EWR 6 (2007), Nr. 2 (März/April 2007)

Detlef Behrmann
Reflexives Bildungsmanagement
Pädagogische Perspektiven und managementtheoretische Implikationen einer strategischen und entwicklungsorientierten Gestaltung von Transformationsprozessen in Schule und Weiterbildung
Frankfurt a.M.: Peter Lang 2006
(455 S.; ISBN 3-631-55214-9; 74,50 EUR)
Der vorliegende Band gibt einen umfassenden Überblick über Theorien des Bildungsmanagements und entwickelt eine Argumentation für ein reflexives Bildungsmanagement von Schulen und Einrichtungen der Weiterbildung. Diese Argumentation vollzieht sich in vier Kapiteln. Im ersten Kapitel werden die gesellschaftlichen Herausforderungen skizziert, vor denen Schulen und die Weiterbildung stehen. Unter den Titeln der Globalisierung, Technologisierung, Individualisierung und Pluralisierung verankert Behrmann seine Analysen in einer Diagnose der Herausforderungen, denen sich Schule und Weiterbildung gegenüber sehen. Schulen und Weiterbildung müssen unter anderem ihren Umgang mit Differenzen und Ambivalenzen weiter entwickeln, sich mit Deregulierungs- und Dezentralisierungserwartungen auseinandersetzen, sich flexibilisieren und gleichzeitig vernetzen, ihre Qualität managen und sich, in der Schule noch weniger als in der Weiterbildung, an Bildungsmärkten orientieren. Nach Behrmann stellt die Managementtheorie Reflexionshilfen und Instrumente bereit, mit deren Hilfe sich Schulen und Weiterbildungsorganisationen diesen Herausforderungen reflexiv stellen können. Ein „reflexives“ Management erlaubt es den Bildungsinstitutionen, gegenüber den Ökonomisierungsanforderungen eine „moderate Position“ (54) einzunehmen, die zwischen einer unkritisch befürwortenden und einer rein skeptischen Position vermittelt und so neue Handlungsmöglichkeiten eröffnet.

Im zweiten Teil der Arbeit wird der Begriff des „reflexiven Bildungsmanagements“ entfaltet. Es geht bei diesem um eine „Ausbalancierung ökonomischer und pädagogischer Handlungsformen“ (S. 92) mit Hilfe eines differenztheoretischen Managements, das die Differenzen zwischen pädagogischen und ökonomischen Handlungsformen wahrnimmt und zu ständigen Perspektivwechseln bereit ist. Pädagogisches und betriebswirtschaftlich-organisatorisches Handeln sind in dieser Sicht nicht nur miteinander kompatibel, sondern sie ergänzen sich gegenseitig; es sind beides Lernprozesse mit dem Ziel der „weitere(n) Öffnung und Vertiefung“ (96) des Lernens der Organisation und der Professionen, wie Behrmann es mit H. Geißler formuliert.

Das reflexive Management wird neben der normativen Ebene, bei der es um das Management der allgemeinen Ziele, Prinzipien und der Identität der Organisation geht, und der operativen Ebene des alltäglichen Handelns vor allem auf der strategischen Ebene bedeutsam. Seine Aufgabe ist nicht die Entwicklung einer Unternehmensstrategie, sondern die Gestaltung einer Bildungseinrichtung, die Strategien produzieren kann. Allgemein geht es dabei um die Rekonstruktion und Generierung von Sinnmodellen bzw. Organisationssichten, im Konkreten auf der bildungspolitischen Ebene um finanzpolitische, bildungstheoretische und ordnungspolitische Aspekte, auf der organisationalen Ebene um Wettbewerbsgestaltung, Programmgestaltung sowie Strukturgestaltung und auf der „soziopädagogischen“ Ebene um Bewirtschaftungsorganisation, didaktische Organisation und Veranstaltungsorganisation.

Für jedes dieser neun Handlungsfelder gibt Behrmann jeweils zwei Spannungsfelder an, zusammengefasst in einem Schaubild (120). So kann im Handlungsfeld des Wettbewerbs das Marktverhalten eher wettbewerbsfixiert oder eher kundenorientiert und das Interaktionsverhalten eher konkurrenz- oder kooperationsorientiert gestaltet werden. Die Programmplanung, um ein weiteres Beispiel zu nennen, bewegt sich in den Spannungsfeldern nachfrage- vs. angebotsorientiert und offensiv vs. defensiv, wobei eine offensive Programmplanung neue Märkte zu erschließen versucht, während die defensive Programmplanung vor allem auf schon erschlossene Märkte baut.

