EWR 4 (2005), Nr. 2 (März/April 2005)

Roswitha Peters
Erwachsenenbildungs-Professionalität
Ansprüche und Realitäten
Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag 2004
(240 S.; ISBN 3-7639-1898-1; 22,90 EUR)
Erwachsenenbildungs-Professionalität Während zu Beginn der Professionalisierungsdebatte in der Erwachsenenbildung eher eine strategisch-quantitative Berufsentwicklung im Vordergrund stand, verschob sich der Fokus seit den 90er Jahren hin zu Arbeiten, die sich um die Erfassung von Logik und Aufgabenstruktur des beruflichen Handelns bemühten. Somit erweist sich die Erwachsenenbildungsprofessionalität als bedeutsame Dimension qualitativer Berufsentwicklung. Einen weiteren professionstheoretisch fundierten Beitrag leistet Roswitha Peters mit ihrer Studie "Erwachsenenbildungs-Professionalität. Ansprüche und Realitäten."

Sowohl unter einem theoretischen als auch unter einem praktisch-empirischen Blickwinkel untersucht Roswitha Peters in ihrer Dissertation, welche Voraussetzungen zur Entwicklung von Erwachsenenbildungs-Professionalität erforderlich sind und in welchem Zusammenhang sie im Hinblick auf eine Entwicklung einer Profession der Erwachsenenbildung stehen. Wie bereits im Umschlagstext vermerkt, macht den weitaus größeren Teil ihrer Arbeit die theoretische Fundierung aus. Die Ergebnisse ihrer empirischen Studie zur Erwachsenenbildungsprofessionalität, in der sie zehn hauptberuflich tätige Diplom-Pädagoginnen und Diplom-Pädagogen (mit dem Studienschwerpunkt Erwachsenenbildung/Weiterbildung) zu ihrem beruflichen Handeln, Wissen und Können sowie zu Einschätzungen ihres (eigenen) beruflichen Handelns befragt, stellen etwa ein Viertel der gesamten Studie dar.

Im theoretischen Teil zeichnet Peters zunächst die Professionalisierungsdiskussion in der Erwachsenenbildungspraxis und -wissenschaft nach, beschreibt im Anschluss daran den aktuellen Stand des beruflichen Erwachsenenbildungshandelns in Deutschland und erörtert vor diesem Hintergrund zentrale professionstheoretische Positionen. Diese Vorarbeiten ermöglichen es der Autorin professionelles Erwachsenenbildungshandeln näher zu charakterisieren. Im Abschlusskapitel ihres theoretischen Teils geht sie auf individuelle, strukturelle und soziale Voraussetzungen der Entwicklung von Erwachsenenbildungsprofessionalität im Detail ein. Während Peters in ihrem theoretischen Teil einer systemtheoretischen Argumentationslinie folgt, orientiert sie sich im empirischen Abschnitt ihrer Studie an der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring.

Nach Peters ist das Projekt der Professionalisierung bis heute kaum gelungen, da sich bisher keine Profession von Erwachsenenbildnern und -bildnerinnen konstituiert habe. In diesem Kontext bemängelt sie m.E. zu Recht, dass Angebot und Nachfrage, nicht die professionelle Durchführungsqualität, in der aktuellen Professionalisierungsdiskussion die entscheidenden Entwicklungskriterien zu sein scheinen (41). Sie mahnt an, dass der Zentralwert, auf den die Erwachsenenbildung bezogen bleiben müsse, die Bildung sei. Erst deren Berücksichtigung ermögliche eine humane Gestaltung unseres Lebens. Dabei stellt die Autorin sogar in Frage, ob betriebliche Bildung überhaupt professionalisierbar sei. Denn im Mittelpunkt betrieblicher Bildungsarbeit stünden keine persönlichen Lerninteressen, sondern betriebliche (und somit monetäre) Belange.

