EWR 10 (2011), Nr. 4 (Juli/August)

Hanna Kiper / Waltraud Meints / Sebastian Peters / Stephanie Schlump / Stefan Schmit (Hrsg.)
Lernaufgaben und Lernmaterialien im kompetenzorientierten Unterricht
Stuttgart: Kohlhammer 2010
(252 S.; ISBN 978-3-17-021409-5; 29,80 EUR)
Lernaufgaben und Lernmaterialien im kompetenzorientierten Unterricht In dem hier besprochenen Band werden Ansätze und Konzeptionen zur Konstruktion und Analyse von Lernaufgaben unter der Berücksichtigung ihrer Wirkung auf schüler- und kompetenzorientiertes Lehren und Lernen vorgestellt. Dabei sollen sowohl allgemein- als auch fachdidaktische Überlegungen mit einbezogen und ein Dialog zwischen diesen befördert werden, um Forschungsfragen und -ansätze über die Ausrichtung des eigenen Faches hinaus in den Blick zu nehmen. Die in dem Band veröffentlichten Aufsätze entstammen Tagungsbeiträgen sowie den Ergebnissen von Projektarbeiten und stehen in Verbindung mit dem Projekt KLee (Kompetenzerwerb durch Lernaufgaben – Fachdidaktische Perspektiven) der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg.

Der Band gliedert sich in fünf Kapitel, denen die einzelnen Beiträge zugeordnet sind. Auf die „Einleitung“, in der sowohl die Intentionen als auch der Aufbau des Buches sowie die einzelnen Kapitel zusammenfassend vorgestellt werden, folgen im zweiten Kapitel sechs Beiträge, die „Grundlegende Überlegungen“ der Thematik beleuchten. So stellt etwa Sabine Richter ein objektiviertes Verfahren zur fachunabhängigen Gestaltung von aufeinander aufbauenden Lernaufgaben mit Hilfe des Designmodells SEGLER (systematische und entscheidungstheoretisch gestützte Gestaltung von Lernaufgaben) vor. Hanna Kiper präsentiert anschließend eine allgemeine Liste von Schritten zur Prüfung von Schulbuchaufgaben durch Lehrkräfte und weist auf die Bedeutung von Aufgaben für Lehr-Lernprozesse hin. Unter Einbezug der Erkenntnisse der Gedächtnispsychologie stellt Gerhard Steiner die Möglichkeiten von Lernaufgaben für den Lernprozesszyklus dar. Josef Leisen verdeutlicht den Unterschied zwischen Lern- und Leistungsaufgaben und gibt ebenfalls Hinweise zur Aufgabenkonstruktion. Eine gelungene Verknüpfung allgemeindidaktischer und verschiedener fachdidaktischer Konzeptionen zur Klassifikation von Aufgaben präsentieren Uwe Maier, Marc Kleinknecht und Kerstin Metz, indem sie die Erfassung kognitiver Ansprüche von Aufgaben anhand von sieben Dimensionen darstellen. Auffällig an dem Kapitel ist, dass keine beitragsübergreifende Definition des Begriffs der Lernaufgabe zugrunde gelegt wurde, sondern die jeweiligen Autoren eigene Akzentuierungen für die Benutzung des Terminus vornehmen.

Diese nicht ganz konsistente Begriffsverwendung spiegelt sich auch im dritten, vier Aufsätze beinhaltenden Kapitel „Fachdidaktische Konzeptionen“ wider. So nutzt zum Beispiel Iris Winkler in ihrem Eingangsbeitrag „Lernaufgaben im Literaturunterricht“ den Terminus Lernaufgaben einschränkend für „Aufgabenstellungen, die fachspezifische Lernprozesse anregen, begleiten und beeinflussen“ (103), um eine explizite Ausrichtung auf fachliche Gegenstände zu unterstreichen. Der Beitrag von Regina Bruder „Lernaufgaben im Mathematikunterricht“, beschreibt verschiedene Aufgabentypen und deren Einfluss auf nachhaltiges Lernen. Dabei sind laut Bruder Lernhandlungen als definierende Merkmale jeder Aufgabe anzusehen, sodass die Bildung eines gesonderten Begriffs „Lernaufgabe“ nicht erforderlich ist. Über den schulischen Anwendungsbereich hinaus geht der Aufsatz von Reinhard Schulz, in dem Operatoren zur Auseinandersetzung mit philosophischen Texten auch im universitären Bereich dargestellt werden. Probleme in der Auseinandersetzung zwischen einer stärkeren Output-Orientierung auf der einen und dem Weg der Umsetzung von eher vage gehaltenen Vorgaben in den Kerncurricula auf der anderen Seite schildert Till Warmbold für das Fach Werte und Normen. Er sieht es als Angelegenheit von Lehrkräften an, im Rahmen schulspezifischer Curricula variantenreiche Lernaufgaben zu generieren.