Diese Spannungsfelder und die mit ihnen verbundenen Organisations- und Handlungsoptionen werden im dritten Kapitel der Arbeit genauer behandelt. Dieses Kapitel nimmt mehr als die Hälfte des Textes ein; es konkretisiert den Ansatz des reflexiven Bildungsmanagements auf beeindruckende Weise. In der Regel plädiert Behrmann für eine pragmatische Kombination der zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen. Sehr informativ sind die genauen Ausführungen zu Schule und Weiterbildung, wobei beide Seiten von dem vergleichenden Blick profitieren. Während die Weiterbildung deutlich mehr Erfahrung mit Ökonomisierungstendenzen und Managementmodellen, mit externer Finanzierung, Marketing, Zielgruppenarbeit und vielem mehr aufweisen kann, existieren für die Schule mehr Forschungsergebnisse etwa zum Umgang von Lehrer(inne)n mit curricularen Erwartungen.

Im vierten und letzten Kapitel wird das reflexive Bildungsmanagement in der Organisationstheorie verankert. Die im ersten Kapitel beschriebenen Herausforderungen an Bildungseinrichtungen werden nicht im Detail, jedoch ihrer allgemeinen Tendenz nach wieder aufgenommen. Behandelt werden unter anderem Fragen der Profilbildung von Organisationen und des organisatorischen Lernens. Behrmann lehnt sich hier wie auch schon in den früheren Kapiteln an das St. Gallener entwicklungsorientierte Management-Modell sowie an das Konzept der Organisationspädagogik und des Organisationslernens H. Geißlers an.

Behrmann behandelt eine Vielfalt von Entscheidungsfeldern und Perspektiven, und dies ist zugleich Stärke wie Grenze der Studie. Sie identifiziert Handlungsfelder, bietet für alle wichtigen Handlungsfelder ein begriffliches, theoretisches Instrumentarium zur Identifikation und Reflexion von Alternativen und breitet diese Alternativen vor dem Hintergrund einer weiten Diagnose der Herausforderungen aus, mit denen sich Bildungseinrichtungen konfrontiert sehen, von der Globalisierung über das strategische Management bis hin zur Führungskultur, Formen der Programmbildung und des Ressourcenmanagements. Damit sind viele, sich gegenseitig beeinflussende Themen entwickelt; sie alle zu behandeln gelingt nur, indem Behrmann sich jeweils an bewährte Standardliteratur hält, die er dem Leser erschließt. Neue Erkenntnisse im engeren Sinn liefert das Buch nicht. Indem der Autor jedoch auf den oben genannten vielfältigen Entscheidungsebenen Spannungsfelder beschreibt und mit Hilfe des so gewonnenen begrifflichen Instrumentariums die jeweilige Theorielage zusammenfasst, führt er eine Vielzahl von Aspekten des Managements zusammen. Darin liegt das größte Verdienst des Buches. Es kann als Referenzwerk für alle dienen, die an Fragen des Bildungsmanagements in Schule und Weiterbildung interessiert sind. Sie werden auf hohem Stand informiert und können mit Hilfe der genannten Standardliteratur sich bestens weiter in die behandelten Themen vertiefen. Dabei werden Alternativen nicht theorielos präsentiert, sondern das Buch konkretisiert die theoretische Perspektive des reflexiven Bildungsmanagements.

Problematisch ist der Umgang mit Luhmanns Systemtheorie und Benners Praxeologie. Beide werden als theoretische Erklärungsmodelle zu Ökonomisierungstendenzen im Bildungsbereich rezipiert und genutzt, um die eigene Argumentation für eine „moderate“ Antwort auf die Ökonomisierungstendenzen zu stützen. Von Luhmann wird übernommen, dass soziale Systeme und vor allem auch Organisationen sich über die System/Umwelt-Differenz selbst beschreiben; Behrmann schließt daraus, dass es sich anbietet, diese Beschreibungen zu reflektieren. Die pädagogische Praxis wird dann allerdings nicht mit Luhmann als eine solche beschrieben, die Karrieren im Medium des Lebenslaufs produziert, sondern mit Benner als eine Praxis, welche die Subjekte zur Selbsttätigkeit auffordern soll. Das passt nach gängiger Theoriebildung nicht zusammen, was sich nicht zuletzt in Benners Anmerkungen zur Systemtheorie widerspiegelt.
Thomas Fuhr (Freiburg)
Zur Zitierweise der Rezension:
Thomas Fuhr: Rezension von: Behrmann, Detlef: Reflexives Bildungsmanagement, Pädagogische Perspektiven und managementtheoretische Implikationen einer strategischen und entwicklungsorienteirtn Gestaltung von Transformationsprozessen in Schule und Weiterbildung. Frankfurt a.M. u.a.: Lang 2006. In: EWR 6 (2007), Nr. 2 (Veröffentlicht am 28.03.2007), URL: http://klinkhardt.de/ewr/63155214.html