Beratungszusammenhängen aufmerksam macht (z.B. wenn kein Raum für Antwortmöglichkeiten gelassen wird oder die Verhinderung von technokratischem Handeln). Diese Vorteile wiegen die kleinen Kritikpunkte (einige falsche Verweise in Aufgaben/Anregungen, Bruch vor dem Kapitel Übertragung/Gegenübertragung) völlig auf. Für informierte Leser/innen bietet das Buch in seiner Strenge bezogen auf Begriffsdefinitionen vielleicht auch die ein oder andere Überraschung. Zumindest kann man – vorausgesetzt, man macht sich die Mühe, die vielfältigen Anregungen und Fragen aufzugreifen und zu bearbeiten – die Lektüre als Reflexion der eigenen beruflichen Tätigkeit(en) auf der Ebene konkreter Handlungen nutzen.

Christiane Schiersmann / Miriam Bachmann / Alexander Dauner / Peter Weber (2008): Qualität und Professionalität in Bildungs- und Berufsberatung

Ganz anders stellt sich die Thematik aus der Perspektive der Studie von Schiersmann u.a. dar. Diese Publikation hat das Ziel, „Eckpunkte für die Optimierung der Qualität und Professionalität der Beratungsdienstleistungen in Deutschland“ (5) zu erarbeiten. Den Hintergrund bilden der Europäische Qualifikationsrahmen sowie international vergleichende Studien, deren Ergebnisse auf einen Qualitätsentwicklungsbedarf in Deutschland, bezogen auf Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung, hinweisen. Dadurch wird der Beratungsbegriff von vornherein auf solche Felder und Themen eingegrenzt, die sich auf Bildungs- und Lernprozesse im Zusammenhang mit dem Beruf richten (Erwerb, Erhalt, Wechsel, Übergang, Wiedereinstieg). Andere Beratungszusammenhänge, bezogen auf nichtberufliche Bildungsprozesse, bleiben ausgespart.

Die Studie ist in elf Kapitel unterteilt, die das Thema der Qualität und Professionalität von Bildungs- und Berufsberatung entlang verschiedener Themenbereiche aufspannen. Nach einer kurzen Einleitung (5-8) folgt zunächst ein Überblick über die feldspezifischen Charakteristika (Kapitel 2, 9-14). Beratung wird – im Anschluss an das amerikanische Konzept der „career guidance“ bzw. des „career development“ – hierbei als ein Angebot beschrieben, „Bürgerinnen und Bürger in jedem Lebensabschnitt dazu [zu] befähigen, sich Aufschluss über ihr Kompetenzprofil zu verschaffen und fundierte Bildungs-, Ausbildungs- und Berufsentscheidungen zu treffen“ (11). Neben den personenbezogenen Beratungsanlässen aufgrund gesellschaftlicher Individualisierungsprozesse werden auch organisationsbezogene Anwendungsbereiche für Beratung aufgeführt, die sowohl Qualifizierungsfragen von kleinen und mittleren Unternehmen und Personalentwicklung in größeren Betrieben als auch Netzwerke wie die Lernenden Regionen als Zielgruppe von Beratung definieren.

Im dritten Kapitel (15-22) wird der theoretische Bezugsrahmen vorgestellt, bei dem – in Ermangelung einer „konsistenten und differenzierten Beratungstheorie“ (15) für das Feld der Bildungs- und Berufsberatung – auf ein systemisches Modell von Beratung zurückgegriffen wird.

Anschließend werden im vierten Kapitel (23-34) das „Grundverständnis und Eckpunkte der Qualität“ (23) dargelegt, wobei die Autor/inn/en eine Multiakteursperspektive vorschlagen (Kunden, Berater, Beratungsinstitutionen, Gesellschaft und Politik), um die unterschiedlichen Ansprüche und Verstehenszugänge und damit einhergehende potenzielle Spannungsfelder sichtbar zu machen. Qualität wird – im Anschluss an Oelkers [1] – definiert als eine im Vergleich sich entwickelnde Relation, weshalb es der Entwicklung von Mindeststandards bedürfe, um den Rahmen nach unten einzugrenzen.

Die Standards für die Beratung werden entlang der Elemente „Beratungsprozess“, „Beraterin und Berater“, „Organisation“, „Gesellschaft“ und „übergreifende Standards“ in Kapitel 5 (35-48) entwickelt. Hierfür wurden zehn Standardkataloge analysiert. Dies erfährt man allerdings erst durch einen Blick in den – sehr umfangreichen und äußerst nützlichen – Anhang, da hier an Beispielen differenziert aufgezeigt wird, inwieweit bestimmte Aspekte der Kataloge völlig oder nur graduell übereinstimmen (vgl. 151ff.).

