EWR 6 (2007), Nr. 3 (Mai/Juni 2007)

Manfred Bönsch
Allgemeine Didaktik
Ein Handbuch zur Wissenschaft vom Unterricht
Stuttgart: Kohlhammer 2006
(228 S.; ISBN 978-3-17-018732-0; 24,00 EUR)
Allgemeine Didaktik Sie gehören zu den wichtigsten Büchern einer Disziplin: Lehrbücher, Kompendien, Handbücher oder wie sie sonst noch bezeichnet werden. Diese begriffliche Unklarheit täuscht nicht darüber hinweg, dass solche Bücher für die Weiterentwicklung einer Disziplin unentbehrlich sind. Für die heranwachsende Wissenschaftlergeneration beinhalten sie das Fundament, auf dem neuere Forschungen aufbauen müssen. Für Professoren und Dozenten stellen sie die Grundlage der Lehre dar. Dies gilt für alle Disziplinen und so auch für die allgemeine Didaktik. Zu dieser Kategorie von Büchern lässt sich ebenfalls Manfred Bönschs „Allgemeine Didaktik – Ein Handbuch zur Wissenschaft vom Unterricht“ zählen, das 2006 bei Kohlhammer erschienen ist. Denn in der Einleitung bemerkt er, dass er das Ziel verfolgt, „Bilanzen neu zu ziehen und weiterentwickelte Diskussionsansätze übersichtlich darzustellen“ (9). Darüber hinaus erhebt er den Anspruch, „über eine bloße Bilanzierung hinauszugehen“ (9) und neue Aspekte der allgemeinen Didaktik zu erörtern. Diese inhaltliche Zielsetzung soll Maßstab für die vorliegende Rezension sein. Zudem soll auch auf die didaktische Aufbereitung des Buches eingegangen werden. Denn gerade für Lehrbücher, Kompendien, Handbücher und dergleichen ist dies ein wichtiges und berechtigtes Kriterium.

Zunächst zur inhaltlichen Seite: Das Buch ist in drei Abschnitte („Theoriearsenale der Didaktik“, „Schuldidaktik“ und „Grundzüge einer Elementardidaktik“) unterteilt, die von einer kurzen Einleitung und einem Resümee eingerahmt werden. Die Ausführungen des ersten Abschnittes können vom Ansatz her als klassisch bezeichnet werden. Denn Bönsch beabsichtigt, „die Entwicklung der Didaktik in ihrer historischen Dimension“ (11) aufzuarbeiten. Als Einstieg wählt er „zentrale Statements“ zu Bildungsfragen namhafter Reformpädagogen, wie zum Beispiel Berthold Otto, Hugo Gaudig und Peter Petersen – leider ohne Angabe der Quelle. Wenn dadurch also Interesse geweckt worden wäre – was es ja wohl auch soll –, dann ist der Leser mit dem Zitat allein gelassen. Im Anschluss daran skizziert Bönsch die Entwicklung der Unterrichtslehre zur wissenschaftlichen Didaktik und deren Ausdifferenzierung in den Jahren zwischen 1945 - 1965 mit Bezug auf West- und Ostdeutschland, was begrüßenswert ist. Im Fall Westdeutschlands vertritt er die Auffassung, dass diese Geschichte durch die Darstellung der dominierenden Ansätze – bildungstheoretische Didaktik und Berliner Modell – nicht ausreichend nachgezeichnet werden kann (15). Vielmehr müsse der „Dualismus von didaktischen Überlegungen in Gestalt von Unterrichtslehren als handwerkliche Hilfen für die Praxis … und didaktischen Überlegungen in Gestalt von Theoriegebäuden für die Bildung der Lehrerinnen und Lehrer, ihrer Denkhorizonte und Einstellungen“ (15) berücksichtigt werden. Zu den Erstgenannten zählt er unter anderem Hans-Wildekinde Jannasch, Karl Stöcker und Franz Huber, zu den Letztgenannten beispielsweise Erich Weniger, Wolfgang Klafki und Paul Heimann. Diese Ansätze werden in ihren wesentlichen Zügen dargestellt. Kurz und prägnant gelingt es Bönsch dadurch, die Unterschiede zwischen beiden didaktischen Zugängen darzulegen und ihre Relevanz für die Entwicklung der Disziplin aufzuzeigen. Aus disziplinhistorischer Sicht äußert er sich dabei zur Vormachtstellung der didaktischen Ansätze von Wolfgang Klafki und Paul Heimann kritisch, da diese zum einen das, was vor ihnen existierte, in Vergessenheit gerieten ließen, zum anderen aber auch das, was neben ihnen entstand, gar nicht in einen pädagogischen Diskurs eintreten ließen – eine heute unumstrittene Position.

