EWR 6 (2007), Nr. 6 (November/Dezember 2007)

Rolf Arnold / Claudia GĂłmez Tutor (Hrsg.)
Qualitätssicherung an Schulen
Band 1: Basisthemen der Schulentwicklung
(Reihe: Qualitätssicherung an Schulen)
Donauwörth: Auer 2006
(360 S.; ISBN 3-403-04697-4; 24,80 EUR)
Qualitätssicherung an Schulen Sie sind davon überzeugt, dass Schulentwicklung nur von der Schule selbst betrieben werden kann und suchen nun nach unterstützender Literatur? Dann ist der Band „Qualitätssicherung an Schulen“ möglicherweise genau das, was Sie suchen: Ein praxisnahes Arbeitsbuch für Lehrkräfte bzw. Kollegien, das auf dem Weg der Schulentwicklung als Wegweiser fungieren kann. Praxisnähe darf allerdings nicht als Rezeptsammlung missverstanden werden. Grundlage für die Verwendung des Werks ist das Verständnis und der Blick für unterschiedliche Teilbereiche der Schulentwicklung, deren theoretische Grundlegung sowie die konzeptionelle Verankerung eines systematischen schulischen Qualitätsmanagementsystems.

Konzipiert wurde die Materialgrundlage dieses Buches zunächst als blended-learning-Studienangebot im BLK-Verbundprojekt „Wissenschaftliche Weiterbildung als Instrument der Qualitätssicherung an Schulen“ der TU Kaiserslautern und der Universität Augsburg. Das Projekt richtete sich an Lehrkräfte, die die Materialien praxisnah erprobten bzw. weiter entwickelten und so den Materialbestand für insgesamt drei Bände der Reihe „Qualitätssicherung an Schulen“ schufen. Der vorliegende Band erscheint als erster der Reihe und rückt „Basisthemen der Schulentwicklung“ in den Fokus. Unter Basisthemen decken die Herausgeber ein weites Spektrum der Schulentwicklung ab, das von unterschiedlichen Autoren bearbeitet wird.

Bevor ich die einzelnen Beiträge diskutiere, möchte ich voranschicken, dass der Band als Arbeitsbuch konzipiert wurde, das Reflexionsaufgaben, Verweise auf andere Kapitel und Textstellen, zusammenfassende Diskussionen oder Literaturempfehlungen – mit Hilfe von Piktogrammen – sehr übersichtlich anbietet. Randnotizen strukturieren darüber hinaus die einzelnen Beiträge, unterstützen das Textverständnis und erleichtern die Orientierung. Die Übersicht wird der Leserschaft auch dadurch erleichtert, dass jeder Beitrag mit einer kurzen Zusammenfassung des zu erwartenden Inhalts beginnt. Ergänzend sind entweder Detailaspekte oder Leitfragen vorangestellt, die im Anschluss vertiefend bearbeitet und beantwortet werden.

Wissenschaftliche Weiterbildung für Lehrende als Instrument der Qualitätssicherung an Schulen (Rolf Arnold, Claudia Gómez Tutor, Markus Lernen)
Der Beitrag von Arnold, Gómez Tutor und Lermen rückt die Darstellung des Projekts „QSS – Qualitätssicherung an Schulen“ in den Mittelpunkt und legt die Grundlage für das Verständnis und die konzeptionelle Einbindung der nachfolgenden Beiträge. Sehr knapp und doch sehr anschaulich gelingt es, die Leserinnen und Leser mit den Basisthemen der Schulentwicklung (Professionalität von Lehrenden, Lehr-/Lernkompetenzen, Evaluation, Lernberatung, Konfliktmanagement, Schulmanagement und Interkulturelle Kompetenz) sowie den Spezialisierungsmodulen (Medienkompetenz und Bildung für nachhaltige Entwicklung/Umweltkompetenz) vertraut zu machen.

Professionalität von Lehrerinnen und Lehrern (Claudia Gómez Tutor)
Ergebnisse empirischer Untersuchungen zu Kernproblemen des Lehrberufs und Reflexionsaufgaben regen die Leserschaft eingangs an, über die Wahrnehmung des Lehrberufs in der Öffentlichkeit und das professionelle Selbstverständnis von Lehrkräften nachzudenken. Aus diesen einleitenden Überlegungen werden grundlegende Handlungsformen für gelungenes pädagogisches Handeln entwickelt, die sich über ein breites Spektrum erstrecken.

