EWR 9 (2010), Nr. 2 (März/April)

Elternarbeit - Eine Sammelrezension

Hans Dusolt
Elternarbeit als Erziehungspartnerschaft
Ein Leitfaden für den Vor- und Grundschulbereich
3. vollständig überarbeitete Aufl.
Weinheim: Beltz 2008
(160 S.; ISBN 978-3-407-22081-3; 12,90 EUR)
Jochen Korte
Erziehungspartnerschaft Eltern – Schule
Von der Elternarbeit zur Elternpädagogik
Weinheim: Beltz 2008
(128 S.; ISBN 978-3-407-62599-1; 19,90 EUR)
Adolf Timm
Die Gesetze des Schulerfolgs
Seelze/Velber: Kallmeyer 2009
(172 S.; ISBN 978-3-7800-1011-7; 19,95 EUR)
Elternarbeit als Erziehungspartnerschaft Erziehungspartnerschaft Eltern – Schule Die Gesetze des Schulerfolgs Aktuell wird Elternarbeit in Schule und Kindergarten aus unterschiedlichen Perspektiven und von unterschiedlichen Akteuren thematisiert. Dabei scheint darin Einigkeit zu bestehen, dass der Zusammenarbeit von Eltern und Schule gegenwärtig eine neue und wichtige Rolle zukommt. Mit Blick auf den Büchermarkt stößt man freilich auf ein Ungleichgewicht: Während es nur einige wenige aktuelle Studien zur Elternarbeit gibt, gibt es eine ganze Reihe von Ratgebern für Eltern oder Lehrer. Drei von ihnen sollen im Folgenden vorgestellt werden. Das Interesse richtet sich dabei auf Rückschlüsse, die sich aus den jeweiligen Annahmen und Konzepten ableiten lassen, denn es zeigen sich neben der Gemeinsamkeit, Rat geben zu wollen, je nach Adressierung z. T. deutliche Unterschiede in den Vorstellungen und Zielen von Elternarbeit:

Elternarbeit als Erziehungspartnerschaft
Hans Dusolts’ Ratgeber richtet sich an das pädagogische Personal von Kindergärten und Grundschulen. Sein Ziel ist es, einen Überblick über die verschiedenen Formen der Elternarbeit zu geben und Wissen über Stärken, Schwächen und Bedingungen der einzelnen Formen zur Verfügung zu stellen. Ausgangspunkt dabei ist die Annahme, dass Elternarbeit Erziehungs- und Bildungspartnerschaft auf gleicher Augenhöhe ist. Im ersten Kapitel werden Familie und öffentliche pädagogische Institutionen als strukturell unterschiedlich eingeführt. Da sie aber für Kinder gleichermaßen wichtige Bezugsgrößen darstellen, werden sie als miteinander verbunden charakterisiert und die Notwendigkeit einer anerkennenden Zusammenarbeit im Sinne einer Zielsetzung abgeleitet.

Der Aufbau folgt dieser Zielsetzung konsequent. Im zweiten Kapitel werden die verschiedenen Arten der Elternarbeit (Einzel- und Gruppenarbeitsformen) unterschieden und jeweils unter Berücksichtigung der Aspekte Ziel und Zweck, Teilnehmer, äußere und innere Voraussetzungen, Methoden, Vorteile und Grenzen sowie mögliche Risiken beschrieben, wobei hinsichtlich des Einzelgesprächs zusätzlich zwischen den Wünschen und Zielen der Eltern und der Pädagogin differenziert wird.

Das dritte Kapitel widmet sich dem Sonderfall der Elternarbeit bei auffälligen Kindern und das vierte Kapitel geht auf Besonderheiten ein, die sich durch spezifische familiäre Lebensbedingungen ergeben. Zu jedem Bereich werden einführend Beispiele gegeben, die dann mit Definitionen, Hintergrundinformationen (wie der rechtlichen Lage) und verschiedenen Interpretationen ergänzt werden. Die verschiedenen Formen werden dabei erfrischenderweise nicht wertend, sondern als Lebensumfeld eines Kindes in seinen Potenzialen und Schwierigkeiten dargestellt, aus denen abschließend verschiedene Handlungsmöglichkeiten für pädagogisch Tätige aufgezeigt werden. Der Ton ist durchgängig abwägend, wenig belehrend. Insgesamt werden acht spezifische Situationen aufgeführt, die von Eltern in Trennung über Familien mit Migrationshintergrund bis zu Eltern aus pädagogischen Berufen ein breites Bild zeichnen. Im fünften Kapitel wird exemplarisch für Konflikte zwischen Eltern und Pädagoginnen ein einzelner Fall ausführlich besprochen, um aufzuzeigen, an welchen Stellen Handlungsalternativen einer Eskalation vorbeugen. Das sechste Kapitel – überschrieben mit „Resümee und Ausblick: Die Notwendigkeit von Supervision“ – betont schließlich die Prozesshaftigkeit der Zusammenarbeit und warnt vor zu hohen Erwartungen. Sicherlich in der Praxis hilfreich ist der Anhang, der einen kurzen Überblick zur rechtlichen Situation bei Trennungen gibt.