Im Fall Ostdeutschlands kommt Bönsch zu dem Schluss, dass die disziplingeschichtliche Entwicklung „homogener und direktiver“ (30) verlief. Als Grund nennt er gesellschaftspolitische Vorgaben, die er zwar kurz, aber dennoch überzeugend erläutert. Ebenso wie für Westdeutschland stellt Bönsch auch für Ostdeutschland die Behauptung auf, dass es disziplingeschichtlich einen Dualismus gibt. Diese Dualismus-These erweckt Interesse, da sie doch über den aktuellen Forschungsstand hinausgeht und somit neue Perspektiven eröffnet.

Im Folgenden konzentriert sich Bönsch nur noch auf die westdeutsche Disziplingeschichte, und zwar von 1966 bis 1989. Dabei skizziert er eine Reihe von didaktischen Ansätzen, die zwar nicht dominierend waren, aber dennoch wahrgenommen wurden. Unter anderem behandelt Bönsch die Curriculumtheorie (Robinsohn), die Lernzieldiskussion (Möller), die informationstheoretisch-kybernetische Didaktik (Cube) und die systemtheoretische Didaktik (König). Daneben beschreibt er die Weiterentwicklung der didaktischen Analyse zur kritisch-konstruktiven Didaktik sowie die des Berliner Modells zum Hamburger Modell in ihren wesentlichen Zügen.

Insgesamt erscheinen die Ausführungen von Bönsch an dieser Stelle prägnant und fundiert. Sie laufen meines Erachtens jedoch Gefahr, zu komprimiert zu sein. Wer Genaueres über diese Ansätze wissen will, muss sich folglich Hilfe bei anderen Lehrbüchern holen. Dasselbe Problem zeigt sich in den darauf folgenden Kapiteln, die Bönsch mit „vernachlässigte Didaktiken“ umschreibt und zwölf Beispiele bringt (unter anderem skeptische Didaktik, analytische Didaktik und transzendentalkritische Didaktik). Allerdings warnt er hier den Leser vor, indem er von einer „Gefahr der Verkürzung“ spricht und um „Verständnis“ bittet (63 und 76). Unproblematisch ist dies meines Erachtens nicht. Denn eine verkürzte Darstellung einer „vernachlässigten Didaktik“ wird sich schwer tun, diese zu rehabilitieren. Vielmehr könnte der Eindruck entstehen, dass diese Didaktiken zu Recht unberücksichtigt blieben.

Den Abschluss des ersten Abschnittes stellt schließlich eine Reflexion des aktuellen Diskussionstandes dar. Bönsch versucht dies mithilfe dreier Begriffe: Handlung – Beziehung – Subjekt. Diese leitet er nicht, wie man nach einer einführenden disziplingeschichtlichen Darstellung hätte erwarten können, aus der Geschichte ab, sondern aus aktuellen Strömungen. Insofern entsteht hier ein unnötiger Bruch in der Argumentation. Schwerwiegender ist jedoch folgendes: Handlungsorientierung, Beziehungsdidaktik und subjektive Didaktik – allesamt aus den genannten Begriffen abgeleitet – bilden nach Meinung von Bönsch den aktuellen Diskussionsstand in der Didaktik. Betrachtet man hierzu aber die Literatur, die Bönsch angibt, dann zeigt sich, dass meist nur ältere Schriften angegeben werden (15/27 Nennungen vor 1990 und nur 3/27 nach 2000, vgl. S. 99, 106 und 114). Die Frage, ob damit wirklich der aktuelle Diskussionsstand angesprochen ist und wenn ja, welches denn die dazugehörige Literatur ist, wirft sich zwangsläufig auf. Insgesamt nimmt der erste Abschnitt die Hälfte des Buches ein.

