EWR 6 (2007), Nr. 6 (November/Dezember 2007)

Philipp Grollmann
Professionelle Realität von Berufspädagogen im internationalen Vergleich
Eine empirische Studie anhand ausgewählter Beispiele aus Dänemark, Deutschland und den USA
(Reihe Berufsbildung, Arbeit und Innovation, Bd. 3)
Bielefeld: Bertelsmann 2005
(269 S.; ISBN 3-7639-3392-1; 35,00 EUR)
Professionelle Realität von Berufspädagogen im internationalen Vergleich Die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen und die partielle Verlagerung entsprechender Studiengänge an (Pädagogische) Fachhochschulen bringen im Bereich der Ausbildung tief greifende Umstrukturierungen mit sich. Ebenso finden auf der Ebene der Schulen grundlegende Veränderungen statt, wie sie sich beispielsweise in der Einführung von regionalen berufsbildenden Kompetenzzentren widerspiegeln. Diese hier nur angedeuteten Entwicklungen haben ohne Zweifel Auswirkungen auf die Professionalisierung und die professionelle Realität von Berufspädagogen.

Dementsprechend scheint eine Auseinandersetzung mit der berufspädagogischen Professionalisierung von großem Interesse. Die empirische Studie von Philipp Grollmann beleuchtet die professionelle Realität von Berufspädagogen in den drei Ländern USA, Dänemark und Deutschland. Grundlegend für die vergleichende Untersuchung ist die Frage nach dem Einfluss und der Verschränkung verschiedener Bedingungsgrößen, wie dem „Professionswissen“ (subjektive Bedingungen) und den differenten Institutionalisierungsformen (objektive Bedingungen) berufspädagogischer Arbeit, auf das professionelle Selbstverständnis von Berufspädagogen (11).

Im ersten Kapitel „Befunde und offene Fragen in internationaler Perspektive“ skizziert der Autor den aktuellen Forschungsstand, um daran anlehnend die relevanten Begrifflichkeiten aufzuzeigen und um diese zu kontextualisieren. Der Professionsbegriff, (berufspädagogische) Professionalität, formale und gegenstandsbezogene Professionalisierung, professionelle Ethik und Professionswissen, berufsspezifisches Wissen und professionelle Realität werden erläutert und in Beziehung zueinander gesetzt. Mit Bezug auf den berufspädagogischen Forschungsstand werden die Begriffe Berufsbildungsprozesswissen und berufspädagogische Berufskultur als zentrale, die Untersuchung leitende Kategorien zur Analyse der professionellen Realität identifiziert.

Grollmann orientiert sich am Modell des „Good Work“, das verschiedene Komponenten professioneller Realität beinhaltet: eine (Berufs-)Domäne, ein abgrenzbares (Berufs-)Feld, Personen, die den jeweiligen Beruf ausüben (Praktiker) und die Gruppe der Stakeholders, die jeweils spezifische Interessen vertreten. Dieses Modell dient als analytischer Rahmen der Studie, in dem die Kategorien „Berufsbildungsprozesswissen“ und „Berufskultur“ verortet werden, um dann in den jeweiligen Kontexten der drei Länder analysiert werden zu können (41-45).

Das darauf folgende Kapitel „Internationale Vergleiche in Theorie und Praxis“ stellt zunächst verschiedene internationale Studien vor, welche die Lehreausbildung und -praxis in der beruflichen Bildung zum Untersuchungsgegenstand haben. Im dritten Kapitel geht der Autor dann zum empirischen Teil der Studie über. Es werden Untersuchungsfragen formuliert, die sich an dem zuvor eingeführten Modell der „Good Work“ und den darin enthaltenen Komponenten der „professionellen Realität“ orientieren.

Die Erhebung der die Untersuchung leitenden Kategorie „Berufsbildungskultureller Kontext“ (Domäne, Stakeholder) beruht auf der Grundlage von Literatur- und Datenauswertungen sowie Expertengesprächen in Dänemark, im Bundesstaat Ohio (USA) und in den deutschen Bundesländern Niedersachsen, Hessen und Baden-Württemberg. Die Berufskultur und das Berufsbildungsprozesswissen (Berufsfeld, Praktiker) basiert auf problemzentrierten Interviews mit Lehrern und Leitungspersonal; insgesamt wurden 52 Interviews geführt.

Im vierten Kapitel wird der berufsbildungskulturelle Kontext in Dänemark und den USA dargestellt. Die Entwicklung und Situation der deutschen Berufsbildung wird als bekannt vorausgesetzt und nicht weiter ausgeführt. Die Forschungsergebnisse hinsichtlich der Kategorien Berufskultur und Berufsbildungsprozesswissen im jeweiligen landesspezifischen institutionellen Kontext werden im folgenden Kapitel entfaltet, ehe im letzten Kapitel der Studie die Ergebnisse der Auswertung der drei Länder vergleichend und resümierend gegenüber gestellt werden.

Im Hinblick auf die deutsche professionelle Realität von Berufspädagogen hält Grollmann fest, „dass sich im Vergleich ein nicht unerheblicher Entwicklungsbedarf auf der Seite der gegenstandsbezogenen Professionalisierung herausstellt. […] Das in erster Linie inputbasierte Qualitätssicherungs- und Steuerungsmodell müsste um output- und prozessorientierte Komponenten ergänzt werden. Die Prozessorientierung in Steuerung und Qualitätssicherung würde mit einer integrativen Lehrerbildung korrespondieren, die die bisher separierten Lehrerbildungsphasen in einen Zusammenhang stellt“ (222).

Die empirische Studie von Grollmann skizziert in äußerst komplexer und aufschlussreicher Form ein umfassendes Bild der professionellen Realität von Berufspädagogen. Insbesondere das fünfte Kapitel, das auf Grundlage der geführten Interviews eine detaillierte Perspektive auf die Situation von Berufspädagogen im Hinblick auf ihre Berufskultur und das Berufsbildungsprozesswissen gibt, ist sehr informativ. Akzentuiert wird dies zusätzlich durch die eingefügten Interviewzitate. Der Autor macht es dem Leser allerdings bisweilen in sprachlicher und inhaltlicher Hinsicht nicht leicht, den Ausführungen zu folgen. Die Kapitel sind teilweise zu dicht und zu voraussetzungsreich formuliert: Sie setzen für die Bereiche der international vergleichenden Forschung und für die deutsche Situation der beruflichen Bildung mehr als ein grundlegendes Vorwissen voraus. Dementsprechend ist das Buch weniger als Einstiegslektüre für Studierende geeignet.
Stefanie Stolz (Zürich)
Zur Zitierweise der Rezension:
Stefanie Stolz: Rezension von: Grollmann, Philipp: Professionelle Realität von Berufspädagogen im internationalen Vergleich, Eine empirische Studie anhand ausgewählter Beispiele aus Dänemark, Deutschland und den USA (Reihe Berufsbildung, Arbeit und Innovation, Bd. 3). Bielefeld: Bertelsmann 2005. In: EWR 6 (2007), Nr. 6 (Veröffentlicht am 05.12.2007), URL: http://klinkhardt.de/ewr/76393392.html