Insgesamt ist das kleine Büchlein gut lesbar, sinnvoll strukturiert und für praktisch Tätige, sei es in Schule oder Kindertagesstätte, zu empfehlen. Auch für eine wissenschaftlich orientierte Leserschaft kann das Buch einen Einstieg in die Vielfalt aktiver Elternarbeit geben. Hervorzuheben ist der sachliche, aber dennoch nicht unpersönliche Schreibstil, der sowohl Eltern als auch Pädagoginnen ernst nimmt.

Erziehungspartnerschaft Eltern – Schule
Jochen Kortes Broschüre richtet sich ausschließlich an LehrerInnen, mit dem Ziel, einen schnellen Einstieg in die von ihm vorgeschlagene Elternarbeit (als Elternpädagogik) zu bieten, den er durch Beispiele und Kopiervorlagen zu unterstützen versucht. Zu erkennen ist diese Schwerpunktsetzung auch in der Aufteilung der Kapitel: während der erste Teil (Von der Elternarbeit zur Elternpädagogik) auf den Seiten 10 bis 25 der Begründung, Definition und Erörterung der Elternpädagogik gewidmet wird, sind die Seiten 28 bis 128 der Elternpädagogik in der Praxis vorbehalten.

Den Ausgangspunkt seines Schreibens erklärt Korte mit dem zunehmenden Versagen sowohl der bisherigen Formen von Elternarbeit als auch mit dem Versagen der Eltern als Erziehungsinstanz: „Mit den Formen üblicher Elternarbeit kommen wir nicht voran. [...] Dem Thema »mangelhafte Erziehung durch Eltern« können wir nicht länger ausweichen.“ (7) Elternarbeit wird insofern als Elternpädagogik vorgestellt und richtet sich auf die Erziehungskompetenz der Eltern. Zwar wird die Notwendigkeit eines partnerschaftlichen Miteinanders gesehen, dieses Miteinander jedoch durch das Ziel, Eltern durch Wissensvermittlung für die Erziehung fit zu machen, konterkariert.

Zwischen Familie und Schule wird ein strukturelles, quasi-natürliches Spannungsverhältnis gesehen, das sich aus der Zuordnung von Schule zur Öffentlichkeit und von Familie zur Privatheit ergibt, aus der Unterschiede in Intensität, Qualität und Ziel der vorherrschenden Beziehungen resultieren. Die Eignung der Schule als Ort der Elternpädagogik begründet sich für Korte erstens darin, dass durch die Schulpflicht hier alle Eltern angesprochen werden können, zweitens aus der pädagogischen Vorbildung der LehrerInnen (ggf. ergänzt durch eigene Erfahrungen) und zum Dritten darin, dass die materiellen Voraussetzungen (Raum, Material, Kopierer) in der Schule gegeben sind und also Elternpädagogik nur eine Erweiterung des bestehenden Angebots ohne zusätzlichen materiellen Aufwand bedeuten würde. Die an anderer Stelle behauptete Unabdingbarkeit der Elternarbeit für erfolgreiches Schulehalten wird nicht näher erläutert.