Die identifizierten Aspekte „Unterrichten“, „Erziehen“, „Beraten/Coachen“, „Diagnostizieren“, „Bewerten“, „Informieren und Kooperieren“, „Schule gestalten und entwickeln“ und nicht zuletzt „sich fortbilden“ werden zunächst skizziert, bevor beleuchtet wird, welche dramatischen Konsequenzen sich aus übersteigerten Erwartungen und Handlungsdruck für Lehrende ergeben können. Mit dem Ziel die Vielfalt der Anforderungen dennoch erfolgreich bewältigen zu können, wird im Anschluss ein Bild professionellen Lehrerhandelns gezeichnet, aus dem Kompetenzen für pädagogische Professionalität abgeleitet werden. Diese Kompetenzbereiche (Fach-, Methoden- und Diagnosekompetenz sowie didaktische, personale, emotionale, soziale und kommunikative Kompetenz) werden abschließend in einer übersichtlichen Matrix mit notwendigen Teilfähigkeiten inhaltlich aufgefächert. Zusammenfassungen und Hinweise auf weiterführende Literatur werden immer wieder in den Beitrag eingeflochten, so dass dieser einerseits als Basisinformation gelesen und andererseits als Ausgangspunkt für eine umfassende Recherche und Vertiefung des Themas genutzt werden kann.

Unterricht im Spiegel des Lehr- und Lernkulturwandels (Rolf Arnold, Claudia GĂłmez Tutor)
Was ist Lernen? Diese Überschrift springt dem interessierten Leser/der interessierten Leserin sofort ins Auge, um dann zu den Aspekten „Lernen und Gedächtnis“, „Traditionelle Lerntheorien“, „Lernen aus sozial-konstruktivistischer Sicht“ an möglicherweise schon länger zurückliegende Studieninhalte knapp und doch informativ erinnert zu werden. Nachdem zunächst Einflüsse auf das Lernen und die Rahmenbedingen dargestellt werden, widmen sich die Autoren im Folgenden den Konsequenzen für den Unterricht, orientiert an einer konstruktivistischen Perspektive.

Bezüge zu ergänzender Fachliteratur und Hinweise auf empirische Forschungsergebnisse flankieren die Ausführungen. Angelehnt an den Kompetenzbereichen, die bereits im vorausgehenden Kapitel entwickelt wurden, führen die Autoren zusammenfassend aus, wie die Selbstlernkompetenz der Lernenden durch die Lehrkraft gefördert werden kann. Diese Überlegungen führen abschließend zur Entwicklung einer neuen Lehrerrolle, die durch den Vergleich zwischen Erzeugungs- und Ermöglichungsdidaktik sehr anschaulich wird. Ein „Diagnosebogen zur Einschätzung der Kompetenz von Lehrenden“ rundet diesen Beitrag ab, der abschließend in der Grundsatzfrage mündet: Was ist guter Unterricht? Diese Frage wird – nicht als Rezept, sondern als Orientierung – mit dem „Angebot-Nutzungs-Modell der Wirkungsweise des Unterrichts“ nach Helmke (2004) exemplarisch beantwortet und durch weiterführende Literatur ergänzt.

Evaluation (Claudia Schmitt, Claudia Steber)
Schule braucht Standards! Qualität von Schule muss überprüfbar sein! Diese Forderungen stellen die Autorinnen zu Beginn ihres Betrags heraus. Gleichzeitig erörtern sie die Kernfrage, was die Qualität von Schulen grundsätzlich ausmacht, anhand der Begriffe Orientierungs-, Struktur-, Prozess- und Produktqualität. Mit dem Verweis auf die Notwendigkeit schulspezifischer Qualitätsentwicklungsarbeit wird im Anschluss die Überleitung zur Evaluation vollzogen. Nach der Darstellung von Zielen und Standards der Evaluation an Schulen erfolgt die Gegenüberstellung interner und externer Evaluation. Um nun interessierte Lehrkräfte in die Lage zu versetzen Evaluationsdaten – prozessbegleitend oder situativ – zu erheben, nach statistischen Regeln zu analysieren und zu interpretieren, schließen die Autorinnen ein Kapitel an, in dem die Grundlagen empirischer Arbeit skizziert sowie qualitative bzw. quantitative Erhebungsmethoden diskutiert werden. Nachdem das Handwerkszeug vermittelt wurde, wird ein Qualitätskreislauf nach Kempfert und Rolff (1999) systematisch nachvollzogen und die Leserinnen und Leser erhalten einen detaillierten Einblick in einen schulischen Evaluationsprozess. Dieser Beitrag überzeugt vor allem durch prägnante Praxisbeispiele sowie Übungsaufgaben – und wer sich darüber hinaus informieren möchte, erhält zahlreiche Literaturtipps.

