EWR 17 (2018), Nr. 4 (Juli/August)

Gernot Aich / Christina Kuboth / Martin Gartmeier / Daniela Sauer (Hrsg.)
Kommunikation und Kooperationen mit Eltern
Weinheim, Basel: Beltz 2017
(188 S.; ISBN 978-3-407-25775-8; 24,95 EUR)
Kommunikation und Kooperationen mit Eltern „‚Eltern schießen ĂŒbers Ziel hinaus‘ ‚Lehrer fĂŒhlen sich sofort angegriffen‘“ (ZEIT 8/2017) und „Eltern gegen Lehrer“(ZEIT 27/2017) lauten zwei Titulierungen der ZEIT, die sich mit dem Thema Eltern und LehrkrĂ€fte auseinandersetzen und dabei auf einen negativen Grundtenor der (öffentlichen) Diskussion verweisen: MissverstĂ€ndnisse, mangelnde Kommunikation bis hin zu gegenseitiger Abneigung scheinen an der Tagesordnung zu sein, wenn Eltern und LehrkrĂ€fte in Kommunikation treten. Dabei sollte eine kooperative und intensive Zusammenarbeit angestrebt werden, die den Fördermöglichkeiten und Bildungschancen der Kinder besser gerecht werden kann. Die Forderung nach einer starken Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen LehrkrĂ€ften und Eltern spiegelt sich auch in der VerĂ€nderung der Forschungslandschaft wieder.
In den letzten Jahren ist ein Zuwachs der Publikationen zu der Thematik zu verzeichnen und auch der vorliegende Band fĂŒgt sich ein in eine Reihe praxisorientierter Auseinandersetzungen mit dem Thema Kooperation zwischen Schule und Elternhaus [1, 2, 3]. Auch fĂŒr bislang als Desiderate geltende Forschungsbereiche scheint sich eine Trendwende anzudeuten, wie Aich et al. in dem vorliegenden Band argumentieren (13).

VerĂ€nderungen wie ein zunehmend wahrgenommener Leistungsdruck in den Familien, aber auch das Thema Inklusion oder der Umgang mit Familien mit Migrationshintergrund beschĂ€ftigen die aktuellen Diskussionen um Schule und tangieren natĂŒrlich auch den Bereich der Kooperation zwischen Eltern und LehrkrĂ€ften. „Die Etablierung tragfĂ€higer Erziehungs- und Bildungspartnerschaften wird hierdurch wichtiger denn je – aber eben auch herausfordernder“ (9) heißt es im Vorwort des Bandes, der es sich zur Aufgabe macht, aktuelle (empirische) Befunde bereitzustellen und einen „Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis an Schulen zu fördern“ (14). Die verschiedenen BeitrĂ€ge nehmen dabei nicht nur die beiden Akteursgruppen Eltern und LehrkrĂ€fte in den Blick, sondern fragen auch nach dem Einfluss der institutionellen und organisatorischen Rahmenbedingungen von Kommunikation in solchen Bildungspartnerschaften. Die daraus abgeleiteten EntwicklungsvorschlĂ€ge reichen von der individuellen Ebene der einzelnen LehrkrĂ€fte bis hin zu strukturellen Ebenen der Schulentwicklung, wenn etwa „abgestimmte Beratungskonzepte“ (99) fĂŒr alle Schulen als wĂŒnschenswert ausgewiesen werden.

Um seinem Anliegen gerecht zu werden, gliedert sich der Band in zwei Teile. Im ersten Teil stehen forschungsbasierte Perspektiven im Vordergrund. Die Bandbreite der BeitrĂ€ge deckt dabei ganz unterschiedliche Themenfelder und Fragen ab. Thematisiert werden Voraussetzungen fĂŒr eine gelingende Kooperation zwischen Eltern und LehrkrĂ€ften (Kapitel 4) sowie verschiedene AnsĂ€tze, wie eine solche Kooperation und Kommunikation aussehen kann. So werden etwa – am Beispiel Kanadas – Blicke auf etablierte Formen der Elternarbeit gerichtet und gefragt, wie man diese Befunde sinnvoll auf das deutsche Schulsystem ĂŒbertragen könnte (Kapitel 5). Unterschiedliche qualitativ-ethnographische Studien gewĂ€hren Einblicke in die konkrete Praxis der Elternarbeit an Schulen und ermöglichen Anschlussstellen fĂŒr weiterfĂŒhrende theoretische und praxisbezogene Überlegungen (Kapitel 7, 9). Jenseits von programmatischen AnsprĂŒchen werden in diesen Studien „reale Herausforderungen ausgemacht“ (62), die es durch entsprechende Trainingsprogramme gezielt zu bearbeiten gelte.

Immer wieder wird im Band auf bestehende Forschungsdesiderate und praktische Entwicklungspotenziale verwiesen, betreffend etwa die Verankerung des Themas Elternarbeit in der Ausbildung angehender LehrkrĂ€fte. Ein beispielhaftes Modell, wie eine professionelle GesprĂ€chsfĂŒhrung mit Eltern erlernt und geĂŒbt werden könnte, wird im Beitrag zum ‚GmĂŒndener Modell‘ der GesprĂ€chsfĂŒhrung (Kapitel 11) vorgestellt. Diese PraxisnĂ€he setzt sich besonders im zweiten Teil des Bandes fort, geht es hier doch um eine anwendungsorientierte Perspektive auf das Thema Erziehungs- und Bildungspartnerschaft. PrĂ€sentiert werden konkrete VorschlĂ€ge, wie Kommunikation zwischen LehrkrĂ€ften und Eltern gelingen kann. Verwiesen wird etwa auf den Stellenwert von Empathie in der Kommunikation mit Eltern (Kapitel 12), es werden Tipps vermittelt, wie ‚schwierige ElterngesprĂ€che‘ professionell gefĂŒhrt werden können (Kapitel 16) und auch fĂŒr die Gestaltung von Elternabenden wird Orientierung geboten (Kapitel 13). Die praxisbezogenen BeitrĂ€ge orientieren sich in ihrer Aufmachung stark an klassischer Ratgeberliteratur und prĂ€sentieren in ĂŒbersichtlicher Weise bewĂ€hrte ‚Tipps und Tricks‘, denen es manchmal – schlicht auch thematisch bedingt – (noch) an empirischen Grundlagen mangelt.