Kapitel 6 (49-62) befasst sich mit Evaluationsverfahren, um die Güte von Beratung, wie sie in den Standards beschrieben wird, zu messen und zu bewerten. Dabei definieren die Autor/inn/en Evaluation als „‚systematische, datenbasierte und kriterienbezogene Bewertung’ (Heiner 2007, 825) [2] der Beratung selbst, der sie einschließenden Programme, Maßnahmen und Angebote oder der durchführenden Organisationen“ (49). Im Folgenden stellen sie verschiedene Evaluationsinstrumente vor, die sie anhand verschiedener Analysekriterien auf ihren Nutzen für die Beratung hin betrachten. Leider fehlt an dieser Stelle eine zusammenfassende Beurteilung der untersuchten Evaluationsverfahren.

Kapitel 7 (63-75) befasst sich mit Qualitätsmanagementkonzepten (ISO 9000ff, EFQM, LQW), da diese in einigen Institutionen der praktischen Bildungsarbeit bereits eingesetzt werden und mit der Frage, inwieweit sie sich auch für den Beratungsbereich eignen. Die Autor/inn/en konstatieren, „dass alle diese Verfahren ressourcenintensiv sind, ohne im Kern tatsächlich die Verbesserung der inhaltlichen Qualität und der Transparenz der Leistung nach außen gewährleisten zu können“ (75). Deshalb raten sie insbesondere kleineren Beratungsorganisationen vom Einsatz solcher Konzepte ab.

Als Gegenmodell stellen sie den von ihnen entwickelten „Qualitätsentwicklungsrahmen (QER) als integrierte Qualitätsstrategie“ (77) vor (Kapitel 8, 77-90). Dabei handelt es sich jedoch um ein „Metamodell“ (77), das „1. die Etablierung von Standards, an denen sich die Anbieterorganisationen und deren Angebote und Qualitätsbemühungen orientieren (Stufe 1) und 2. die Verbindung bestehender oder neuer Qualitätsbemühungen mit Aspekten der Evaluation, des Qualitätsmanagements und die Transparentmachung der Ergebnisse der Qualitätsbemühungen (Stufe 2 bis 4)“ (77) leisten soll. Hierfür wurden verschiedene nationale Modelle vergleichend analysiert (Schweiz, Kanada, Dänemark, Großbritannien). Als Ergebnis zeigt sich eine relative Bandbreite unterschiedlicher Qualitätssicherungs- und Qualitätsentwicklungssysteme, die „in der Regel verschiedene Strategien integrieren“ (80). Aus diesem Grund basiert der von den Autor/inn/en vorgeschlagene vierstufige QER auf drei leitenden Kriterien, dem Nutzenkriterium, Machbarkeitskriterien (i.e.S. Einfachheit, Adaptivität, Niedrigschwelligkeit/Entwicklungsdynamik) und dem Korrektheitskriterium (82).

Stand bislang die Kategorie der Qualität im Vordergrund, geht es in den Kapiteln neun (91-104) und zehn (105-115) um die Aspekte der Professionalität und Professionalisierung. Zunächst wird ein Kompetenzprofil vorgestellt, das die verschiedenen, für Beratung als relevant geltenden Elemente des theoretischen Modells aus Kapitel drei abarbeitet. Im Anschluss folgt eine „systematische Aufarbeitung existierender Aus- und Fortbildungsangebote für Beraterinnen und Berater“ (105), die sowohl Studiengänge als auch Angebote anderer Weiterbildungsorganisationen einschließen. Insbesondere die tabellarischen Übersichten im Anhang zum Kompetenzprofil wie auch dem Ausbildungsangebotsvergleich sind sehr detailliert, wodurch nicht nur die Vielfalt sichtbar wird, sondern auch Vor- und Nachteile auf einen Blick vermittelt werden.

Die „Empfehlungen zum Handlungs- und Forschungsbedarf für Qualität und Professionalität in der Beratung“ (117) beschließen die Studie (Kapitel 11, 117-133). Hier werden auch die zuvor aufgeführten Themen des QER sowie des Kompetenzprofils noch einmal konkretisiert. Im Vordergrund der Empfehlungen steht das Bestreben danach, eine Bereitschaft seitens der Anbieter für den QER und die darin enthaltenen Standards und Instrumente zu erreichen, da ohne diese keine Verbindlichkeiten geschaffen werden können. Dies soll mit einigen Anbietern in einer Pilotphase erprobt werden. Zugleich wird von Seiten der Wissenschaft gefordert, weitere Bemühungen in die Erforschung der Wirkungsweise nicht nur von Beratung, sondern auch von Evaluation zu investieren (119). Zudem wird eine Verbindung mit dem – noch in der Entwicklung sich befindenden – Deutschen Qualifikationsrahmen empfohlen, gerade wenn es um die Umsetzbarkeit der verbindlichen Einführung von Standards, Leitlinien und Kompetenzprofilen geht. Besonders hervorzuheben ist am Ende der umfangreiche Anhang (46 S.), der neben den zentralen Kapiteln acht und elf wirkliche Highlights enthält (z.B. Vergleich verschiedener Standardkataloge inkl. unterschiedlicher Auslegungen ähnlicher Thematiken, diverse Erhebungsfragebögen, Heuristik zur Ein- und Abgrenzung von Beratungsangeboten). Diese können von unterschiedlichen Zielgruppen, wie etwa Anbietern, Forscher/inn/en und auch Student/inn/en je individuell genutzt werden.