Im zweiten Abschnitt befasst sich Bönsch mit dem Begriff der Schuldidaktik und, so verspricht er in der Einleitung, betritt damit didaktisches Neuland (9). Sein Ziel und seine Neuerung ist, den Didaktikbegriff „von Konstruktionsmodi für Unterricht auf Konstruktionsmodi für Schule insgesamt“ auszuweiten (115). Ausgangspunkt der Schuldidaktik Bönschs bildet demgemäß der Begriff „Lernökologie“, den er besonders in Anlehnung an die Sozialökologie Uri Bronfenbrenners und die Theorie der Schule von Helmut Fend entwickelt. An einzelnen Aspekten versucht er diesen zu konkretisieren und mit Inhalt zu füllen. So erörtert er den klassischen Gegensatz zwischen Schule und Leben und bespricht darauf aufbauend Möglichkeiten der Gestaltung von Schule als Lebensraum am Beispiel der Halbtagsschule, der Ganztagsschule und der Internatsschule. Dabei geht er mehr historisch als systematisch auf bekannte Verfahren ein, wie beispielsweise die Schulraumgestaltung, Feste und Feiern. Meines Erachtens kommen dabei neuere Forschungen etwas zu kurz. Abschließend bündelt Bönsch seine Gedanken zur Schuldidaktik und nennt vier Bereiche: Klima, Ethos, Geselligkeit, Demokratie. Sie bilden seiner Meinung nach die Kategorien einer „guten Schule heute“ (137). Leider versäumt es Bönsch an dieser Stelle darzulegen, wie er zu diesen Kategorien kommt und inwiefern sie sich gegenseitig bedingen, wie ihre Abhängigkeiten zueinander aussehen, so dass seine Ausführungen – trotz ihrer überzeugenden und nachvollziehbaren Präsentation – mehr an eine Ideensammlung und an einen reichen Erfahrungsschatz als an eine Auseinandersetzung mit dem facettenreichen Forschungsstand erinnern.

Im letzten Abschnitt, auch hier verspricht Bönsch Neuland zu betreten, widmet er sich den Grundzügen einer Elementardidaktik. Was er genau darunter versteht, sagt er nicht. Zwar bemerkt er, dass „eine Elementardidaktik (…) an den elementaren Gegebenheiten von Lehr- und Lernsituationen“ (149) ansetzt. Die Unterschiede jedoch zur Allgemeinen Didaktik, das Neue, das diese Elementardidaktik auszeichnet, werden nicht erwähnt. Erst am Ende des Buches, in „Bilanz und Ausblick“, geht er noch mal darauf ein und bemerkt, dass die zentralen Anliegen einer Elementardidaktik in „einer Kultur des Denkens, dem Erwerb von Fertigkeiten und der Aneignung von Werten und Normen“ (223) zu sehen sind. Dieser Hinweis wäre an früherer Stelle für das Verständnis und den Aufbau des letzten Abschnittes hilfreich.

Ausgangspunkt der Elementardidaktik von Bönsch ist das didaktische Dreieck. Aus den daraus resultierenden Problembereichen und Spannungsverhältnissen leitet er zwei „Basiskapitel“ ab, die die „Grundlagen“ der Elementardidaktik ausmachen (150). Erstens erörtert Bönsch das Lehrer-Schüler-Verhältnis. Dieses diskutiert er multiperspektivisch, wodurch es ihm gelingt, einen tieferen Einblick in diese zentrale Problematik jeglichen pädagogischen Denkens und Handelns zu geben. So werden sowohl klassische Ansätze, wie der pädagogische Bezug und der pädagogische Takt, als auch empirischen Studien, zum Beispiel zu Erziehungsstilen oder aus dem Bereich der humanistischen Psychologie, genannt. Diese Überlegungen gipfeln in einer Beziehungsdidaktik, die Bönsch bereits im ersten Abschnitt innerhalb seiner Darstellung des aktuellen Diskussionstandes anspricht – er selbst sieht sich eng mit diesem Ansatz verbunden. Dieser Ansatz scheint vor allem für das Lehrer-Schüler-Verhältnis wichtig zu sein, da er pädagogisch bedeutsame Spannungsfelder in den Mittelpunkt rückt (Führen – Wachsenlassen, Vertrautheit – Distanz, Bewahren – Verändern usw.), und wird von Bönsch fundiert und prägnant vorgestellt. Zweitens erörtert Bönsch Methoden des Unterrichts und spricht dabei von einer „Orchestrierung der Vielfalt“ (171), was ein gelungenes Bild für das breite Spektrum an Handlungsanweisungen und -empfehlungen für den Unterricht darstellt. Mithilfe dieser Metapher gelingt es ihm auch, die Vielfalt zu systematisieren und vier Kategorien zu bilden: Vermittlungswege, Such- und Findewege, Kreations- und Konstruktionswege sowie Speicher- und Verarbeitungswege. Diese stellt er knapp dar, auf Wechselwirkungszusammenhänge geht er nicht ein.