Auch ihre weiteren Äußerungen, in denen sie sich auf den aktuellen Stand des beruflichen Erwachsenenbildungshandelns bezieht, wirken pessimistisch. Sie schreibt, dass die "Jongleure der Wissensgesellschaft" keinen gemeinsamen Boden unter den Füßen hätten (54). Eine gemeinsame Berufskultur und -politik der Beschäftigten sei nicht vorhanden. Eine allgemein anerkannte berufliche Handlungsethik sei zwar wichtige Komponente einer erkennbaren Berufskultur; diese sei aber (abgesehen von ersten Ansätzen des 2001 gegründeten "Forums Werteorientierung in der Weiterbildung") bislang unzureichend formuliert worden. Auch die Etablierung einer Erwachsenenbildungs-Wissenschaft konnte Lernen, Wissen und Bildung Erwachsener und deren Vermittlung weder als zentrale Foki von Forschung, Theorie und Lehre vermitteln noch dem potenziellen Berufsnachwuchs zentrale Referenzpunkte erwachsenenbildnerischen Handelns vermitteln. Weiterhin sieht Peters kritisch, dass sich bis heute kein Berufsverband von Erwachsenenbildern und -bildnerinnen gebildet hat und dass die öffentliche Diskussion über Bildung (und Bildungsveranstaltungen) sich erst ansatzweise (z.B. durch die Stiftung Bildungstest) entwickelt.

Auf der Folie ihres theoretisch erarbeiteten Interpretationsrahmens gelangt Peters zu einem professionstheoretisch begründeten Verständnis von Erwachsenenbildungs-Professionalität. Die erwachsenenbildnerische Tätigkeit sei eine im Kern didaktische, wobei Peters diese auf den mikrodidaktischen personenbezogenen Bereich beschränkt wissen und nicht – wie es häufig geschieht – auf die planerisch-disponierende Ebene ausdehnen will. Die Autorin geht schließlich auf die gängigsten wissenschaftlichen Definitionen von Erwachsenenbildung ein und entwickelt in einer diskursiven Auseinandersetzung mit ihnen ein eigenes professionstheoretisches Verständnis: "Erwachsenenbildungs-Professionalität erweist sich so als kompetentes didaktisches Handeln, das auf das Lernen und die Bildung von Personen und auf Bildung als gesellschaftlichen Wert bezogen ist, das die daran geknüpften individuellen und gesellschaftlichen Interessen personen- und sachgerecht in Beziehung zu setzen vermag und das die jeweiligen Lern- und Bildungsinhalte sowohl nach Maßgabe ihrer (wissenschaftlichen) Wahrheit und Richtigkeit als auch nach Maßgabe ihrer interessensspezifischen partikularen Relevanz und Nützlichkeit angemessen berücksichtigt." (125f.) Dabei erkennt sie durchaus, dass die beteiligte Klientel, ihre Lernbereitschaft und Lernfähigkeit, Professionalität gelingen oder auch misslingen lassen kann.

Auf der Suche nach Wissensformen, die Lern- und Bildungsprozesse Erwachsener didaktisch ermöglichen, unterscheidet die Autorin zwischen "professionstheoretisch notwendigem Wissen" und "wissenschaftstheoretisch notwendigem Wissen". Das "wissenschaftstheoretisch notwendige Wissen" schlüsselt sie noch einmal 3-fach auf in "wissenschaftliches Wissen und durch wissenschaftliche Ausbildung erworbenes Wissen", in "berufliches und durch berufliches Handeln erworbenes Wissen" und in das "Professionswissen." Über die genannten Wissensformen hinaus begreift Peters als weitere Voraussetzungen der Entwicklung von Erwachsenenbildungs-Professionalität noch das "Können" (als eigenständiger Handlungsressource), das bewusste "Aufgaben-, Handlungs- und Rollenverständnis", das "Handlungsethos" sowie "strukturelle und soziale Voraussetzungen".

Auch in ihren empirisch ermittelten "Nahsichten", die sich an ihre theoretischen Reflexionen anfügen, kommt die Autorin zu dem Schluss, dass keiner der Befragten über ein reflektiertes Verständnis von der Professionalität spezifisch erwachsenenbildnerischen professionellen Handelns verfüge. Auf diese Weise bestätigt sie ihre bereits im theoretischen Teil erarbeitete Diagnose. Diese offenbar kollektive Blindheit gegenüber der qualitativen Dimension beruflichen Handelns führt sie insbesondere darauf zurück, dass Bildung als orientierender Zentralwert einer Profession Erwachsenenbildung für die Interviewpartner und -partnerinnen weder handlungsleitende Kategorie noch Gegenstand beruflicher Reflexion zu sein scheint (209). Weiterhin stünden auf Grund der bildungs-, berufs- und professionstheoretisch wenig entwickelten Könnens-Kategorien für berufliches und speziell auch für erwachsenenbildnerisches Handeln kaum differenzierte Begriffe zur Verfügung (222).