Im Vorwort des Bandes werden drei Forschungsdesiderate expliziert: Wenig beforscht seien Ursachen und Folgen bestimmter aktueller Entwicklungen – wie etwa die zunehmende „Skepsis gegenĂŒber der LeistungsfĂ€higkeit des staatlichen Bildungssystems“ (9) – selbst wenn diese Entwicklungen selbst bereits empirisch gut erforscht seien. Auch Elternarbeit im Kontext von Inklusion und Ganztagsschulen, in denen die Kooperation auf Multiprofessionelle-Teams ausgeweitet ist, seien bislang Desiderate der Forschung. Trotz der thematischen Bandbreite der BeitrĂ€ge bleibt dies fĂŒr die Leserschaft auch nach der LektĂŒre des Bandes offen, da diese Themen allenfalls am Rande gestreift werden. Umso erfreulicher ist es, dass sich zwei der BeitrĂ€ge einem ebenso aktuellen und vieldiskutiertem Thema widmen, wenn sie der Frage nachgehen, wie Kommunikation mit Eltern in Migrationskontexten möglich wird, wenn etwa Sprachschwierigkeiten ein besonderes Hindernis darstellen, oder wie ‚Elternarbeit mit FlĂŒchtlingen und Asylsuchenden’ aussehen kann (Kapitel 14, 15).

Über weite Strecken gelingt es dem Band, kritisch reflektierend auf (potenzielle) Probleme in Erziehungs- und Bildungspartnerschaften hinzuweisen und dabei beide Kooperationspartner in die Verantwortung zu nehmen. Als gelungenes Beispiel dafĂŒr kann der Beitrag ‚Eine Frage der Haltung – GrundsĂ€tze der Eltern(bildungs)arbeit im Migrationskontext‘ (Kapitel 14) angefĂŒhrt werden, der neben konkreten Hinweisen und Verhaltenstipps auch auf immer wieder auftretende Konfliktpotenziale verweist und dabei nicht nur ‚beratungsresistente Eltern‘ sondern auch problematisches Verhalten von Seiten der LehrkrĂ€fte thematisiert. Auch hier werden LehrkrĂ€ften vielfĂ€ltige VorschlĂ€ge zur GesprĂ€chsvorbereitung, -durchfĂŒhrung und zur Selbstreflexion geboten.

Dem selbstformulierten Anspruch, Forschungsbefunde fĂŒr einen Transfer in die schulische Praxis anzubieten, wird der Band in guter Weise gerecht, werden doch empirische ForschungsansĂ€tze und Befunde sowie erste praktikable LösungsansĂ€tze fĂŒr die herausgearbeiteten Kommunikationsprobleme dargestellt. Auch die theoretischen BeitrĂ€ge weisen immer wieder BezĂŒge zur schulischen Praxis auf. Als Gewinn kann hier sicherlich das breite berufliche Spektrum der ausgewĂ€hlten Autorinnen und Autoren gelten, was einen vielfĂ€ltigen Zugang zum Thema gewĂ€hrleistet. Die Zweiteilung des Buches und die thematische FĂŒlle der BeitrĂ€ge eignen sich insgesamt gut, die verschiedenen Zielgruppen zu adressieren und sich gleichermaßen an Forschende und Praktikerinnen und Praktiker zu wenden – auch wenn der theoretische Teil deutlich ausfĂŒhrlicher ist. Das Changieren zwischen den Zielgruppen geht mit Abstrichen auf der einen und der anderen Seite einher, so ist der theoretische Teil vielleicht weniger ‚theoretisierend‘ als es manche Leserin und Leser lieb wĂ€re, und der praktische Teil etwas zu knapp und thematisch eingeschrĂ€nkt, um als breiter Ratgeber fĂŒr die Praxis zu fungieren. Als Orientierung zur aktuellen Forschungslage und als Einstieg in das Thema eignet sich der Band dennoch sehr gut.

[1] Aich, Gernot; Behr, Michael (2015): GesprĂ€chsfĂŒhrung mit Eltern. Weinheim u. Basel: Beltz.

[2] Aich, Gernot (2016): Kompetente Lehrer. Ein Konzept zur Verbesserung der Kommunikations- und KonfliktlösefÀhigkeit von Lehrern. Hohengehren: Schneider-Verlag.

[3] Bonanati, Marina; Knapp, Claudia (Hrsg.) (2016): Eltern – Lehrer – SchĂŒler. Theoretische und qualitativ-empirische Betrachtungen zum VerhĂ€ltnis von Elternhaus und Schule sowie zu schulischen GesprĂ€chen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Cornelia Jacob (Halle)
Zur Zitierweise der Rezension:
Cornelia Jacob: Rezension von: Aich, Gernot / Kuboth, Christina / Gartmeier, Martin / Sauer, Daniela (Hg.): Kommunikation und Kooperationen mit Eltern. Weinheim, Basel: Beltz 2017. In: EWR 17 (2018), Nr. 4 (Veröffentlicht am 30.08.2018), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978340725775.html