Nachfolgend werden drei Stufen der Elternarbeit beschrieben, wobei die dritte Stufe, die von Korte vorgeschlagene Elternpädagogik (mit Kursen, Beratung, Flyern und Ähnlichem zur pädagogischen Weiterbildung) umfasst, die sich von den üblichen Formen der Elternarbeit abhebt. Im letzten Teil des ersten Kapitels werden Fragen thematisiert, die sich LehrerInnen bei der Einführung der Elternpädagogik stellen könnten (Nehmen Eltern elternpädagogische Angebote an? Können elternpädagogische Angebote schulferne Eltern erreichen? Wie erreicht Elternpädagogik die Eltern? Verfehlen die Angebote ihre Zielgruppe? Wirkt Elternpädagogik auch über die Schule hinaus?), die der Autor aus seiner Erfahrung heraus beantwortet. Im zweiten Kapitel werden zehn Formen der Elternarbeit vorgestellt, wobei auf jeweils ungefähr einer Seite eine Beschreibung des Instruments, unter Berücksichtigung der Voraussetzungen/ des Aufwands, und Hinweise und Material für die Praxis gegeben werden. Hier finden sich auch die Kopiervorlagen oder Beispielbriefe, die der schnellen Umsetzung dienen sollen. Die Qualität der Beispiele und Kopiervorlagen ist sehr unterschiedlich und auch der normativ geprägte, etwas belehrende Stil („Liebe Eltern! ... Wenn die Schule Ihnen besondere Angebote macht, sollten Sie sie auch annehmen.“ [64]) wird nicht jedem Konzept von Elternarbeit entsprechen können. Ob Elternbriefe dieser Art ein geeignetes Mittel sind, die Elternarbeit zumindest perspektivisch als partnerschaftliche Zusammenarbeit zu gestalten, ist fraglich. Insofern lässt sich über diese Idee von Elternpädagogik (Erziehung der Eltern) streiten. Ein Ausblick, wie von einer möglicherweise notwendigen Elternpädagogik der Weg zur Erziehungspartnerschaft gestaltet werden könnte, hätte dem Ratgeber gut getan.

Die Gesetze des Schulerfolgs
Das dritte der hier vorgestellten Bücher von Adolf Timm richtet sich an Eltern und versucht, ihnen Sicherheit im Umgang mit ihren Schulkindern zu geben. Es geht von der Annahme aus, dass Eltern (im Verhältnis zu Lehrern, Schule und Unterricht) zu mehr als 50% Einfluss auf den Schulerfolg der Kinder haben und in den Erziehungszielen von Eltern und Schule (Selbstständigkeit, soziale Verantwortung und Leistungsfähigkeit) relative Einigkeit besteht. Ebenfalls wird davon ausgegangen, dass eine Partnerschaft zwischen Schule und Familie eine Schlüsselfunktion für den Schulerfolg der Kinder einnimmt. Diese Annahmen werden nicht weiter begründet, dienen aber als Motiv für die sich darauf beziehenden Ratschläge. Grundsätzlich sind Hinweise darauf, dass Kinder eine Familie brauchen, die ihnen durch Verlässlichkeit und Zugewandtheit eine Basis für Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeitserwartungen bietet, um die sich in der Schule stellenden Anforderungen gut erfüllen zu können, nicht neu und die Ratschläge gut gemeint: Das familiäre Zusammenleben sollte intensive Kontakte, Gespräche und gemeinsame Erlebnisse umfassen und dabei ritualisiert und emotional stabilisierend gestaltet sein; übermäßiger Medienkonsum, unausgewogene Ernährung, Desinteresse und ein inkonsequenter Umgang mit Werten und Normen, auch in Bezug auf das elterliche Verhalten, werden als wenig förderlich dargestellt. Auch hier also wenig Neues. Allerdings werden die einzelnen Kapitel im Untertitel als Gesetze formuliert und fortlaufend nummeriert. Insgesamt werden 36 Gesetze des Schulerfolgs aufgelistet. Einige Kapitel werden durch Befunde einzelner (zum Teil nicht ganz aktueller) Studien eingeleitet, einige durch Beispiele und einige durch Postulate anderer Erziehungsratgeber oder pädagogischer Konzepte. In diesen Einleitungen sind Hervorhebungen zu finden, die mit Aussagen wie „Dopamin macht neugierig“ (26), „Kinder brauchen eine Umwelt wie ein Gemischtwarenladen“ (32) oder „Es gibt kein Glück ohne Krisen“ (57) operieren. Ebenfalls nummeriert sind schließlich auch die Hinweise für den erzieherischen und schulischen Alltag, mit denen die Kapitel jeweils abschließen. Die Ratschläge dazu, was förderlich oder hilfreich ist, erscheinen in ihrer Klarheit plausibel, sind aber bei genauem Hinsehen den jeweiligen Eigenheiten, Befindlichkeiten und der je spezifischen, individuellen Situation eines Kindes kaum angemessen. Insofern wird die Konkretion der einzelnen Ratschläge den Eltern überlassen. Im „31. Gesetz: Trainieren Sie Sozialkompetenz, Gewissenhaftigkeit und Konzentrationsfähigkeit!“ wird den Eltern unter Punkt 5 „Motivieren Sie das Kind.“ geraten: „Trainieren Sie Anstrengungsbereitschaft und üben Sie mit dem Kind, sich Zeit zu lassen, sich mit Geduld und Anstrengung an das Ziel heranzuarbeiten. Geben Sie dem Kind solche Aufgaben.“ Wie aber ist eine innere Bereitschaft zu trainieren? Wie können Zeitlassen, Geduld und Anstrengung an einer Aufgabe geübt werden? Welche Art von Aufgaben diese Möglichkeit (wenn überhaupt) bietet, bleibt unklar.