Inwiefern die nachfolgenden und auch abschließenden drei Kapitel mit den eben besprochenen, grundlegenden Kapiteln der Elementardidaktik zusammenhängen, wird von Bönsch, wie bereits erwähnt, meines Erachtens zu spät und nur beiläufig erwähnt – und trotzdem wecken diese Kapitel Interesse. Inhaltlich setzt sich Bönsch zunächst mit „Lernen als Anregung von und Auseinandersetzung mit Lerninhalten“ (175) auseinander, weist auf den Zusammenhang zwischen Inhalt und Methode des Lernens hin, definiert „Denkerziehung als Grundaufgabe institutionalisierten Lernens“ (184) und gibt einzelne unterrichtspraktische Beispiele. Im nächsten Kapitel betrachtet Bönsch das „Lehren und Lernen psychomotorischer Fertigkeiten“ und stellt darin gängigen Lernformen, wie beispielsweise Beobachtungslernen, vor. Dabei betont er auch die Wichtigkeit des Übens und der verbalen Instruktion in diesem Bereich. Im letzten Kapitel greift Bönsch das Thema „Lehrbarkeit des Ethos“ (207) auf und setzt sich mit ethischem Lernen auseinander. Dabei definiert er unter Rückgriff auf verschiedene Gesetzesvorlagen den Begriff „Ethos“, um daraus ein Programm für diesen Lernbereich zu entwerfen. Bönschs Ziel, eine erste Landkarte des Aufgabengebietes zu entwickeln, kann als erreicht bezeichnet werden, wobei seine Einschätzung, noch detailliertere Einzeichnungen nachzureichen, nicht übersehen werden darf (213). Ansätze hierzu gibt es, zum Beispiel von Georg Lind.

Abschließend noch ein paar Anmerkungen zur didaktischen Aufbereitung des Buches von Bönsch: Im Buch enthalten sind ein Sach- und Personenregister, was die Orientierung und das Nachschlagen erleichtert. Die Literatur wird jeweils am Ende eines Kapitels angeführt und Abbildungen (insgesamt 27) werden auf das Wesentliche reduziert und ergänzend zum Text eingesetzt. Was im englischsprachigen Raum für Bücher dieses Typs als Standard gilt, nämlich dass jedem Kapitel eine Zielangabe vorausgeht und dieses durch eine Zusammenfassung und Übungsaufgaben abgerundet wird, fehlt. Lediglich die Heraushebung von zentralen Begriffen aus dem Text und ihre Auflistung am Rand kann als didaktische Darbietung interpretiert werden, was nützlich sein kann, manchmal aber auch „hilflos“ wirkt. Vor allem dann, wenn am Rand dieselben Wörter stehen wie daneben in der Überschrift (beispielsweise 82).

Summa summarum ist die Allgemeine Didaktik, das Handbuch zur Wissenschaft vom Unterricht von Bönsch eine interessante Lektüre. Hervorzuheben ist der reiche Erfahrungsschatz, auf den Bönsch als Kenner des Faches zurückgreifen kann und den man als Leser förmlich spüren kann. Problematisch erscheinen hingegen die vielerorts knappen Ausführungen und die häufig fehlende Offenlegung der Gedankenführung. Aus diesem Grund kann das Buch von Bönsch den Anspruch an ein Lehrbuch, an ein Kompendium und dergleichen nicht erfüllen. Eher hat es einen protreptischen und isagogischen Charakter. Wer vor diesem Hintergrund zu diesem Buch greift, wird es mit Gewinn lesen.
Klaus Zierer (Regensburg)
Zur Zitierweise der Rezension:
Klaus Zierer: Rezension von: Bönsch, Manfred: Allgemeine Didaktik, Ein Handbuch zur Wissenschaft vom Unterricht. Stuttgart: Kohlhammer 2006. In: EWR 6 (2007), Nr. 3 (Veröffentlicht am 12.06.2007), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978317018732.html