Peters Hinweis darauf, dass ein Zusammenhang bestehe zwischen dem fehlenden Interesse an der Bildung als zentralem, gesellschaftlichem Wert und der Vernachlässigung des Aspekts der Professionalität weist vor dem Hintergrund der aktuellen Professionalisierungsdiskussion der Erwachsenenbildung in die richtige Richtung. Gerade diese Erkenntnis würde es nahe legen den Bildungsbegriff und auch seine Korrelation zum Begriff der Didaktik näher auszudifferenzieren, um ihn für die erwachsenenpädagogische Diskussion fruchtbar zu machen. Dieses Unterfangen würde zwar den Rahmen vorliegender Dissertation überschreiten, wäre aber sicher weitere Forschungsarbeiten wert. Eine weitere Anregung in diesem Bereich wäre es, nach professionellem Handeln in homogenen Disziplinen zu forschen. Eine Kursleiterin, die ein Alphabetisierungsprojekt durchführt, wird voraussichtlich ihre berufliche Tätigkeit mit anderen Kategorien beschreiben als ein Personnel&Communication Manager in einem Weltkonzern. Ganz abgesehen von den verschiedenen Arbeitsschwerpunkten gibt es auch in konkreten didaktischen Situationen unterschiedliche Schwerpunkte, die aller Voraussicht nach nicht mit einem einheitlichen beruflichen Selbstverständnis korrelieren. Sicher sollte auch nicht übersehen werden, dass die Frage nach Professionalität in der Erwachsenenbildung und entsprechenden reflexen Kategorien auch an den Forscher bzw. die Forscherin Anforderungen stellt, nämlich die eigenen impliziten wissenschaftstheoretischen Grundlagen im Hinblick auf den Forschungsgegenstand zu überdenken. "Objektive" Erkenntnis sollte also eine selbstkritische Reflexion auf die individuelle Perspektivität beinhalten.

Komplexität und Partikularität der "Nahsichten", wie sie sich aus den Interviews ergeben, müssen vor dem Hintergrund makrosoziologischer Zusammenhänge verstehbar gemacht werden. In besonderer Weise erwähnenswert scheint mir der von Peters hervorgehobene Sachverhalt, dass es nicht nur am Einzelnen, sondern immer auch an der Gesellschaft, an den politischen Gegebenheiten und an der Kultur sowie u.a. an der öffentlichen, medialen Selbstdarstellung liegt, dass die nötigen sprachlichen Klassifikationsschemata (noch) nicht gegeben sind. Dieser Sachverhalt erscheint mir deswegen bedeutsam, damit Erwachsenenbildner und Erwachsenenbildnerinnen nicht zu Sündenböcken für Noch-nicht-Erreichtes degradiert werden. Professionelles Handeln mag lern- und trainierbar sein und die Voraussetzungen dafür mögen zunehmend geschaffen werden. Aber darüber hinaus bleiben stets nicht-planbare Variablen (z.B. die Persönlichkeit des Erwachsenenbildners, die Qualität der didaktischen Begegnung etc.) bestehen. Würde man diesen Sachverhalt verkennen, bestünde die Gefahr, dass der Gedanke der Machbarkeit, von dem sich Peters auch durch ihr Insistieren auf den Bildungsbegriff distanziert, durch die Hintertür der Professionalisierungsthematik wieder einzieht. Deutlich wird, dass der (nicht linear verlaufende) Prozess der Professionalisierung durch prinzipiell nur schwer zu definierende Antagonismen gekennzeichnet ist.

Insgesamt stellt das Buch, das sich durch eine sehr hohe Informationsdichte auszeichnet, eine gute Einführung in die theoretisch fundierte und empirisch abgestützte Professionalisierungsthematik dar. Da die anspruchsvolle Begrifflichkeit eine hohe Aufmerksamkeit erfordert, ist es eher für fachlich versierte Erwachsenenpädagogen, Studierende der Erwachsenenpädagogik sowie für Wissenschaftler in diesem Bereich zu empfehlen. Die insgesamt sieben Übersichten, in denen Peters ihre Gedankengänge bündelt, geben auch dem eiligen Leser bzw. der eiligen Leserin einen Überblick über die differenzierte Thematik.
Gudrun Hackenberg-Treutlein (München)
Zur Zitierweise der Rezension:
Gudrun Hackenberg-Treutlein: Rezension von: Peters, Roswitha: Erwachsenenbildungs-Professionalität, Ansprüche und Realitäten, Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag 2004. In: EWR 4 (2005), Nr. 2 (Veröffentlicht am 06.04.2005), URL: http://klinkhardt.de/ewr/76391898.html