Pädagogische Beratung und Lernberatung (Henning Pätzold)
Beratung als Element schulpädagogischen Handelns steht im Zentrum dieses eingangs sehr anschaulichen Beitrags. Zahlreiche Beispiele von Schülerinnen und Schülern führen die Leserschaft zu möglichen Themen und zum Ablauf von Lernberatung. Ein Abfolgemodell für Lernberatung visualisiert zunächst den Beratungsprozess, bevor Kompetenzen auf Seiten der Ratgeber und Beratenen detailliert beschrieben werden. Darüber hinaus geht der Autor auf das Verhältnis von Beratung und Diagnostik näher ein und erörtert diverse Bedingungsfaktoren für Schulprobleme, denen er einige Werkzeuge zur Förderung des Lernprozesses gegenüberstellt. Anschließend wird ein systemischer Beratungsansatz anhand seiner fünf Grundpositionen theoretisch erläutert. Zum Abschluss verweist der Autor auf die Komplexität und den hohen Anspruch von Beratungstätigkeit und skizziert mögliche Weiterbildungsangebote, die die Lektüre sinnvoll ergänzen können.

Konstruktive Konfliktbearbeitung (Gisela MĂĽller-Fohrbodt)
Was ist ein Konflikt und wie sieht der übliche Umgang mit Konflikten aus? Diese Fragen werden einleitend mittels Definitionen und Beispielen aus der Schulwelt erörtert, bevor sich die Autorin der konstruktiven Konfliktbearbeitung zuwendet. Die detaillierte Beschreibung des „Grundschema zur konstruktiven Konfliktbearbeitung“ – unterteilt in die fünf Aufgabenfelder „Umbau der Störungssicht“, „Eigene Ziele neu definieren“, „Maßnahmenbündel erarbeiten“, „Maßnahmenbündel erproben und durchführen“ sowie „Ergebnis und Prozess evaluieren“ – dient der weiteren Strukturierung des Textes. Viele anschauliche, vor allem schulnahe Beispiele und zahlreiche Reflexionsaufgaben helfen der Leserschaft, den (zeit-)intensiven Prozess der konstruktiven Konfliktbearbeitung zu verstehen. Zum Abschluss versäumt es die Autorin dann auch nicht, Hilfen für den Umgang mit Zeitdruck einzuflechten.

Interkulturelle Pädagogik, Schulentwicklung und Lehrer/in-Sein in der multikulturellen Gesellschaft (Christiane Griese)
Nachdem die Autorin die Situation von Migranten in der deutschen Schulwirklichkeit kurz umrissen und bildungspolitische Ansätze kritisch skizziert hat, widmet sie sich möglichen Lösungsstrategien für die Gestaltung des Verhältnisses von Migration und Schule. In diesem Kontext verknüpft sie interkulturelle Kompetenz als prinzipielle Grundhaltung mit dem allgemeinen Kompetenzprofil für pädagogische Professionalität – entwickelt im Beitrag von C. Gómez Tutor in diesem Band. Anschließend stellt sie den Leserinnen und Lesern zwei Phasenmodelle vor, die idealtypisch interkulturelle Lernprozesse strukturieren. Auf dieser Grundlage werden Überlegungen zu Schulentwicklungsprozessen sowie zum Wandel schulischer Lernkultur mit Aspekten der Multikulturalität miteinander verknüpft. Im Fazit des Beitrags werden dann spezifische Aufgaben der interkulturellen Pädagogik erörtert und ein ganzheitliches Konzept zu „interkultureller Bildung und Erziehung“ nach Nieke 1995 vorgestellt, verbunden mit dem Appell der Rückbesinnung „auf die allgemeinen Prinzipien pädagogischen Handelns im Sinne der Verantwortung gegenüber dem Kind“ (246).