Das vierte Kapitel über „Fachdidaktische Analysen“, in dem sechs Beiträge enthalten sind, beschäftigt sich in besonderem Maße mit der Analyse von Schulbüchern und den darin enthaltenen Aufgaben. Der Beitrag „Wie lassen sich Aufgaben aus Schulbüchern analysieren? – Ein Überblick“ von Hanna Kiper, Stephanie Schlump, Stefan Schmit und Sebastian Peters zeigt dabei verschiedene Analyseebenen für die Auseinandersetzung mit Schulbüchern und den darin enthaltenen Aufgaben auf, mit dem Ziel, nicht nur einzelne Aufgaben und Aufgabentypen in den Fokus zu nehmen, sondern verstärkt auf prozessbezogene Analyseverfahren zu setzen. Dieses scheint auch notwendig, beachtet man den Beitrag von Dirk Lange, Waltraud Meints und Andreas Slopinski, die eine Untersuchung an in Niedersachsen zugelassenen Schulbüchern aus dem Bereich der Politischen Bildung präsentieren. Die Autoren halten fest, dass die von der Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend- und Erwachsenenbildung (GPJE) ausformulierten Kompetenzbereiche insgesamt durch die in den Lehrwerken vorfindbaren Aufgaben nur unzureichend berücksichtigt werden und andere Aufgabentypen vor Lernaufgaben dominieren.

Im abschließenden, drei Aufsätze umfassenden fünften Kapitel wird ein „Ausblick“ zur Thematik gegeben, wobei auch die Kompetenzen der Lehrkräfte in den Blick genommen werden. So resümiert Stephanie Schlump mit Blick auf die COACTIV-Studie, dass das Professionswissen von Lehrkräften in der Mathematik bereits maßgeblich in der universitären Phase der Lehrerbildung vermittelt werden muss, da dieses später „aufgrund von Berufs- und Unterrichtserfahrung nicht zunimmt“ (234). Mit Blick auf einen Nachholbedarf bei Gymnasiallehrkräften im Bereich des fachdidaktischen und allgemeinen pädagogischen Wissens, stellt sie jedoch einschränkend fest, dass eine Beschäftigung mit jedem Themenbereich des Schulcurriculums im Rahmen eines Lehramtsstudiums kaum möglich ist. Der letzte Beitrag des Bandes von Stefan Schmit betrachtet noch einmal kritisch das Operatorenkonzept für Lern- und Prüfungsaufgaben und stellt die Bedeutung fachlicher Perspektiven für Schüler als Orientierungsrahmen heraus. Eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Kompetenzbegriff und den Fragen nach kompetenzorientiertem Unterricht erfolgt ausführlich ebenfalls erst in den Aufsätzen des fünften Kapitels.

Der Band richtet sich an Studierende, Referendare sowie aktive Lehrkräfte, mit dem Anspruch, Möglichkeiten der Unterrichtsoptimierung durch Kenntnisse der Gestaltung und Analyse von Lernaufgaben und -materialien zu vermitteln. Hierzu wird den Adressaten eine Vielzahl verschiedener Ansätze und Ideen geboten, die meistens auch eine mögliche praktische Anwendung erkennen lassen, jedoch für die angesprochene Klientel in einzelnen Fällen etwas zu stark theoretisierend sein könnten und gegebenenfalls zu umfangreiche, aufeinander aufbauende oder divergierende Konzepte präsentieren, deren Bewertung ohne eine umfangreiche Kenntnis der zugrunde liegenden Modelle schwierig sein kann.
Kris-Stephen Besa (Hildesheim)
Zur Zitierweise der Rezension:
Kris-Stephen Besa: Rezension von: Kiper, Hanna / Meints, Waltraud / Peters, Sebastian / Schlump, Stephanie / Schmit, Stefan (Hg.): Lernaufgaben und Lernmaterialien im kompetenzorientierten Unterricht. Stuttgart: Kohlhammer 2010. In: EWR 10 (2011), Nr. 4 (Veröffentlicht am 30.08.2011), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978317021409.html