Eine Reflexion des vorgestellten Konzepts findet nicht statt, der Stil der Ratschläge ist durchgängig auffordernd und eher belehrend als zur eigenen Interpretation und Bewertung anregend. Die Diskussionen um verschiedene Lerntypen, Entwicklungsstufen, den Einfluss der Anerkennung durch die Gleichaltrigengruppe, die Altersabhängigkeit, die Berücksichtigung der kindlichen Individualität und den Einfluss individueller Lebensbedingungen werden kaum aufgegriffen. Insgesamt ist das Buch nur dann für Eltern zu empfehlen, wenn sie sich mit der Idee, dass die Kindheit vor allem die Zeit der Vorbereitung eines im ökonomisch-gesellschaftlichen Sinne erfolgreichen Erwachsenendaseins ist, anfreunden können. Fragen danach, ob Leistungsfähigkeit und -bereitschaft Garanten für individuelle Zufriedenheit oder Erfolg sind oder ob Schulerfolg in einem direkten Zusammenhang mit beruflichem Erfolg steht, werden nicht gestellt. Die Gesetze des Schulerfolgs versprechen gleichwohl eines: Machbarkeit.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unter den Autoren Einigkeit darin besteht, dass eine produktive Zusammenarbeit zwischen Eltern und LehrerInnen für das Bestehen von Kindern und Jugendlichen in der Schule hilfreich sein kann. Die Antworten auf die Frage, wer für diese Zusammenarbeit zuständig ist und wie diese Zusammenarbeit aussehen kann, fallen aber sehr unterschiedlich aus. Während Hans Dusolt eher für einen partnerschaftlichen Austausch plädiert, der durch das pädagogische Personal angestoßen wird, sieht Jochen Korte die Schule in der Verantwortung, die Eltern durch pädagogische Weiterbildungsangebote zu befähigen, ihren erzieherischen Aufgaben angemessen nachkommen zu können, um damit den Grundstein schulischen Handelns zu sichern. Adolf Timm dagegen übergibt die Verantwortung für die Zusammenarbeit den Eltern, indem er Hinweise und Gesetze formuliert, die es Eltern ermöglichen sollen, ihren Kindern ein optimales Lernumfeld zu bieten und damit auch die schulische Arbeit zu unterstützen.

Was man aus der vergleichenden Lektüre der Ratgeber lernen kann, ist, dass die jeweiligen Annahmen (welche Aufgaben Elternhaus und Schule zu erfüllen haben, welche Kompetenzen Eltern zugesprochen werden und wie das Verhältnis zwischen Elternhaus und Schule gesehen wird – hierarchisch, vor- und nachgeordnet oder partnerschaftlich) erheblichen Einfluss auf die jeweiligen Konzepte einer Zusammenarbeit haben. Nur, wer von den Adressaten liest schon so vergleichend?
Theresa Jahns (Braunschweig)
Zur Zitierweise der Rezension:
Theresa Jahns: Rezension von: Dusolt, Hans: Elternarbeit als Erziehungspartnerschaft, Ein Leitfaden für den Vor- und Grundschulbereich 3. vollständig überarbeitete Aufl.. Weinheim: Beltz 2008. In: EWR 9 (2010), Nr. 2 (Veröffentlicht am 13.04.2010), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978340722081.html