Schulmanagement und Schulentwicklung (Ingeborg SchĂĽĂźler)
Im letzten Beitrag dieses Bandes zeigt die Autorin auf, wie wachsende Anforderungen durch Rationalisierungs-, Reform- und Innovationsdruck auch als Gestaltungsspielräume gedeutet und genutzt werden können. Fünf Aufgabenbereiche für die Schule von morgen werden von ihr identifiziert und die Ausführungen nachfolgend an den Aspekten „Entwicklung der Schule als lernende Organisation“, „Gestaltung von Handlungsspielräumen durch (Teil-)Autonomisierung“, „Förderung der Qualität an Schulen“, „Bewusste Weiterentwicklung der Lern- und Schulkultur“ sowie „Wandel von der Schulverwaltung zum Schulmanagement“ orientiert. Im Anschluss daran fokussiert die Autorin Herausforderungen an die Schulleitung und leitet dem Veränderungsmanagement vier Ansatzpunkte für pädagogische Führung in der Schulentwicklung ab. Die Aspekte „Coaching“, „Teamführung“, „Transformative Führung“ und „Leitbildentwicklung“ werden schulbezogen inhaltlich gefüllt, bevor die Leserinnen und Leser zum Abschluss dreizehn Empfehlungen erhalten, die zur kritischen Reflexion über Schulentwicklung anregen sollen. Insgesamt ist dieser Beitrag trotz seiner Informationsdichte sehr übersichtlich strukturiert, wobei zahlreiche Tabellen, Grafiken und Aufzählungen eine schnelle Information ermöglichen und das Verständnis erleichtern.

AbschlieĂźende Bemerkungen
Den Autorinnen und Autoren des vorliegenden ersten Bands der dreiteiligen Reihe zur „Qualitätssicherung an Schulen“ ist es gelungen, komplexe Sachverhalte strukturell einzubinden und den Qualitätssicherungsprozess an Schulen transparent zu machen. Die zahlreichen Tabellen, Diagramme und die auf das Wesentliche reduzierten Zusammenfassungen lassen Schulentwicklung nicht mehr als Berg von unüberwindlichen Einzelanforderungen erscheinen, sondern als kohärentes Konstrukt, das mit spezifischen Methoden greifbar und umsetzbar wird.

Der Band wird den eigenen Ansprüchen absolut gerecht, indem er sich durch Aufbau und Struktur tatsächlich zum Selbststudium für Lehrkräfte eignet, wenn nicht gar besonders empfiehlt. Die Lehrenden werden in ihren Selbstlern- und Fachkompetenzen ernst genommen und können selbst entscheiden, an welchen Stellen und zu welchen Themen sie tiefer einsteigen möchten. Literaturempfehlungen ermöglichen die schnelle Information. Zeitraubende Recherchen, die aufkeimende Interessen möglicherweise ersticken, erübrigen sich.

Auch Lehramtsstudierende als Adressaten dieser Reihe erhalten ein überschaubares und vor allem anschauliches Bild von Qualitätsentwicklung und -sicherung an Schulen, das sie in der Praxis möglicherweise nicht immer gewinnen können.

Der vorliegende erste Band macht neugierig auf die Folgebände und schürt gleichzeitig hohe Erwartungen. Ich beginne die Lektüre des zweiten und dritten Bands jedenfalls hoch motiviert.
Claudia Henrichwark (Wuppertal)
Zur Zitierweise der Rezension:
Claudia Henrichwark: Rezension von: Arnold, Rolf / Tutor, Claudia GĂłmez (Hg.): Qualitätssicherung an Schulen, Band 1: Basisthemen der Schulentwicklung (Reihe: Qualitätssicherung an Schulen). Donauwörth: Auer 2006. In: EWR 6 (2007), Nr. 6 (Veröffentlicht am 05.12.2007), URL: http://klinkhardt.de/ewr/40304697.html