Kritisch bleibt anzumerken, dass die begriffliche Präzision und Strenge der Publikation von Knoll bezogen auf die Handlungsform Beraten an einigen Stellen der Studie von Schiersmann u.a. wünschenswert gewesen wäre. Bei den formulierten Standards zeigen sich Schwächen, wenn etwa häufiger der unpräzise Begriff „adäquat“ verwendet wird („adäquate Hilfe“, „adäquater Beziehungsaufbau“, „adäquate Klärung“, 38). Auch findet keine Differenzierung zwischen Zwangsberatungen und unabhängigen Beratungen statt, was u.a. problematisch wird im Zusammenhang mit der Forderung nach einer Ausrichtung des organisationalen Handelns an den Bedürfnissen und Ressourcen der Ratsuchenden. Im Fall einer Beratung seitens der Arbeitsagentur befinden sich Berater/innen hier in einem Spannungsfeld und sind in einem viel stärkerem Maß als unabhängige Berater/innen von Bedarfsabwägungen betroffen.

Im Rahmen des Kompetenzprofils ist zu bemängeln, dass die Autor/inn/en mit dem Kompetenzbegriff (anstelle des Bildungsbegriffs) zwar der europäischen Norm folgen, dieser aber explizit begrenzt bleibt auf die „Reproduktion von Arbeitsvermögen“ (92). Hier hätte man sich gewünscht, dass diese Beschränkung auf die Beschäftigungsfähigkeit im Sinn der Nähe zum Bildungsbegriff erweitert worden wäre (zumal es um Beratung in Beruf, Beschäftigung und Bildung geht), so dass auch die Elemente der persönlichen Entfaltung und der gesellschaftlichen Teilhabe bedeutsam werden könnten].

Dennoch stellt diese Studie einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer Beschäftigung mit Standards und Anforderungen im pluralen Feld der Beratungsanbieter dar, das mehr Vergleichbarkeit und Transparenz durchaus nötig hat. Beide Bücher zusammen ermöglichen einen Zugriff auf die Thematik, einmal von der Makro- (Schiersmann u.a.) und zum anderen von der Mesoebene (Knoll) her, so dass je nach dem individuellen Bedarf unterschiedliche Interessen bedient werden können. Personen, die eher an der Mikroebene von realem Beratungshandeln interessiert sind, müssen jedoch auf gesprächsanalytische Arbeiten zurückgreifen, die mittlerweile beispielsweise zur Berufsberatung (Pörtner 2006) [3] und zur Existenzgründungsberatung (Maier-Gutheil 2009) vorliegen [4].

[1] „Qualität definiere ich als Relation, die sich graduieren lässt. ‚Besser’ oder ‚schlechter’ können enger oder weiter auseinanderliegen, aber Standards müssen immer nach unten abgegrenzt sein. Sie müssen das Schlechtere je unter sich haben, und der Abstand muß sich begründet nachweisen lassen, verlangt also unabhängige Beobachtung und Bewertung. Qualität entsteht im Vergleich; die Güte nach oben ist unbegrenzt“ (Oelkers, J. (1997): Was bedeutet Qualität in der Pädagogik? In: Arnold, R. (Hrsg.): Qualitätssicherung in der Erwachsenenbildung. Opladen. S. 14; zitiert nach Schiersmann u.a. 2008: 26).

[2] Heiner, M. (2007): Evaluation in der Beratung. In: Nestmann, F./Engel, F./Sickendiek, U. (Hrsg.): Das Handbuch der Beratung: Bd. 2. Ansätze, Methoden und Felder. Tübingen. 825-836

[3] Pörtner, S. (2006): Anforderungsstruktur und Praktiken der Berufswahlberatung. Eine interaktionsanalytische Untersuchung von Berufsberatungsgesprächen. Frankfurt/Main.

[4] Maier-Gutheil, C. (2009): Zwischen Beratung und Begutachtung. Pädagogische Professionalität in der Existenzgründungsberatung. Wiesbaden.
Cornelia Maier-Gutheil (Frankfurt)
Zur Zitierweise der Rezension:
Cornelia Maier-Gutheil: Rezension von: Knoll, Jörg: Lern- und Bildungsberatung, Professionell beraten in der Weiterbildung. Bielefeld: Bertelsmann 2008. In: EWR 8 (2009), Nr. 5 (Veröffentlicht am 02.10.2009), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978376391956.html